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Praxis Fliegen: Wie bediene ich einen Verstellpropeller?

Die Bedienung eines Verstellpropellers ist für viele Piloten rätselhaft, die auf Flugzeugen mit festem Prop groß geworden sind. Doch wer einmal die Grundlagen
erfasst hat, freut sich schnell über den erheblichen Effizienzzuwachs.

Von Redaktion
Verstellpropeller
Schieben: In der Mittelkonsole finden sich die drei Hebel für Drosselklappe (schwarz), Drehzahl (blau) und Gemisch (rot) nebeneinander. Ganz links die Vergaservorwärmung.

Fluggäste lassen sich gern erklären, wie die Tragflächen für Auftrieb sorgen. Nach der Wirkungsweise des Propellers fragt dagegen kaum jemand – wahrscheinlich weil ja jeder vom häuslichen Ventilator kennt, dass der irgendwie die Luft bewegt. Mehr muss man nicht wissen – als Fluggast. Für Piloten gilt das nicht.

Bei näherer Betrachtung würde auch der Laie erkennen, dass es sich bei Propellerblättern eigentlich um rotierende Tragflächen handelt, die prinzipiell denselben physikalischen Gesetzen folgen wie ein Flügel – aber die Luft nach hinten befördern, statt sie nach unten umzulenken. Wie bei der Tragfläche entscheidet der Anströmwinkel wesentlich darüber, wie effizient der Prozess ist.

Verstellpropeller: Wie bedienen Piloten ihn richtig?

Am Propeller überlagern sich zwei Strömungsrichtungen der Luft: Eine entsteht dadurch, dass sich das Blatt bei seiner Drehung durch die Luft bewegt – mit wechselnder Drehzahl unterschiedlich schnell. Die andere dadurch, dass sich das Flugzeug vorwärts bewegt und so den Prop von vorne anströmt – je nach Speed der Maschine unterschiedlich stark. 

Drehen: Sogenannte Vernier Controls können durch Drehen am weißen Ring fein und präzise verstellt werden – oder durch Schieben und Ziehen, wenn man zuvor den Knopf am Ende eindrückt.

Die Drehzahl eines festen Propellers wird also nicht nur von der Motorleistung beeinflusst, sondern auch von der Geschwindigkeit des Flugzeugs. Es leuchtet sofort ein, dass ein feststehendes Propellerblatt nicht immer optimal angeströmt wird.

Wie funktioniert ein Constant-Speed-Propeller?

Anders dagegen der Constant-Speed-Propeller: Eine Mechanik, die wir im vorigen fliegermagazin #7.2019 vorgestellt haben, verstellt den Einstellwinkel des Propellerblatts so, dass stets eine vom Piloten vorgewählte Drehzahl gehalten wird. So kann sich beim Startlauf der Propeller bei maximaler Drehzahl mit relativ flach stehenden Blättern »fein« durch die Luft schrauben – sozusagen »im ersten Gang«. Im schnellen Reiseflug stellen sich die Blätter dann selbst bei verringerter Drehzahl vergleichsweise steil an, weil sie auch von vorn angeströmt werden – sozusagen im »fünften Gang«. Dafür gibt es natürlich Grenzen: Genügt die Motorleistung nicht, um die gewünschte Drehzahl zu erreichen, stehen die Blätter am flachen Anschlag der Mechanik; die Drehzahl ändert sich dann wie beim Festprop mit der Leistung.

Beim Verstellprop bekommt das Flugzeug einen weiteren Hebel und auch ein neues Instrument. Beschränken wir uns auf Saugmotoren ohne Turbolader: Mit dem Zusammenspiel aus  Drosselklappenstellung, Propellerdrehzahl und Gemischeinstellung bestimmt der Pilot nun die Motorleistung. Dafür gibt es je einen schwarzen, blauen und roten Hebel. Der Ladedruck (auf Englisch Mainfold Pressure, kurz MP oder MAP) zeigt die Gashebelstellung an, hinzu kommen Instrumente für Drehzahl (RPM) und Benzindurchfluss (Fuel Flow, kurz FF). 

Anzeige des Ladedrucks ist nicht immer leicht zu verstehen

Die Anzeige des Ladedrucks, meist gemessen in inch Hg, also Zollhöhe einer Quecksilbersäule, ist nicht immer leicht zu verstehen. Schon der Name ist irreführend, denn gemessen wird zumindest bei Saugmotoren der Unterdruck im Ansaugtrakt, dessen Eingang von der Drosselklappe mehr oder weniger geschlossen wird.

Digitale Motorinstrumente: Typisch fürs Glascockpit ist
die Prozentanzeige der Leistung, errechnet aus Ladedruck, Drehzahl und Fuel Flow – die ebenfalls dargestellt werden.

Der Standard-Luftdruck von 1013 Hektopascal beträgt in der ungewohnten Ladedruckeinhat 29,92 inch Hg. Ein wichtiger Check vor dem Anlassen: Bei stehendem Motor am Boden sollte die MP-Anzeige dem Umgebungsdruck entsprechen, also dem Luftdruck in Platzhöhe am jeweiligen Tag. Da der Luftdruck mit 1 inch Hg pro 1000 Fuß Höhe abnimmt, kann man die zu erwartende Anzeige je nach QNH auch ohne präzise Umrechnung von Hektopascal in inch Hg abschätzen. 

