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Colomban MC-30 Luciole: Was dieses UL so besonders macht

Wie viel Flugzeug braucht der Mensch? Dieser Tiefdecker beantwortet die Frage so: 110 Kilogramm! Wenn ein Pilot mit der Luciole an den Start geht, hat er darin nicht Platz genommen, sondern aus dem Flieger und sich eine Einheit gemacht.

Von Redaktion
Colomban MC-30 Luciole: Was dieses UL so besonders macht
Ein Diamant! Hohe Streckung, wenig Widerstand – trotz selbstbauerfreundlicher Konstruktion ist Colomban etwas Großes gelungen.

Der Hinweis kommt auf dem Heimweg überm Teutoburger Wald. Nachdem wir mit dem Flugleiter von Oerlinghausen Kontakt aufgenommen haben kommt per Funk: »D-MYSR, rechnet in Eurer Umgebung mit Modellflug«. Sofort ein Blick auf den Höhenmesser, der beruhigende 2500 Fuß MSL anzeigt. »Modellflug in dieser Höhe?«, frage ich zweifelnd meinen Freund Ulli, der neben mir sitzt. Sogleich geht sein verschmitztes Grinsen in schallendes Gelächter über. »Ach was – Klaus ist in der Nähe!« Als mir klar wird, was er meint, muss auch ich lachen.

Klaus Quakernack, ein befreundeter UL-Pilot, fliegt offenbar ganz in unserer Nähe seine Colomban MC-30 Luciole spazieren. Keine Minute später begegnen wir uns. Aus elf Uhr und etwa 100 Meter höher fliegend kommt er zügig auf uns zu, dreht versiert ein und begleitet uns in lockerer Formation nach Oerlinghausen.

2000 Arbeitsstunden bis zum fertigen Flugzeug

Zur Verklebung steckt der Flügel in einer Tüte, in der Unterdruck herrscht. Kontrolliert wird er mit Rotwein in einem Schlauch.

Das Glühwürmchen (Deutsch für »Luciole«) hat eine Spannweite von 6,90 Metern und eine Länge von weniger als fünf Metern. Es ähnelt somit tatsächlich eher einem Modell als einem ausgewachsenen Ultraleichtflugzeug. Jetzt am Boden ebenso wie vorhin in der Luft. Konstruiert wurde die Colomban MC-30 Luciole – die Typenbezeichnung verrät es – von dem Franzosen Michel Colomban. Er ist vor allem durch die Mini-Zweimot Cri-Cri, aber auch das Highperformance-UL MCR01 bekannt. Klaus fliegt das einzige in Deutschland zugelassene Exemplar der Luciole.

Gebaut wurde die D-MTHJ von Heinz Thoma aus Freiburg gebaut. Dies geschah nach Plänen, denn das Muster gibt es weder fertig noch als Bausatz. Thoma ist ein passionierter Modellbauer und Privatpilot mit UL-Lizenz. Mit viel Liebe zum Detail stellte er den Einsitzer in mehr als 2000 Stunden fertig. Den Erstflug führte er 2015 in Bremgarten durch. Fünf Jahre hatte Thoma seine Luciole selbst geflogen, bevor Klaus Quakernack sie im Oktober 2020 erwarb. Der Erbauer wies den neuen Besitzer eingehend in die für ihn völlig neue Maschine ein.

Colomban MC-30 Luciole: direkt und leichtfüßig fliegen

Ein Diamant! Hohe Streckung, wenig Widerstand – trotz selbstbauerfreundlicher Konstruktion ist Colomban etwas Großes gelungen.

»Meinen Erstflug konnte ich fast nicht abwarten, aber ich musste geduldig sein«, erzählt Klaus. Heinz Thoma hatte ihn eindringlich ermahnt, den Erstflug zwingend an einem windstillen Tag bei idealen Bedingungen zu machen. Genau diese Tage ließen damals natürlich auf sich warten. Schließlich kamen sie. Nach zahlreichen Tagen mit Anrollübungen auf der Piste wagte Klaus es, Gas zu geben und den Boden zu verlassen.

Schnell wusste er, was Heinz gemeint hatte: Die Luciole fliegt sich genau so direkt und leichtfüßig wie sie aussieht. Minimale Steuerinputs setzt sie unverzüglich um, Wind hätte da wirklich nicht geholfen. Da er jahrelange Spornraderfahrung mitbrachte, blieben böse Überraschungen beim Erstflug aus.

Alles ist auf Effizienz getrimmt: Colomban MC-30 Luciole

Nein, das Spornrad ist kein luftfahrtzertifiziertes Teil. Seine Aufhängung steckt auf einem gewickelten CfK-Stab.

