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Standard Operating Procedures: Immer gut vorbereitet sein!

Wer sich mit Hilfe von Handbuchvorgaben standardisierte Abläufe angewöhnt, sorgt für mehr Sicherheit an Bord.

Von Isabella Sauer
Lebenslang lernen Die Einweisung auf ein neues Muster sollte Standard- verfahren beinhalten, die auf dessen Eigenheiten abgestimmt sind.

Jeder hat diesen Spruch schon gehört: »Always be ahead of your aircraft!« – sei Deinem Flugzeug immer ein Stück voraus! Diese Maxime wird oft auf Navigation angewendet, besonders auf die bei Instrumentenflügen. Wer sich hier von seinem Flugzeug überholen lässt, verpasst schnell die rechtzeitige Vorbereitung auf ein Anflugverfahren, das Einstellen von Frequenzen oder das Lesen von Checklisten.

Die Bedeutung dieser Grundhaltung lässt sich jedoch erheblich erweitern, wenn man sie auf den gesamten Umgang mit dem Flugzeug bezieht, beginnend bei der ersten Einweisung auf ein neues Muster und endend beim Debriefing nach jedem Flug.

Standard Operating Procedures: Immer wieder das eigene Wissen auffrischen

Sitzt man am heimischen Schreibtisch, kann einem das Flugzeug nicht davonfliegen. Also kann man sich beim Studieren des Flughandbuchs auf den Stand der Dinge bringen, um nicht schon bei normalem Flugverlauf von seiner Maschine überholt zu werden. Das Motto lautet: Wisse im Voraus, wie Dein Flugzeug im Normalfall reagiert! Wer etwa vom Tiefdecker auf eine Cessna 172 umsteigt, sollte wissen, dass der Hochdecker beim Einfahren der Klappen die Nase gehörig nach unten nimmt und sich beim Ausfahren der Flaps aufbäumt.

Solche Dinge kann man nicht nur bei einer umfassenden Einweisung auf ein neues Muster mit einem Fluglehrer durchgehen, sondern auch regelmäßig auffrischen – im Alleingang ebenso wie mit Unterstützung eines Lehrers.  

Rat: Abläufe und Verfahren immer gleich abarbeiten

Sind die Normalitäten erstmal geklärt, ist die deutlich aufwändigere Vorbereitung auf technische Störungen dran. Die sind nun einmal selbst bei neuwertigen und bestens gepflegten Fluggeräten nie ganz auszuschließen. Macht man hier bei der Bearbeitung der Störungen Fehler, so werden die Abläufe geübt, bis sie sitzen, und dann im Debriefing aufgearbeitet. 

Das große Geheimnis zum Erfolg sowohl im regulären Betrieb als auch bei Notfällen oder Abweichungen vom Normalen ist immer gleich: Sie sollten sich angewöhnen, bestimmte Abläufe und Verfahren immer gleich abzuarbeiten. Solche standardisierten Betriebsprozeduren heißen auf Englisch Standard Operating Procedures, kurz SOP. 

Es ist wichtig, die Checklisten zu kennen

Checklisten und Briefings, auf deren Verwendung wir auf diesen Seiten immer wieder drängen, sind Werkzeuge, um solche Standardabläufe einzuhalten. Das klingt vielleicht ein wenig nach Airlines und Langeweile, doch SOPs sind auch im Flugbetrieb mit nur einem Piloten extrem hilfreich. Das gilt umso mehr, wenn man eher selten fliegt und deshalb die Verfahren nicht geübt und vertraut sind. 

Alles digital  Elektronische Checklisten im Glascockpit sind praktisch –  bis
der Strom ausfällt.

Checklisten gibt es im Handbuch, man sollte sie kennen. Und es gibt ein paar, die man auswendig wissen muss, weil zum Beispiel bei einem Motorausfall oder einem Feuer an Bord keine Zeit ist, erst nachzulesen. Eine neue App namens Easy Memory Item kann helfen, die Prüflisten besser zu kennen (siehe Randnotiz Seite 53).  Was außerdem hilft, ist das sogenannte »Griffe kloppen«, also bei stehendem Motor zum Beispiel Gashebel, Gemischregler und Zündschlüssel simuliert betätigen und dabei laut ansagen, was zu tun wäre, wenn der Motor dabei anspringt, und was, wenn er nicht anspringt. 

Das funktioniert übrigens auch beim Üben mit der Avionik, wenn man eine externe Stromversorgung anschließt, sodass die Batterie die Übungen am Boden überlebt. 

Notfall auf dem Sessel

Doch Notfälle muss man gar nicht unbedingt im Flugzeug simulieren. Spielen Sie zu Hause auf dem Sofa doch mal Szenarien im Geiste durch. In den USA heißt das »arm chair flying«, wenn man darüber nachdenkt: Was würde ich tun, wenn …

Nichts spricht dagegen, wie bei der Berufspilotenausbildung ein Foto des Panels von Mooney, Piper oder Cirrus zu nehmen und daran zu üben, bis der Ablauf bei einem Triebwerksausfall im Reiseflug sitzt. Zum Beispiel würde man dann im Ernstfall wohl nicht so leicht übersehen, dass einfach nur das Umstellen des Tankwahlschalters vergessen wurde.

Sicherheitsrelevant  Den Feuerlöscher an Bord und seine Bedienung sollte man sich angesehen haben, bevor es wirklich brennt. Der Fülldruck muss regelmäßig geprüft werden.

Besonders kritisch ist bei einmotorigen Flugzeugen ein EFATO, ein engine failure after take-off. Dieser Fall sollte eigentlich als Teil der Flugvorbereitung mental durchgespielt werden – und zwar konkret für die Bedingungen der verwendeten Startplätze. Mit Hilfe von Anflugkarten oder auch Satellitenbildern im Internet ist es kein Problem, sich die Geländesituation im Abflugsektor vorab anzusehen und einen Handlungsablauf vorzubereiten. 