Verstellpropeller: RPM-Hebel wird ein oder zwei Mal nach hinten gezogen

Beim Startcheck gehört eine Überprüfung der Propellerverstellung dazu: Der RPM-Hebel wird bei der auch für den Magnetcheck verwendeten Drehzahl ein oder zwei Mal nach hinten gezogen (wenn das Handbuch nichts anderes vorgibt). Die Verstellung ist hör- und sichtbar. 

Für den Startlauf im »1. Gang« ist dann alles ganz einfach. »Alle Hebel nach vorn« heißt die Devise: Drosselklappe ganz geöffnet, RPM maximal, Gemisch »voll reich« (außer bei großer Dichtehöhe). Im Vergleich zum Wert bei Motorstillstand sollte nicht viel mehr als 1 inch Hg Ladedruck durch den Luftfilter und andere Hindernisse im Ansaugtrakt verloren gehen – so kann der Pilot abschätzen, ob der Motor volle Leistung bringt.

Eine möglichst geringe Drehzahl ist die effizienteste Lösung

Die kann je nach Triebwerk zeitlich limitiert sein – das Handbuch verrät mehr. Verbreitet ist die Angewohnheit, die Leistung schon im Anfangssteigflug auf 25 inch Hg und 2500 Umdrehungen zu reduzieren. Das ist nicht unbedingt eine gute Idee: Bei Vollgas wird zur Motorkühlung zusätzlich das Gemisch angereichert, bei reduziertem Ladedruck nicht mehr.

Die Handbücher geben eine breite Auswahl an Leistungseinstellungen für den Reiseflug vor. Grundsätzlich gilt: Alle genannten Kombinationen von Ladedruck und Drehzahl sind erlaubt. Hat man bei gleicher Leistung die Wahl, ist eine möglichst niedrige Drehzahl die effizienteste Lösung – und auch die leiseste. 

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Leistungsverlust eines Saugmotors wird mit der Höhe sichtbar

Das Gerücht, dass die Drehzahl geteilt durch 100 nie kleiner sein dürfe als der Ladedruck (sogenannter »oversquare«-Betrieb), ist innerhalb der vom Handbuch vorgegebenen Grenzen falsch. Ein Setting von zum Beispiel 25 inch Hg bei 2300 Umdrehungen ist kein Problem. Allerdings können sehr niedrige Drehzahlen bei hohem Ladedruck den Motor durchaus beschädigen: Es kann zur unkontrollierten Zündung kommen (Klopfen, auf Englisch detonation). Viele Piloten gewöhnen sich an, bei Leistungserhöhungen erst die Drehzahl zu steigern, dann den Ladedruck – bei Reduzierungen umgekehrt.

Da der Umgebungsdruck mit der Höhe sinkt (1 inch Hg pro 1000 Fuß), betrifft das auch den Ladedruck: Selbst bei Vollgas werden in 5000 Fuß nur etwa 24 inch Hg erreichbar sein. So wird der Leistungsverlust eines Saugmotors mit der Höhe direkt sichtbar. 

Beim Triebwerksausfall den den Drehzahlhebel nach hinten ziehen

Im Landeanflug bereitet man sich auf ein Durchstartmanöver vor, indem man den blauen Hebel nach vorn auf hohe Drehzahl schiebt. Das sollte aber erst im kurzen Endanflug getan werden, wenn die Power nicht mehr für eine Propverstellung reicht. Sonst nervt man die Anwohner unnötig durch den Lärm der hohen Drehzahl.

Bei einem Triebwerksausfall sollte, sobald klar ist, dass der Motor nicht mehr wiederzubeleben ist, der Drehzahlhebel nach hinten gezogen werden. Durch die hohe Steigung bremst der Prop dann im Gleitflug viel weniger. Das setzt aber voraus, dass bei einer hydraulischen Verstellung noch Öldruck vorhanden ist.

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Flugzeuge von Cirrus haben keinen Drehzahlhebel

Das Spiel mit drei Hebeln ist anspruchsvoll und anachronistisch. Kein Wunder, dass Flugzeug- und Motorenhersteller sich mühen, die Arbeitsbelastung für den Piloten zu minimieren. Beispiele: Bei Rotax-Motoren gibt es zwar oft einen Verstellpropeller (der dort manchmal auch elektrisch funktioniert), aber keinen Gemischhebel: Je nach Außendruck wird die Benzinzufuhr automatisch geregelt – mehr oder weniger optimal. Die Flugzeuge von Cirrus dagegen haben keinen Drehzahlhebel. Bei SR20 und SR22 ohne Turbolader ist der Gashebel über eine Mechanik auch mit der Propellerverstellung verbunden: Bis zur vollen Öffnung der Drosselklappe sind 2500 RPM eingestellt, der Rest des Hebelwegs erhöht dann bei Vollgas die Drehzahl auf bis zu 2700 RPM. 

Noch mehr Komfort findet sich bei einer elektronischer Motorsteuerung, bei der nur noch der Leistungshebel existiert und alle Details vom Computer nach Vorgaben des Herstellers eingestellt werden. Derzeit findet sich so etwas vor allem bei Dieselflugmotoren, etwa von Continental und Austro Engine. Was eigentlich praktisch ist, wird von manchen Piloten sogar beklagt: Sie wünschen sich die volle manuelle Kontrolle über die Leistungseinstellung – mit der Macht der drei Hebel.

Text: Helmuth Lage Fotos: Thomas Borchert, Christina Scheunemann

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