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Flugplatz Pellworm – EDHP

Wie, auf Pellworm landen? Da gibt es doch gar kein Flugplatzsymbol auf der ICAO-Karte! Stimmt, aber eine Runway hat die Nordseeinsel trotzdem – und die darf man auch nutzen

Von Redaktion

Es ist so etwas wie ein Geheimtipp unter Piloten: „Lande doch mal in Pellworm, die Grasbahn dort ist super gepflegt, die Atmosphäre völlig relaxt und die Insel nicht überlaufen wie manche der anderen friesischen.“ Der „Geheimcode“ dazu ist eine Telefonnummer – und zwar die von Jürgen Marcussen. Wenn der Pellwormer den vorgesehenen Flugzeugtyp für die 600-Meter-Bahn als tauglich erachtet und die PPR-Genehmigung erteilt, darf man kommen. Über Funk gibt’s im Anflug Landeinfos, dann heißt es allerdings die Grasrunway zwischen Wiesen und Feldern ausfindig zu machen. Ein Tipp: Sie verläuft genau parallel zu drei Windrädern im Norden der Ortschaft.

Wer die Bahn in vermeintlicher Nord-Südausrichtung an der Ostküste sucht, wird sofort einer schlampigen Flugplanung überführt: Zwar war die Piste in den achtziger Jahren tatsächlich dort, und das entsprechende Anflugblatt ist noch in manchem Bottlang enthalten, seit vielen Jahren ist sie aber etwas ins Inselinnere gerückt. Heute hat sie die Ausrichtung 11/29. Im Gegenanflug sollte man nicht über die Häuser fliegen und bei der „11“ vor dem Aufsetzen daran denken, dass dort nichtsahnende Radler auf der direkt angrenzenden Straße unterwegs sein können. In Landerichtung „29“ hingegen muss man auf eine Stromleitung aufpassen, die aber bald unter die Erde verlegt werden soll.

Landung in Pellworm: so etwas wie ein Geheimtipp unter Piloten

Schon die ersten Meter nach dem Aufsetzen machen deutlich: Diese Grasbahn ist so gepflegt, dass man hier wohl auch Golf spielen könnte. Nach dem Abstellen der Maschine werde ich von Jürgen Marcussen freundlich in Empfang genommen. Er gibt Tipps zum Erkunden der Insel und leiht auch gerne Fahrräder aus. Die Landegebühr für eine Echo-Klasse-Maschine oder ein dreiachsgesteuertes UL ist mit sechs Euro moderat. Wer mehr als einen Tag bleiben will, muss unbedingt an Verzurrzeug denken: Hier, umgeben von der Nordsee, frischt der Wind rasch auf und pfeift dann ungestört über den Flugplatz. Deshalb sollte man sich auch präzise über das Wetter informieren – sonst kann es sein, dass zwar CAVOK herrscht, die zulässige Seitenwindkomponente des Flugzeugs aber überschritten und damit ein Start unmöglich wird.

Pellworm besteht in seiner jetzigen Form erst seit dem späten Mittelalter: Bis zu einer großen Sturmflut 1362 gehörte es noch zur Insel Nordstrand, durch die Katastrophe spaltete sich das heute fast kreisrunde Eiland ab. Da die gesamte Landfläche unterhalb des Meeresspiegels liegt, schützen zahlreiche Deiche das Inselinnere und die 1200 Einwohner vor einer möglichen Überflutung. Auf Pellworm ist auch ein bisschen die Zeit stehen geblieben – in angenehmer Weise: Auf den Straßen sind mehr Räder als Autos unterwegs, die Andenkengeschäfte haben herrlich kitschige Souvenirs im Angebot, und an Sonn- und Feiertagen liegt eine wunderbare Ruhe über der Insel, die ansteckend wirkt. Wer Nachtleben, Action oder Sehen-und-gesehen-werden sucht, wird auf Pellworm nicht glücklich. Wer hingegen lange Strand- oder Wattspaziergänge liebt, vom Alltag abschalten und ohne Menschenmassen seine freie Zeit genießen will, für den ist die Insel ein Paradies.

Pellworm besteht in seiner jetzigen Form erst seit dem späten Mittelalter

Am Hafen spielt sich das Leben ab. Dort vermischt sich das Plattdeutsch der Einwohner mit den Dialekten der Touristen, Fischer- und Touristenboote laufen aus oder machen am Kai fest. Man kann entweder fangfrischen Fisch vom Boot kaufen und ihn in der Ferienwohnung zubereiten oder sich die Meeresspezialitäten gleich an einer der Imbissbuden oder im Hafenrestaurant schmecken lassen. So gestärkt sollte man dann per Rad die Insel erkunden. Fünf Rundtouren zwischen 14 und 21 Kilometern Länge bieten sich an. Ich wähle die Längste, sie enthält alle Highlights. Dazu gehören natürlich die beiden Wahrzeichen Pellworms: ganz im Westen die alte Kirche St. Salvator aus dem 11./12. Jahrhundert und der markante Leuchttum an der Südküste.

