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Recht: Auskunftspflicht

Ein Kontrolleur der Luftaufsicht will ein Dokument sehen, das der Pilot nicht bei sich hat – und schießt dabei weit über das Ziel hinaus

Von Redaktion

Frage an Dr. Roland Winkler zum Thema Auskunftspflicht:

Kürzlich ist einer unserer Fliegerkollegen an einem Verkehrslandeplatz einer Kontrolle zum Opfer gefallen und musste ein Bußgeld in Höhe von 100 Euro bezahlen, weil er die Bestätigung seiner Zuverlässigkeitsüberprüfung (ZÜP) nicht mitgeführt hatte. Auf die Frage, nach welcher Vorschrift dieses Dokument mitzuführen sei, bekam der Fliegerkollege keine Auskunft. Vielmehr wurde er mit der Ankündigung konfrontiert, dass er nicht mehr weiterfliegen dürfe, wenn er das Bußgeld nicht an Ort und Stelle bezahlt – was ich für Amtswillkür und für unzulässig halte. Ich frage mich, was ein Pilot denn außerdem noch alles vorsorglich mitführen soll, ohne ahnen zu können, dass dies ohne Angabe von Gründen von ihm verlangt werden könnte? Ich habe nun viel recherchiert, aber konnte keinen Hinweis darauf finden, dass der Nachweis der Zuverlässigkeit tatsächlich mitzuführen ist.

Dr. Roland Winkler antwortete:

Es muss Sie nicht wundern, dass Sie nichts zur Pflicht finden konnten, die Bestätigung über die erfolgreiche Zuverlässigkeitsüberprüfung beim Flug mit sich zu führen: diese Pflicht gibt es schlicht und einfach nicht. § 27 Abs. 1 Ziff. 2 LuftVO bestimmt, dass Sie den für die Wahrnehmung der Luftaufsicht zuständigen Personen oder Stellen „… die vorgeschriebenen Ausweise, insbesondere die Scheine und Zeugnisse für die Besatzung und das Luftfahrzeug auf Verlangen auszuhändigen haben.“ In FCL.045 der EU-Verordnung 1178/2011 sowie in § 8 und 120 der LuftPersV ist festgelegt, welche Ausweise von Piloten mitzuführen sind. Die Mitteilung über die ZÜP ist nicht dabei; sie ist kein Ausweis, sondern ein Bescheid – und der muss nicht in Ihrer Fliegertasche sein.

Zwar legt § 134 der LuftPersV fest, dass Inhaber von EASA-Lizenzen (nicht jedoch UL-Piloten – offensichtlich ein Versäumnis des Gesetzgebers) eine Ordnungswidrigkeit begehen, wenn sie die vorgeschriebenen Ausweise nicht mitführen. Sie kann mit einem Bußgeld bis zu 30 000 Euro belegt werden. Doch das gilt eben nicht für die ZÜP – das Vorgehen des Prüfers könnte also durchaus den Straftatbestand der Erpressung nach § 253 StGB erfüllen. Ohnehin liegt die Zuständigkeit für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zentral beim Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (siehe fliegermagazin 6/2017). Dort – und nur dort – wird entschieden, ob ein Verfahren eingeleitet wird und in welcher Höhe eine eventuelle Geldbuße zu verhängen ist.

Außerdem: Da die Bundesrepublik ein Rechtsstaat ist, muss der Betroffene vor Erlass des Bußgeldbescheids gehört werden und die Möglichkeit haben, sich gegen den Vorwurf zu verteidigen. Dazu gehört auch, dass der Betroffene durch seinen Verteidiger Akteneinsicht nehmen kann. Sie gibt Hinweise, welche Verpflichtung nach welcher gesetzlichen Vorschrift verletzt wurde. Erst nach ordnungsgemäßer Prüfung des Falls und der Stellungnahme des Betroffenen kann die zuständige Behörde einen Bußgeldbescheid erlassen, der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung förmlich zugestellt wird. Selbst dann wird die Geldbuße erst fällig, nachdem der Bußgeldbescheid rechtskräftig ist: frühestens zwei Wochen nach Zustellung, wenn kein Einspruch eingelegt wird.

Auskunftspflicht: Wie im Wilden Westen

Das Luftaufsichtspersonal vor Ort kann ohnehin nur im Eilfall ein Startverbot verhängen: Der krasseste vorstellbare Fall ist Trunkenheit des Piloten oder offensichtliche Mängel am Flugzeug, die die Luftsicherheit gefährden. Ansonsten bleibt der Luftaufsicht nur die Meldung an die zuständige Luftverkehrsbehörde. Da für die Luftaufsicht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt, dürfen nur Maßnahmen ergriffen werden, die zur Gefahrenabwehr erforderlich, geeignet und angemessen sind. Es ist offensichtlich, dass die Zahlung eines Bußgelds vor Ort eben nicht geeignet ist, die Gefahr zu beseitigen, die von einem Piloten ohne ZÜP ausgehen könnte. Kann jedoch ein Pilot bei der Kontrolle durch die Luftaufsicht zum Beispiel keine Lizenz vorlegen, liegt die Vermutung nahe, dass er gar keine besitzt. Dann ist ein Startverbot gerechtfertigt.

Im beschriebenen Fall hätte der Betroffene die Polizei rufen können. Auch wenn den Polizeibeamten vielleicht nicht bekannt gewesen wäre, welche Papiere ein Pilot mitzuführen hat, so wären sie spätestens bei dem Umstand hellhörig geworden, dass gegen Zahlung von 100 Euro der Flug auch ohne vollständige Papiere hätte fortgesetzt werden können. Piloten müssen eine gültige Lizenz und ein gültiges Tauglichkeitszeugnis mitführen, ebenso ein Ausweisdokument mit Passbild (Personalausweis, Reisepass). Das Flugbuch mit dem Nachweis der Flugzeiten ist von Piloten mit EASA-Lizenz gemäß FCL.045 der EU-Verordnung 1178/2011 „ohne ungebührliche Verzögerung“ vorzulegen – es darf also zu Hause bleiben. UL-Piloten dagegen müssen es laut § 120 LuftPersV mitführen. Ist das Funksprechzeugnis nicht in der Lizenz eingetragen, muss es ebenfalls mitgeführt werden.

fliegermagazin 9/2017

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