Handbuch im Kofferraum?

Im Notfallbriefing für den Start enthalten sein sollte auf jeden Fall als erste Reaktion das Nachdrücken zum Erhalt der Geschwindigkeit, das Setzen der Landeklappen und die Vorbereitung der Außenlandung mit Minimalfahrt. Je nach verbleibender Zeit können nachfolgend noch Dinge wie Ausschalten von Zündung und Elektrik, Schließen des Brandhahns und, wenn es das Handbuch vorsieht, Entriegeln der Türen erledigt werden. Absolute Priorität aber hat eine möglichst kontrollierte Landung. 

Nicht alle Störungen an Bord erfordern blitzschnelle Reaktionen. Der Ausfall des Alternators verursacht keine direkte Notfallsituation, weil die Batterie zunächst einmal die Stromversorgung sicherstellt. Trotzdem sollte man sich einen Plan erstellen, ob man den Flug fortsetzt oder unterbricht. Je mehr moderne Glascockpits von Strom abhängen, desto wichtiger ist in solchen Situationen fundierte Systemkenntnis. Das Handbuch nützt dann übrigens nur, wenn es griffbereit im Cockpit liegt, nicht unzugänglich im Kofferraum.

Besonders die Notfallcheckliste muss definitiv sofort zur Hand sein, wenn eine bedrohliche Störung auftritt. Nicht für alle denkbaren Situationen kann man alle erforderlichen Maßnahmen im Kopf haben; man sollte aber sofort Zugriff auf die gedruckten Informationen haben, um sinnvoll vorgehen zu können.

Feuer an Bord: Wie sollten Sie reagieren?

Riecht es plötzlich im Cockpit »nach Ampere«, könnte sich aus einem Kurzschluss ein Kabelbrand entwickeln. Dem kann man begegnen, indem man einfach mit dem Hauptschalter die gesamte Stromversorgung unterbricht – damit aber möglicherweise auch Dinge ausschaltet, die man dringend braucht. Mit Hilfe der Emergency Checklist kann man jedoch einem gezielten Ablauf zur Fehlereingrenzung folgen, mit dem man den Übeltäter separieren, die übrigen Geräte aber funktionsfähig erhalten kann. 

Griffbereit  Nur im unmittelbaren Zugriff erfüllt die Checkliste ihren Zweck – gerade im Notfall.

Worst case scenario ist neben dem Triebwerksausfall wohl ein Feuer an Bord. Sollte sich aus dem Ampere-Geruch allerdings ein Kabelbrand entwickeln, ist der Feuerlöscher erste Wahl, da Wasser zusätzliche Kurzschlüsse auslösen und die Sache verschlimmern könnte. 

Was Sie allerdings in keinem Handbuch älterer Flugzeuge finden, ist der Umgang mit einem brennenden Mobiltelefon oder Tablet-Computer. Deren Lithium-Akkus lassen sich nicht löschen. Sie können die Geräte eigentlich nur aus dem Fenster werfen, um sich und das Flugzeug zu retten. Es sei denn, Sie hätten einen feuerfesten Container dabei. 

Passagiere an Bord sollten Umgang mit Notfallausrüstung kennen

Sie ahnen schon, welche Empfehlung sich daraus ergibt. Mit Passagieren an Bord sind wir nicht nur Piloten, sondern auch Kabinenbesatzung. Sie sollten den Umgang mit der Notfallausrüstung nicht nur beherrschen, sondern sie auch den Gästen erklären können. Es ist nicht nur ein Gebot der Fairness, dass man Passagieren erklärt, wie sie Gurte und Türen öffnen. Denn bei Flugzeugen mit nur einer Tür sitzen wir Piloten in der Falle, wenn der Passagier vorn rechts die Tür nicht aufbekommt.

Nicht immer selbsterklärend  Der Pilot muss
seinen Passagieren zeigen, wie die Türen im Flugzeug geöffnet werden.

Man sieht also, dass man ein Teil seines Wissens auch weitergeben sollte, um mit Hilfe aller Insassen an Bord auf potenzielle Gefährdungen vorbereitet zu sein.

Man kann nicht immer vorausahnen, wann das Flugzeug beschließt, einen technischen Defekt zu entwickeln. Aber man kann oft verhindern, dass einem die Maschine davoneilt, denn man hat mit guten Systemkenntnissen eine Chance, es einzuholen, bevor die Konsequenzen der Störung in eine Sackgasse führen. 

Text: Helmut Lage

Über den Autor
Isabella Sauer

Isabella Sauer ist Jahrgang 1991, studierte in Bamberg Kommunikationswissenschaft und absolvierte anschließend ein Volontariat bei Auto Bild. Seit ihrer Jugend ist sie journalistisch tätig und arbeitete für große Verlagshäuser, darunter Axel Springer und die Funke Mediengruppe. Print, Digital, Social Media - für Isabella hat jeder Inhalt das Potenzial, vielfältig aufbereitet zu werden. Und wie kam sie zum fliegermagazin? Das Thema Mobilität interessierte sie immer schon sehr. Ob Auto, Bahn, Camper, Airliner oder Fahrrad: Die Welt lässt sich aus vielen Perspektiven entdecken. Nun geht es für Isabella Sauer in die Luft. Seit März 2023 ist sie PPL-Flugschülerin und freut sich schon darauf, sich in ein neues Fachgebiet einzuarbeiten.

Schlagwörter
  • Notfallausrüstung
  • Notfallcheckliste
  • Standard Operating Procedures