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Präzision für Piloten: Wer steckt hinter Sinn Spezialuhren?

Seit 1961 fertigt der deutsche Hersteller Sinn hochwertige mechanische Uhren. Unternehmensgründer Helmut Sinn war selbst Militärpilot und langjähriger Fluglehrer. Heute führt der Ingenieur Lothar Schmidt die Firma in die Zukunft.

Von Dirk M. Oberländer
Pilot mit Gründergeist: Helmut Sinn gründete die Frankfurter Uhrenmanufaktur.
Pilot mit Gründergeist: Helmut Sinn gründete die Frankfurter Uhrenmanufaktur.

Exakte Zeitmessung gehört schon immer zur Fliegerei, sei es beim Navigieren mit Kompass und Karte, beim Standard-Turn mit zwei Minuten Dauer und dem Abfliegen von Holdings. Auch die Satellitennavigation funktioniert nur mit präziser Zeiterfassung. Da verwundert es wenig, dass Borduhren und Pilotenchronographen schon seit Beginn des Streckenflugs Luftfahrtgeschichte schreiben. Dabei gehört das Unternehmen Sinn Spezialuhren zu den etablierten Namen am deutschen Markt. In der Geschichte der Manufaktur spiegelt sich auch die Zeit des Wirtschaftswunders.

Gründer Helmut Sinn wird 1916 geboren und ist bereits als Kind luftfahrtbegeistert. Vielleicht liegt das an seinem Wohnort Speyer und dem nahe gelegenen Flugplatz. Mit 18 Jahren erwirbt er die Segelfluglizenz und geht anschließend zur Luftwaffe, wo er zum Aufklärer-Piloten ausgebildet wird. Ein Absturz verletzt den jungen Mann schwer am Rücken und kostet ihn seine beiden kleinen Finger. Dennoch gelingt es Helmut Sinn, als Fluglehrer in der Luftfahrt zu bleiben.

Er schult unter anderem auf Heinkel He 70 und Junkers Ju 52. Mit Kriegsende verhängen die Alliierten in Deutschland ein Flugverbot. Sinns Pilotenkarriere ist damit beendet. Über den Handel mit Kuckucksuhren, die in den USA begehrt waren, bekommt Helmut Sinn Kontakt zur Uhrenbranche.

Sinn Uhren – vom Piloten für Piloten

Er eröffnet in den fünfziger Jahren eine eigenen Uhrenwerkstatt und spezialisiert sich auf die Fertigung funktionaler Uhren für Piloten. Die Sportfliegerei ist inzwischen wieder erlaubt, sodass der Ex-Militärpilot nun erneut als Fluglehrer für Sicht- und Instrumentenflug tätig ist, Flugzeuge aus Frankreich überführt und den Flugplatz Egelsbach mitgründet. Seine Uhrenkollektion umfasst derweil auch Bordinstrumente. Die Bundeswehr stattet unter andern Bell UH-1 D und Starfighter mit Sinn-Uhren aus.

1961 entsteht die Helmut Sinn Spezialuhren GmbH in Frankfurt- Rödelheim. In den siebziger Jahren wird die Lufthansa Kunde und kauft Borduhren für ihre Boeing-Muster 707, 727 und 737. Später erobern Sinn-Uhren auch den Orbit: Die deutschen Spaceshuttle-Astronauten Reinhard Furrer, Reinhold Ewald und Mir-Kosmonaut Klaus-Dietrich Flade tragen bei ihren Missionen Chronographen aus Frankfurt.

Eine neue Zeitrechnung

Über die Jahrzehnte gelingt es dem Unternehmen, moderne mechanische Fliegeruhren zu konstruieren, die zu Klassikern reifen. Darunter ist der Automatik-Chronograph Sinn 140 S, der mit Reinhard Furrer ins All reiste, oder die 144 GMT St mit zweiter Zeitzone. 1994 verkauft Helmut Sinn sein Unternehmen an Lothar Schmidt. Der Ingenieur war zuvor unter anderem beim Schweizer Uhrenhersteller IWC tätig. Der neue Inhaber stellt den Traditionshersteller Sinn mit neuen Modellen breiter auf.

So werden unter anderem Einsatzzeitmesser (EMZ) für professionelle Anwender wie den Bundesgrenzschutz und Taucheruhren ins Programm genommen. Außerdem entwickelt das Unternehmen neue Innovationen wie die Ar Trockenhalttechnik für Beschlagsicherheit, den Magnetfeldschutz für höhere Ganggenauigkeit und den unverlierbaren Sicherheitsdrehring. Letzterer findet sich inzwischen an vielen neuen Uhrenmodellen von Sinn. Mit viel Fingerspitzengefühl werden auch Klassiker mit aktueller Technologie neu aufgelegt.

Tradition trifft Moderne

Die Tradition der Fliegeruhren wird bis heute fortgesetzt. In einer Kooperation mit dem Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik der FH Aachen entwickelte das Unternehmen den Technischen Standard Fliegeruhren (TESTAF), vorgestellt im Jahr 2012. Auf dessen Grundlage entstand wiederum die DIN 8330 Fliegeruhren, die seit 2016 in Kraft ist. Im aktuellen Modellprogramm gibt es 43 Fliegeruhren – vom modernisierten Klassiker 104 St über die 857 UTC mit zweiter Zeitzone bis zum Modell 717 – dem Bordchronographen fürs Handgelenk

Letztere ist eine Hommage an die Borduhr NaBo ZM 17, die 1980 einen Tornado-Absturz praktisch schadlos überstand. Die Originalborduhr steht heute in der Firmenzentrale. Die handgemachten Uhren werden nach wie vor in Frankfurt am Main gefertigt. Die Gehäuse stammen von der Sächsischen Uhrentechnologie in Glashütte. So werden auch in Zukunft Sinn-Uhren den Weg ins (Glas-)Cockpit finden – am Handgelenk von Pilotinnen und Piloten.

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Über den Autor
Dirk M. Oberländer

Dirk M. Oberländer, Jahrgang 1975, verbrachte seine Jugend beim Segelfliegen am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg. Später folgte der Abschied vom Schieben und Umstieg zum Ultraleicht-Fliegen. Die zweite große Leidenschaft, das Schreiben, brachte Dirk zu Stadtmagazinen, Tageszeitungen, Kundenmedien und in die wunderbare Welt der Werbung. Immer mit einem Faible für Technik und die Menschen dahinter. So war es nur eine Frage der Zeit, bis der studierte Kultur- und Medienmanager beim fliegermagazin landete. Am Boden ist Dirk bevorzugt mit Laufschuhen und Rad unterwegs – im Urlaub auch gern mal mit Zelt in Richtung Süden.

Schlagwörter
  • Pilotenuhr
  • Sinn