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Welche Regeln gelten für das Fliegen in Vogelschutzgebieten?

Um Wildvögel nicht zu stören, gibt es Zonen, die nur in größerer Höhe überflogen werden sollten. Doch was ist, wenn beispielsweise die Wolken tief hängen?

Von Redaktion
Ingo-Julian Rösch: Rechtsanwalt und Pilot.
Ingo-Julian Rösch: Rechtsanwalt und Pilot. Bild: Ingo-Julian Rösch

Ein Leser fragt:

In der ICAO-Karte sind Gebiete mit erhöhtem Vogelaufkommen in grüner Farbe verzeichnet. Welche Regeln gelten hier? Darf ich überhaupt durch ein solches Gebiet fliegen? Unter Umständen auch niedriger als 2000 Fuß, wenn das Wetter schlecht ist oder es aus technischer Sicht einfach nicht anders geht?

Rechtsanwalt Ingo-Julian Rösch antwortet:

Ingo-Julian RöschIngo-Julian Rösch
Ingo-Julian Rösch: Rechtsanwalt und Pilot. Bild: Ingo-Julian Rösch

Seit 2007 finden sich in verschiedenen Luftfahrtkarten konkrete Darstellungen von Lufträumen mit hohem Vogelvorkommen. Gekennzeichnet sind die Gebiete mit einer grünen Markierung. Die internationale Bezeichnung lautet Aircraft-relevant Bird Area, abgekürzt ABA.

Welche Gebiete als ABA definiert werden, hat eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern des Bundesamts für Naturschutz, des Deutschen Aero-Clubs sowie Vogelbeauftragten der jeweiligen Bundesländer erarbeitet. Die AG hat zudem die zu schützende Arten, beispielsweise Kraniche, diverse Wat- und Wasservögel und Birkhühner, bestimmt. Die genauen Kriterien für die Festlegung solcher Gebiete kann man unter anderem beim Bundesamt für Naturschutz im Internet nachlesen. Im Wesentlichen spielt dabei die Bedeutung der jeweiligen Vogelpopulation und deren Größe eine Rolle.

Besonderes Vogelaufkommen: Die Kennzeichnung der Gebiete zeigt wann mit erhöhtem Aufkommen zu rechnen ist

Die beteiligten Vertreter und Verbände haben versucht, die Anzahl der Schutzgebiete in Grenzen zu halten, um das ohnehin bereits mit einer Vielzahl von Lufträumen versehenen Bundesgebiet nicht unnötig unübersichtlich zu gestalten. Umso mehr sollte man die festgelegten Gebiete auch respektieren. Die Kennzeichnung der Gebiete beschreibt, wann mit erhöhtem Aufkommen von Wildvögeln zu rechnen ist. So bedeutet zum Beispiel der Zusatz „09-04“ für ABA 119 bei Rostock, dass besonders im Zeitraum September (09) bis April (04) mit Vogelaufkommen gerechnet werden muss.

Die Beschreibung kann je nach Karte und Darstellung auch variieren. Manche Gebiete sind ganzjährig „01-12“ gekennzeichnet, was in der Regel auf Zonen am Meer zutrifft. Andere Gebiete, etwa in Hassfurt (EDQT), umfassen das gesamte Flugplatzgelände, was sich aber – abgesehen von der Installation einer Vogelvergrämungsanlage – auf den praktischen Betrieb nicht auswirkt und bisher zu keinerlei Konflikten mit dem dortigen Flugverkehr führte. Vögel und Flugzeuge koexistieren insoweit problemlos.

Nur eine Empfehlung: ABA sollen die Piloten sensibilisieren

Rechtlich ist eine ABA nichts anderes als eine Empfehlung. Die Kennzeichnung lässt sich mit privat oder von Verkehrsverbänden angebrachten Schildern rund um Schulen vergleichen, welche, meist zum Schulanfang, zur besonderen Rücksicht auffordern. Entsprechend sollen ABA die Piloten sensibilisieren, dass ein erhöhtes Vogelaufkommen besteht, und die Natur, aber auch das eigene Flugzeug (Vogelschlag!) geschützt werden sollen. Dabei wird empfohlen, derartige Gebiete nicht unter 2000 Fuß über Grund zu durchfliegen. Damit, so der Gedanke, hält man das Risiko einer Störung der Tiere und die Gefahr eines Vogelschlages niedrig.

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Zwar sind die meisten Vögel wesentlich flugerfahrener als alle Piloten, doch haben sie Probleme, die Geschwindigkeit eines Luftfahrzeugs richtig einzuschätzen. Schon ab einer Annäherungsgeschwindigkeit von zirka 100 km/h können sie auf Flugzeuge oft nicht mehr reagieren. Ehrlicherweise ist es umgekehrt nicht viel besser: Vögel im Flug auszumachen, ist eine große Kunst. Wer die 2000 Fuß einhält, hat damit den Vögeln und sich selbst geholfen. Ansonsten gelten die Mindestflughöhen nach SERA.5005.

Faszination Natur: Wir bewegen uns im Luftraum der Vögel

Fliegen lebt nicht zuletzt auch von der Faszination, die die Natur ausstrahlt. Entsprechend sollten Piloten ein Interesse daran haben, die Natur zu bewahren. Es kann also nur gut sein, sich an die Empfehlungen zu halten, wenn nicht zwingend aus Sicherheitsgründen eine Abweichung geboten ist, beispielsweise wegen schlechten Wetters und tiefhängender Wolken. Wir bewegen uns im Lebensraum der Vögel, nicht umgekehrt.

Wer sich für Hintergründe zu den jeweiligen ABA-Gebieten interessiert: Unter www.aba.bfn.de erhält man zu jedem Gebiet zusätzliche Informationen. So erfährt man dort beispielsweise, dass im Gebiet rund um Hassfurt der Singschwan alljährlich vorbeischaut. Für Piloten, die gerne fotografieren, könnte interessant sein, dass auf der jeweiligen Informationsseite auch die Darstellung von Luftbildern vorgesehen ist und bei mehreren Gebieten ausdrücklich angefragt wird, ob Flieger solche Aufnahmen zur Verfügung stellen können. Wobei natürlich auch hier gilt, dass dabei die empfohlene Mindesthöhe eingehalten werden sollte.

Text: Ingo-Julian Rösch

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