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Unbekannte Schätze: Das Flughandbuch ist ein Muss für jeden Piloten

Das zum Flugzeug gehörende und oft ignorierte Flughandbuch enthält wichtige Informationen, die jeder Pilot kennen sollte. Wir geben eine Übersicht.

Von Redaktion
Emergency Checklists
Für alle Fälle: Die Emergency Checklists sind in Kapitel 3 des Handbuchs abedruckt Foto: Christina Scheunemann

Vielleicht ganz am Anfang, wenn sie neu auf ein Flugzeugmuster umsteigen – dann lesen die meisten Piloten einmal das Handbuch der Maschine durch. Danach gerät es oft genug in Vergessenheit. Ein Fehler – denn viele Feinheiten der Bedienung von Motor und Flugzeug sind dort festgelegt. Auch die Checklisten, wie sie laut Hersteller sein sollten, finden sich im Flughandbuch. Gerade in Vereinen gibt es dagegen oft selbstgestrickte Listen, in denen vieles fehlt oder geändert wurde.

Klären wir zuerst Begrifflichkeiten: Jedes Flugzeug hat ein offizielles Flughandbuch, das speziell auf diese eine Maschine zugelassen und von der Behörde genehmigt wurde. Auf Englisch heißt es Aircraft Flight Manual (AFM). Wird nachträglich Ausrüstung eingebaut, kann das eine Ergänzung des Handbuchs mit einem Aircraft Flight Manual Supplement (AFMS) nach sich ziehen. Dort sind womöglich andere Betriebsgrenzen und Verfahren aufgeführt als im ungeänderten AFM. Der Aufbau des Handbuchs ist standardisiert und in sieben Kapitel gegliedert.

Das Flughandbuch ist in sieben Kapitel aufgeteilt

Das erste Kapitel enthält eine Beschreibung des Flugzeugs, etwa mit Abmessungen, Hersteller des Motors und Propellers und weiteren Informationen. Im zweiten finden sich rechtlich bindende Betriebsgrenzen, etwa die maximal erlaubte Öltemperatur, aber auch die Schwerpunktgrenzen und die MTOM. Kapitel 3 enthält Notverfahren, Kapitel 4 die normalen Verfahren – dazu gehören auch die Checklisten. Weiter geht es mit den Leistungsdaten für Start, Landung und Reiseflug (Kapitel 5), den Informationen über Masse & Schwerpunkt inklusive Wägebericht (Kapitel 6) und der ausführlichen Beschreibung von Systemen.

Emergency ChecklistsEmergency Checklists
Für alle Fälle: Die Emergency Checklists sind in Kapitel 3 des Flughandbuchs abgedruckt.

Falls es ein Kapitel 8 gibt, sind darin einfache Wartungs- und Servicearbeiten beschrieben, die für den Flugbetrieb relevant sind. In Kapitel 9, wenn vorhanden, finden sich dann die Ergänzungen für nachträglich eingebaute Zusatzausrüstung.

Auch der Umgang mit dem Motor ist im Flughandbuch beschrieben

Immer wieder werden wir bei Continental von Piloten nach Betriebsgrenzen und Verfahren im Umgang mit den Motoren und dem Flugzeug gefragt, die eigentlich klar im Handbuch beschrieben sind. Ein paar Beispiele aus dem Handbuch der Piper Archer III: Dort steht etwa, dass es im Sichtbereich des Piloten einen Hinweis geben muss, dass die Abdeckung für den Ölkühler zu entfernen ist, wenn die Außentemperatur 10 Grad Celsius übersteigt. Die Metallplatte behindert den Kühlluftstrom im Winter und sorgt so dafür, dass der Motor warm genug wird. Kaum ein Pilot achtet darauf.

MotorraumMotorraum
Worauf es ankommt: Die große Klappe ermöglicht einen guten Blick auf den Motor. Was geprüft werden soll, steht im Flughandbuch.

Öfters rufen Piloten an, weil in der kalten Jahreszeit gleich nach dem Anlassen kein Öldruck angezeigt wird. Tatsächlich steht im Handbuch, dass der Motor sofort abgestellt werden sollte, wenn nach 30 Sekunden kein Öldruck kommt. Aber nur einen Satz später ist zu lesen: „In kaltem Wetter dauert es oft ein paar Sekunden länger.“

Infos aus dem Flughandbuch oft im Widerspruch mit Fluglehrer-Infos?

Häufig stehen die Informationen des Flughandbuchs im Widerspruch zu dem, was selbst erfahrene Lehrer ihren Schülern beibringen. So haben viele Piloten gelernt, dass beim Einflug in die Platzrunde das Gemisch voll reich zu stellen ist und man die Vergaservorwärmung aktiviert. Die wird dann im Endanflug wieder abgeschaltet, damit beim Durchstarten volle Leistung zur Verfügung steht. Das gelte so für alle Vergaserflugzeuge, haben wohl die meisten von uns eingehämmert bekommen.

GemischverstellungGemischverstellung
Verfahren: Wann die Vergaservorwärmung (l.) zu ziehen ist, steht ganz genau im Flughandbuch.

Nun, im Flughandbuch der Archer steht ganz klar: Die Vergaservorwärmung sollte nur aktiviert werden, wenn es Anzeichen für eine Vereisung gibt, weil die Leistungsreduzierung bei einem Go-around kritisch sein kann. Außerdem kann es bei voller Leistung mit eingeschalteter Vergaservorwärmung zu Motorschäden durch Klopfen kommen. Das ist eine klare Warnung – und ein direkter Widerspruch zur verbreiteten Lehrmeinung. Natürlich hat das offizielle Handbuch Vorrang.

Noch ein Fundstück: Wenn der elektrische Hauptschalter der Archer ausgeschaltet ist, gibt es auch keine Überziehwarnung. Gut zu wissen!

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Piloten sollten sich regelmäßig mit dem Flughandbuch beschäftigen

Auch wenn das Studium des Handbuchs langweilig sein mag und die Unterschiede zwischen verschiedenen Flugzeugmustern auf den ersten Blick gar nicht groß zu sein scheinen, lautet der Rat, sich regelmäßig mit diesen Unterlagen zu beschäftigen.

GlascockpitGlascockpit
Viel zu lernen: Glascockpits haben oft eigene, dicke Flughandbücher, die man kennen sollte.

Dazu zählt bei Glascockpits übrigens auch das Handbuch für die Avionik. Es kann viele hundert Seiten umfassen – und doch sollte man sich zumindest einmal durchgearbeitet haben. Manche Hersteller liefern zusätzlich einen Cockpit Reference Guide, der sehr viel dünner ist und später für den schnellen Zugriff auf die wichtigsten Informationen ausreicht. Zwar gibt es in den Pilotenshops und auch online generische Handbücher für viele Muster. Sie sind aber nicht speziell auf das eine Flugzeug angepasst, dass Sie fliegen wollen. Gleichen Sie also die Informationen sorgfältig ab, bevor Sie sich auf die Angaben verlassen.

Fotos: Christina Scheunemann

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