Dessen 100. Geburtstag wurde im Mai mit einem großen Fest gefeiert, man kann ihn nach Voranmeldung besichtigen. Ganz Mutige trauen sich dort: Der Turm dient nicht nur als Navigationshilfe, sondern auch als Standesamt, und so können sich Heiratswillige in luftiger Höhe und nostalgischem Ambiente das Ja-Wort geben. Als weiterer Höhepunkt auf der Radtour erreiche ich die historische Nordermühle aus dem Jahr 1777. Sie ist die letzte von einst 14 Windmühlen der Insel und beherbergt heute ein beliebtes Restaurant. Dass man in Pellworm ganz fortschrittlich auf umweltfreundliche Energiegewinnung setzt, wird auf der sogenannten „Koog“-Runde deutlich: Hier stehen Windräder und die Photovoltaik-Anlagen eines der größten kombinierten Solar- und Windkraftwerke in Europa.

Aufpassen: Von Frühjahr bis Herbst ist mit Vogelschwärmen zu rechnen

Wer sich auf dem Rückweg zum Flugplatz nicht sicher ist, ob sein Sprit bis zum nächstgelegenen Platz (Husum) auf dem Festland reicht, sollte noch an der Inseltankstelle vorbeischauen. Zumindest UL-Piloten oder solche, die Diesel brauchen, können sich hier mit Normal, Super oder Diesel eindecken. Kanister müssen aber mitgebracht werden: Die drei Zapfsäulen mit Bargeld- oder Scheckkarten-Automatik sind zwar rund um die Uhr nutzbar, es gibt aber keinen zugehörigen „Tankshop“. Überhaupt ist manches, was auf dem Festland als selbstverständlich gilt, im Leben auf Pellworm verpönt: Keine lauten Handygespräche, keine Staus, keine genervten Drängler an der Kasse des einzigen Supermarkes – hier geht alles geruhsam seinen Gang. Lange Strandspaziergänge machen den Kopf frei, und wenn es doch mal „Schietwetter“ gibt, kann man ins Hallenbad gehen und dort abtauchen.

Davon werden mehr Besucher Gebrauch machen als Einheimische. Die haben sich an die meist raue Umwelt und den Wechsel der Gezeiten angepasst. Auch als Pilot sollte man Respekt vor der Natur zeigen: Ist der Wind zu stark oder droht gar Seenebel, ist beides ein No-go-Item. Und nach dem Start sollte man auch nicht schnurstracks übers Wasser in Richtung Festland losfliegen, sondern erst einmal in Ruhe Höhe tanken, um bei einem Motorausfall entweder zurück zur Insel oder im Gleitflug noch bis Nordstrand zu kommen. Vorsichtige ziehen vor der Überwasserstrecke ohnehin Schwimmwesten an. Und aufpassen: Von Frühjahr bis Herbst ist mit Vogelschwärmen zu rechnen – also Landescheinwerfer an und die fliegenden Kollegen im Auge behalten!

Pellworm – Tipps und Infos

  • So kommt man hin: Die fast kreisrunde Nordseeinsel südlich von Sylt ist einfach zu erreichen. Wer keine längere Strecke über Wasser fliegen will, sollte die Küste entlang – auf die ED-R bei Heide-Büsum achten! – und dann via Nordstrand mit Westkurs das relativ kurze Stück übers offene Meer angehen. Da es derzeit keine offizielle Anflugkarte gibt, empfiehlt es sich, auf der Homepage www.eddh.de, Untermenü Info, Pellworm einzugeben. Auf dem Foto ist gut erkennbar, wo die West/Ost-Grasbahn liegt: Nördlich des Hafens und unmittelbar neben drei großen Windrädern. Ausreichend Sprit mitnehmen und auf Crosswind oder Turbulenz gefasst sein. Pellworm ist PPR, also vorher Genehmigung einholen!
  • Unterkunft: Auf der Insel werden Unterkünfte vom einfachen Zimmer über Ferienwohnungen bis zum Hotel angeboten. Infos von Kur- und Tourismus Pellworm, Uthlandestraße 2, 25849 Pellworm, Telefon 048 44/189 40 oder www.pellworm.de
  • Aktivitäten: Der Leuchtturm kann täglich besichtigt werden. Wer dort heiraten will, erhält Infos unter www.leuchtturm-hochzeit.de Schwimmen, Wattwandern oder Radtouren zählen zu den beliebtesten Aktivitäten der Inselgäste. Fahrräder leiht Flugplatzchef Jürgen Marcussen für 2,50 Euro am Tag aus. Wer motorisiert unterwegs sein will, kann im Hauptort Ostersiel auch Mopeds oder Quads mieten.

Text: Jürgen Schelling, Fotos: Bernt Hoffmann, Jürgen Schelling, fliegermagazin 7/2007