Praxis

Spritmanagement für Piloten kleiner Flugzeuge

Den Tank leer fliegen, beim Treibstoffmanagement Fehler machen: So vermeiden Piloten kleiner Flugzeuge diese potenziellen Unfallursachen

Von Thomas Borchert
Tankstutzen
Immer genug, aber auch nicht zu viel - das Betanken kleiner Flugzeuge ist nicht einfach Foto: Christina Scheunemann

Einmal pro Woche bleibt allein in den USA ein Flugmotor wegen Treibstoffmangels stehen – dabei sollte das eigentlich die vermeidbarste aller Unfallursachen sein. Hier sind sechs Praxis-Tipps zur Vermeidung von Problemen:

1. Zeit, nicht Strecke

Eine elementare, aber dennoch oft vergessene Erkenntnis: Anders als beim Auto zählt im Flugzeug der Treibstoffverbraucht pro Zeit, nicht pro Strecke. Soll heißen: Auch wenn Sie ein Ziel mit der vorhandenen Spritmenge in den Tanks schon oft sicher erreicht haben, kann ein kräftiger Gegenwind dafür sorgen, dass Ihnen diesmal vorher der Sprit ausgeht. Eine ordentliche Flugplanung mit Verbrauchsberechnung ist also für jeden Flug unerlässlich.

2. Volltanken ist keine Lösung

Erstens reichen auch volle Tanks nicht für jeden Flug. Zweitens muss in praktisch allen Kleinflugzeugen einen Abwägung zwischen Beladung und Reichweite getroffen werden: Alle vier Plätze an Bord lassen sich meist nicht mit Personen besetzen, wenn die Tanks zu voll sind. Allerdings sind Teilbefüllungen oft schwer zu messen. Auf die Tankanzeigen ist gerade bei älteren Mustern kein Verlass.  Hilfreich sind Winkelbleche im Tank, die einen im Handbuch definierten Teilfüllstand anzeigen – auf Englisch heißen sie „tabs“. Manche Flugzeuge haben an der Tankinnenwand sogar eine Skala angebracht.

Im Fachhandel gibt es außerdem Peilstäbe aus Plastik, die man selbst eichen kann – eine sehr lohnende Investition. Das regelmäßige Volltanken nach jedem Flugtag ist in jedem Fall eine schlechte Angewohnheit. Und das Gerücht, es könne sich bei teilbefüllten Tanks Kondensationswasser in nennenswerten Mengen im Tank sammeln, ist Unfug.

Volltanken ist aus Gewichtsgründen nicht immer sinnvoll

3. Ein Blick hinein muss sein

Kein Pilot sollte starten, ohne sich zuvor durch eine Sichtkontrolle vom Treibstoffvorrat an Bord überzeugt zu haben. Gerade in Glascockpits findet sich heute oft ein Fuel Totalizer, der den Verbrauch misst und den Füllstand anzeigt. Doch Vorsicht: Das Gerät misst den Kraftstoffdurchfluss und damit den Verbrauch – aber nicht den Tankinhalt! Der muss vor dem Flug vom Piloten korrekt eingegeben werden, dann zieht der Totalizer die verbrauchte Menge vom manuell eingegebenen Anfangsstand ab. Stimmt der nicht, ist die gesamte Anzeige nicht korrekt. Wenn Sie schon in den Tank schauen, sollten Sie bei dieser Gelegenheit auch die Entwässerung betätigen. Prüfen Sie nicht nur, ob die entnommene Spritprobe frei von Wasser und Verunreinigungen ist – sondern auch, ob es sich überhaupt um Avgas handelt (es ist blau gefärbt). Übrigens kommt Wasser vor allem auf zwei Wegen in die Tanks: durch undichte Tankdeckeldichtungen, wenn das Flugzeug bei Regen draußen steht, oder dadurch, dass Wasser bereits in der Tankstelle mit drin ist.

Eine Skala im Tank vieler TB-10 verrät den genauen Füllstand. Alternative ist ein Peilstab

4. Prüfen Sie den Verbrauch

Jeder Pilot sollte sich angewöhnen, nach jedem Flug den berechneten Spritverbrauch mit dem tatsächlichen zu vergleichen. Diskrepanzen muss nachgegangen werden. Die Handbuchwerte lassen sich im Übrigen nur erreichen, wenn das Gemisch nach den Vorgabe dort abgemagert wird.

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5. Tankwahl mit System

Zwischen der „both“-Stellung für beide Tanks in der Cessna 172 und komplexen Systemen mit vier oder mehr Tanks etwa in älteren Bonanzas liegen Welten. Piloten müssen die Feinheiten des Tanksystems an Bord kennen und beherrschen. Selbst die einfache Wahl zwischen rechts und links erfordert regelmäßiges Umschalten – am besten alle 30 oder 60 Minuten (GPS-Navis und moderne Transponder haben Timerfunktionen, die daran erinnern können, wenn man sie entsprechend programmiert) oder etwa immer dann, wenn 10 Gallonen oder 50 Liter verbraucht wurden. Auch bei Flugzeugen mit „both“-Stellung kann es sich lohnen, gezielt zwischen links und rechts zu wechseln. Erstens, weil man dann die Gewohnheit für Tiefdecker ohne „both“-Stellung nicht verliert. Und zweitens, weil – wenn einmal einer der Tanks leer sein sollte, der andere dann noch einen Rest enthält. In Stellung „both“ dagegen ist „leer“ wirklich „leer“.

5. Erfordert Systemkenntnis: Komplexe Tanksysteme und versteckt angebrachte Schalter

6. Tappen Sie nicht in die Psychofalle

Es gibt beim Flugzeug keine Möglichkeit, „rechts ran“ zu fahren. Wenn die Tanks leer sind, dann geht das Triebwerk aus – und Ihr Leben ist in Gefahr! Machen Sie sich das immer klar. Wenn der Sprit knapp wird, müssen Sie handeln – und zum Beispiel einen Alternativplatz ansteuern.  Viele Piloten reden sich stattdessen ein, es würde noch irgendwie klappen. Tappen Sie nicht in diese Falle!

Über den Autor
Thomas Borchert

Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.

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