Schauen wir uns die Colomban MC-30 Luciole genauer an. Von der Seite fällt auf, dass die Kabinenhaube in Bodenstandslage höher aufragt als das Seitenleitwerk. Dieses misst vertikal nur 1,21 Meter. Schmale Flügel, feingliedriges Fahrwerk, kein überflüssiges Rumpfvolumen, sondern nur so viel Querschnitt, dass ein sitzender Mensch darin Platz findet. Dieses Flugzeug besticht durch ein ausgesprochen graziles Erscheinungsbild.

Seine Fahrwerksbeine bestehen aus CfK, vom Brandspant her sind sie durch aerodynamisch verkleidete Stahlrohre abgestützt. Das Spornrad stammt von Inline-Skates und passt in eine Kinderhand. Ein gewickelter CfK-Stab – an den Enden dünner als in der Mitte – sorgt für Federung. Die Holzfläche und die Querruder sind komplett beplankt, Aussparungen im Innenbereich der Flaps senken das Gewicht. Eine dünne Lage GfK schützt die Holzkonstruktion. Widerstandssenkend sind die Flügelenden wunderschön zu Winglets hochgezogen. Alles ist auf Effizienz getrimmt.

Trotz schlichter Holzbauweise kein primitives Flugzeug

Der Rumpfrücken ist bespannt, Gurte und Spante aus Holz definieren die Kontur. Links das ferngesteuerte Funkgerät.

So schlicht die Holzbauweise sein mag, ein primitives Flugzeug ist die Luciole nicht. Es bestehen nur einzelne Verstärkungen und abwechselnd mit Holz geschichtete Composite-Lagen der Flügelhauptholme aus CfK. Man sieht ihr an, dass der Konstrukteur auf fließende Übergänge und sphärische Formen wert legt. Nirgendwo entsteht unnötig Widerstand. So ist die Cockpitverglasung der Einfachheit halber aus Flachmaterial gebogen, kalt und so, wie es eine Ebene zulässt.

Die Composite-Abdeckung über dem Kopf des Piloten ist jedoch aerodynamisch günstig dreidimensional geformt. Das bespannte Leitwerk (Pendelhöhen- und -seitenruder) hat Colomban sauber profiliert und so steif ausgelegt, dass es keine widerstandsträchtige Verspannung braucht.

Colomban MC-30 Luciole: Das jüngste Werk von Colomban

Die Stirnfläche ist minimal, nur die Zylinder des luftgekühlten Motors stehen über die Rumpfkontur hinaus.

Am Rumpf gefällt der organisch wirkende Rücken – unter der Bespannung zeichnen sich Gurte ab, was widerstandsmäßig keine Rolle spielt. Wo die Strömung jedoch übermäßig gebremst werden könnte, ist alles clean. Vorn zum Beispiel: Die Cowling besteht aus Composite-Teilen; nur die Zylinder des luftgekühlten Motors ragen über die Rumpfkontur hinaus.

Der Briggs & Stratton Vanguard 630 wurde als Industriemotor viele hunderttausend Mal gebaut, unter anderem für Rasenmäher. Als UL-Flugmotor wird er von verschiedenen Tunern mit bis zu 33 PS angeboten. Bewährt hat sich der V2-Viertakter etwa in der SD-1, im Uli V3 Rebell und (als Pusher) in Trikes. Die von Colomban vorgesehene Version leistet 26 PS.

Den Briggs & Stratton Vanguard gibt es mit bis zu 33 PS – als Viertakter ist er der einzige Motor in dieser Klasse, der auch akustisch überzeugt. In der Luciole arbeitet er als Direktantriebler.

Filigranes Leichtgewicht: Wo darf man anfassen?

Rangieren wirft für den Ungeübten sofort die Frage auf: Wo darf man das filigrane Leichtgewicht anfassen? Wie bei Modellflugzeugen erscheint das Leitwerk besonders empfindlich … »Einfach von hinten unter den Sporn fassen und hochnehmen«, weiß Klaus. Und so gelingt es uns mühelos, die D-MTHJ in Oerlinghausen ohne Beschädigung aus dem Hangar zu ziehen.

»Sobald sich die Haube über mir schließt, wird die Enge des Cockpits erst wirklich spürbar«, sagt der Pilot übers Platzangebot in dem Einsitzer, der ihn förmlich umschmiegt. Wenn Klaus seine Gurte strafft, hat man den Eindruck, er schnalle sich das Flugzeug um.

Eine Bleiplatte anstelle des Höhenleitwerks bringt Stabilität beim Transport. Allein lässt sich die MC-30 in 20 Minuten aufrüsten.

