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Wie der Pistenzustand Landungen beeinflusst

In einem immer noch unvertrauten Format wird seit einiger Zeit die Beschaffenheit der Landebahn international einheitlich beschrieben – mit einer Codierung durch Ziffern.

Von Redaktion
Pistenzustand im Winter
Extremfall: Bei verschneiten, aber auch bei regennassen Pisten geben die neuen Runway Condition Codes in der ATIS-Ansage Auskunft darüber, was den Piloten am Boden erwartet. Bild: Helmuth Lage Pistenzustand im Winter

Was soll mir das jetzt sagen? Die meisten Piloten, die einen Verkehrsflughafen anfliegen, werden beim Abhören der ATIS-Ansage wohl immer noch nicht mit den vor einiger Zeit eingeführten Angaben zum Pistenzustand gewundert, die verwirrend sein können.

»Schuld« an den manchmal sehr langen Zahlencodes ist der Crash eines Verkehrsflugzeugs vor einigen Jahren. Am Abend des 8. Dezember 2005 kam es bei der Landung einer Boeing 737 700 der amerikanischen Southwest Airlines zu einem Unfall.

Wenn der Pistenzustand zur Gefahr wird

Nachdem es den ganzen Tag geschneit hatte, wurde den Piloten im Anflug die Bremswirkung auf der ersten Hälfte der Bahn als »mittelmäßig« und in der zweiten Hälfte als »schlecht« übermittelt. Sie führten eine normale Landung durch.

Unter anderem aufgrund der schlechten Bremswirkung gelang es der Crew nicht, die Maschine auf der Bahn zum Stehen zu bringen. Sie überrollte nicht nur das Bahnende, sondern durchbrach den Flughafenzaun und kam erst auf einer öffentlichen Straße zum Stehen. Dabei begrub die Maschine einen vorbeifahrenden Pkw unter sich, wobei ein sechsjähriger Junge ums Leben kam.

Weltweite Unterschiede

Die US Luftfahrtbehörde FAA nahm diesen Vorfall zum Anlass, einen Ausschuss zu gründen. Seine Aufgabe: Empfehlungen erarbeiten, die den Umgang mit Start und Landeberechnungen, insbesondere bei schlechten Bahnbedingungen, vereinfachen sollen. Eine zentrale Erkenntnis war die Tatsache, dass es kein weltweit standardisiertes Format zur Übermittlung des Zustands der Landebahn und der zu erwartenden Bremswirkung gab.

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Basierend auf diesen Überlegungen entwickelte die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO eine weltweit standardisierte Methodik, das Global Reporting Format (GRF). Damit lässt sich vereinheitlicht und standardisiert der Zustand einer Landebahn beschreiben.

Wie der Pistenzustand erfasst wird

Der Flugplatzbetreiber ermittelt den Pistenzustand und stellt ihn in Form eines Runway Condition Report (RCR), zu deutsch Pistenzustandsmeldung, zur Verfügung. Die wird an den Flugsicherungsdienstleister (zum Beispiel die DFS) weitergeleitet, und der verbreitet die Informationen via ATIS, D ATIS und Sprechfunk. Zudem geht die Information auch an das zuständige Aeronautical Information Center (AIC), das auf Basis dieser Informationen bei Bedarf eine SNOWTAM Meldung erstellt.

Durch entsprechendes Feedback der Flugzeugführer via Funk, sogenannten Air Reports (AIREP), bekommt der Flugsicherungsdienstleister eine Rückmeldung und leitet sie an den Flugplatzbetreiber weiter, der dann die Pistenzustandsmeldung jederzeit anpassen kann.

Der Runway Condition Code

Der RCR gibt für jedes Drittel einer Bahn die Werte für die Pistenzustandskennzahl (Runway Condition Code, RWYCC), die Art der Pistenkontamination und deren Stärke sowie Bedeckungsgrad an. Der Runway Condition Code ermöglicht eine Einschätzung über die zu erwartende Bahnbeschaffenheit und in Folge der zu erwartenden Bremswirkung.

Unbedingt sollte man sich merken: Je höher die Zahl, desto besser der Bahnzustand. 6 ist das Optimum (»trocken«), 0 steht für die schlechteste Bahnbeschaffenheit.

Komplexe Matrix – eine Ziffer

Ein wichtiges Werkzeug des Global Reporting Format ist die RCAM, die sogenannte Runway Condition Assesment Matrix (Pistenzustandsbewertungsmatrix, siehe Bild links), die die Pistenbeschaffenheit und deren Kennziffer zusammenführt. Eine Einschätzung über den Bahnzustand erhalten Piloten in erster Linie über den Runway Condition Code.

Ebenso geändert hat sich die Bedeutung der SNOWTAM Meldung. Sie schließt nun auch Gefährdungen aufgrund von stehendem Wasser von mehr als drei Millimetern Höhe ein. Sie können also auch ohne Schnee mit einem SNOWTAM konfrontiert werden. Es folgt der Logik des RWYCC und ist für maximal acht Stunden gültig.

Pistenzustand auch für Privatpiloten relevant

Das Global Reporting Format findet sich in Deutschland bisher vor allem an den großen Verkehrsflughäfen. In der breiten Basis ist das Format noch nicht angekommen.

Trotzdem ist es auch für Privatpiloten wichtig: Für sie ist die zu erwartende Bremswirkung auf den langen Airport Runways zwar in den meisten Fällen nebensächlich, aber erstens möchte man die ATIS ja verstehen können und zweitens ist die Bahnbeschaffenheit bei der Richtungskontrolle am Boden auch für kleine Flugzeuge ein Thema.

Text: Christian Stock

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