Tankinhalt nur am Boden ablesbar: Colomban MC-30 Luciole

Auf der linken Seite erreicht er den Gashebel, ein fast zart anmutendes Aluminiumteil mit Knauf aus Zigarrenkistenholz. Beim Gasgeben streift der kleine Finger am Haubenrahmen entlang. Ist der Hebel ganz vorn, liegt die Hand fast auf dem linken Knie, das wiederum an den unteren Rand des Instrumentenbrettes reicht.

Mit kleinen Veränderungen hat der heutige Besitzer den Flieger an seine Bedürfnisse angepasst. Ein Handfunkgerät wollte er nicht, das Einbaugerät hat hinterm Sitz Platz gefunden, nur die Anzeige- und Bedieneinheit sitzt im Panel. Sie steuert auch den ebenfalls neuen Transponder an, der unter den Beinen am Hauptholm sitzt. Der Tankinhalt kann bisher nur am Boden abgelesen werden, denn dazu muss man das Panel wegklappen. Ein Benzinschlauch-Loop mit Markierungsstrichen soll künftig die Kontrolle des Füllstands auch im Flug ermöglichen.

Geringe Steigrate und kein Geradeausflug

Von A nach B fliegen – darum geht es mit der MC-30 nicht. Rechts neben der Libelle ist ein Air Control ACD 57 eingebaut, mit dem Funkgerät und Transponder bedient werden.

Der Aufkleber »Geradeausflug vermeiden« am Instrumentenbrett scheint den bekannten Hinweis in manchen Flugzeugen zu variieren, Schiebeflüge einer gewissen Dauer zu vermeiden. Doch hier geht es um Flugbetriebstechnik höherer Art: Mit diesem Spaßgerät soll man nicht bloß von A nach B fliegen!

Nach dem Start zum Fotoflug dauert es eine Weile, bis die Luciole die vereinbarte Höhe erreicht hat. Klaus erzählt: »Allein die Steigrate erinnert daran, dass keine 80 oder 100 PS wie in gewohnten ULs vor mir arbeiten«. Bei 90 km/h lässt sich ein Steigen von zwei Metern pro Sekunde erfliegen.

Niedriger Spritverbrauch: Colomban MC-30 Luciole

Der Sage nach brauchen Glühwürmchen nur Luft und Liebe, leuchten aber effizienter als jede Energiesparlampe. So muss man der Colomban MC-30 Luciole Sprit förmlich aufdrängen. Sie begnügt sich mit fünf Litern pro Flugstunde, wenn es nicht mehr als 120 km/h sein sollen. Im Reiseflug sind 150 bis 160 km/h drin. Die Manövergeschwindigkeit beträgt erstaunliche 169 km/h, was auf die hohe Festigkeit des von Zuschauern häufig als »niedlich« bezeichneten Luftsportgeräts verweist.

Die Vne ist erst bei 225 km/h erreicht. Dass bei Vollgas im Horizontalflug 180 km/h drin sind, mit 26 PS, unterstreicht die aerodynamische Güte. Die schlanke Tragfläche (Streckung 10,35; zum Vergleich: die SD-1 hat 5,86) dürfte das Hochwertigste sein, was man in der 120-Kilo-Klasse bekommen kann. Mit nur 4,6 Quadratmetern braucht sie allerdings Landeklappen, um die angestrebte Stallspeed erreichen zu können.

Mit 26 PS schafft der Einsitzer 180 km/h, im Reiseflug begnügt sich sein Besitzer aber mit 150 bis 160 km/h.

Ursprünglich kein Rettungssystem vorgesehen

Ein Rettungssystem war ursprünglich gar nicht vorgesehen; Colomban hatte darauf verzichtet, da es in Frankreich für ULs nicht vorgeschrieben ist. Erbauer Heinz Thoma hatte Schirm und Rakete zunächst direkt hinter dem Pilotensitz montiert. Dies bewirkete eine zwar nicht kritische, aber doch unangenehme Hecklastigkeit.

Mit Unterstützung Colombans, des Herstellers Galaxy und eines befreundeten Luciole-Piloten wurde das System dann unter die Cowling verpflanzt. Nun stimmte nicht nur der Schwerpunkt, auch Landungen waren einfacher geworden. Bei einem dermaßen leichten Flugzeug machen ein paar Kilo hin oder her eben viel aus.

110 Kilogramm Leergewicht: Ein „Kinderflugzeug“

Klaus Quakernacks Luciole und die SD-1 von Thomas Wegener (hinten), ebenfalls ein 120-Kilo-UL.

Leer wiegt der Winzling ja nur 110 Kilogramm. Umso mehr beeindruckt, dass am Start nahezu doppelt so viel erlaubt ist: 200 Kilo. Das übersteigt modellfliegerische Dimensionen. Auch in der Luft erinnern die beiden aus der Cowling ragenden Zylinder an die populären Cox-Motörchen. Jeder, der über den »Kleinen Uhu« hinausgewachsen ist, kennt diese. Und gehört nicht auch so ein Fahrwerk eher an Modellflugzeuge?

Nach unserem Fotoflug landen wir auf einen Kaffee in Münster-Telgte. Auf der gut gefüllten Besucherterrasse ist man den Anblick von Ultraleichtflugzeugen natürlich gewöhnt. Dennoch zieht die zauberhafte kleine Luciole immer wieder die Blicke auf sich. Wenn Klaus sein Flugzeug abgestellt hat und die Haube öffnet, steht er für einige Minuten im Mittelpunkt des Interesses. Dann beantwortet er die zahlreichen Fragen, die ihm auch auf anderen Plätzen gestellt werden. Zum Beispiel in Damme, wo ein Kind aufgeregt rief: »Guck mal Mama, ein Kinderflugzeug!«

Der Konstrukteur: Michel Colomban

Thomas Wegener (links) ist Prüfer Klasse V und unterstützt Klaus Quakernack bei der Wartung.

»MC« – hierzulande wissen die wenigsten, dass hinter diesem Typen-Kürzel der Name Michel Colomban steckt. Der Franzose studierte am Conservatoire National des Arts et Métiers (CNAM) in Paris. Er profilierte sich als Luftfahrtingenieur, insbesondere durch Konstruktionen, die für den Eigenbau gedacht sind. Stationen seiner Karriere waren unter anderem Aérospatiale und Morane-Saulnier. Dort war er wesentlich an der Entstehung der MS 880 Rallye beteiligt, ein Bestseller, der mehr als 3000-mal gebaut wurde.

1973 gelang Colomban sein spektakulärster Wurf, die MC-15 Cri-Cri, die als kleinste Zweimot der Welt gilt (4,9 Meter Spannweite). Zwei Jet-Triebwerke anstelle der Verbrennungsmotoren machten aus ihr den kleinsten zweistrahligen Jet. Bei der Entwicklung von Flugzeugen lag Colombans Augenmerk stets auf gutmütigen Flugeigenschaften und hoher Effizienz. Zusätzlich legte er auf einfacher Herstellung im Amateurbau wert. Er verkaufte immer nur Pläne und Bauanleitungen, keine Kits oder gar Fertigflugzeuge.

Colomban MC-30 Luciole: 100 fliegende Exemplare in Frankreich

Ist das nicht eine phantastische Art zu fliegen? Aufs Nötigste reduziert und maximal mit dem Flugzeug verbunden.

Dennoch ist einer seiner erfolgreichsten Entwürfe erst als Fertigflugzeug populär geworden: unter der Typenbezeichnung MCR01. Der Zusatz »R« steht für »Robin«. Es war Christophe Robin (der Sohn des berühmten Flugzeug-Industriellen Pierre Robin), der aus Colombans Ganzmetallflugzeug MC-100 Ban-Bi ein CfK-Flugzeug machte. Bei diesem war die Zahl der Einzelteile auf ein Zehntel geschrumpft. Nur so ließ sich Colombans Entwurf in Christophe Robins Firma Dyn’Aero rentabel produzieren. Bis heute zählt die MCR01 zu den schnellsten und leichtesten ULs ihrer Art. Die MC-30 Luciole ist das jüngste Werk des heute 89-jährigen Colomban.

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Technische Daten
  • 6,90 m
  • 4,60 m2
  • 4,74 m
  • 1,28 m
  • 110 kg (inkl. Funk, Transponder, Rettungssystem)
  • 200 kg
  • 1
  • 29 l
  • Briggs & Stratton Vanguard 630 (modifiziert) / 26 PS
  • Helix, 2-Blatt, GFK, 1,15 m
  • ca. 2 m/s
  • 5:18 h / 636 km plus 0,5 h Reserve
  • 150 – 160 km/h
  • 169 km/h, 180 km/h
  • 225 km/h (max. Auslösegeschwindigkeit des Rettungsgeräts: 240 km/h)
  • Materialwert D-MTHJ: ca. 20 000 Euro Baupläne: Michel Colomban, 37 Bis Rue La Kanol, F-92500 Rueil-Malmaison, Frankreich, Fax 0033 (147) 51 88 76 Weitere Infos zum Muster: http://luciole18.over-blog mit ausführlicher Bauanleitung (Französisch). Enthalten sind auch Adressen von Zulieferern, über die Komponenten und Fertigteile bezogen werden können, etwa der modifizierte Motor, die Holz/CfK-Flügelholme, Fahrwerksschwinge, CfK/GfK-Cowling und der Spinner.
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