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Durchsuchen Behörden Social Media für die Unfallanalyse und ZÜP?

Das Internet vergisst nichts – vielen Piloten scheint das nicht bewusst zu sein. Doch was dort übers Fliegen gepostet wird, kann rechtliche Konsequenzen haben, sagt Rechtsanwalt und Pilot Ingo-Julian Rösch.

Von Redaktion
Schnell noch ein Selfie: Untersucht die Behörde die Social Media-Accounts von Privatpiloten, wenn es beispielsweise um eine Unfallanalyse geht? (Symbolfoto)
Schnell noch ein Selfie: Untersucht die Behörde die Social Media-Accounts von Privatpiloten, wenn es beispielsweise um eine Unfallanalyse geht? Bild: Symbolfoto

Immer wieder schicken uns Leser Fragen, die wir dann an unseren Rechtsanwalt und Privatpiloten Ingo-Julian Rösch weitergeben. Auch in diesem Fall, ein Leser hat uns diese Frage geschickt:

Neulich gab es im Verein eine intensive Diskussion: Einige waren der Meinung, dass Behörden auch Posts in Internetforen oder in den sozialen Medien berücksichtigen würden, wenn es um Unfallanalysen oder sogar die Bewertung der Zuverlässigkeit geht. Stimmt das?

Rechstanwalt Ingo-Julian Rösch antwortet:

Vor kurzem stürzte ein einmotoriges Flugzeug in den österreichischen Alpen ab. Die Wetterbedingungen für eine Alpenüberquerung erschienen zum Unfallzeitpunkt alles andere als optimal. An Bord saßen wohl auch mehrere Passagiere. Relativ schnell wurden in Online-Foren Links zu Facebook- und Instagram-Seiten des Piloten gepostet. Er beschrieb sich dort als Adrenalin-, Flugzeug- und Waffenliebhaber, der „Erlebnisse mit Adrenalingarantie“ schaffe. Auf seinem Facebook-Profil bot er Mitflüge innerhalb Europas für ein paar hundert Euro an. Ob die Kosten geteilt werden sollten, ist nicht eindeutig. Offenbar wurde aber durchaus damit „geworben“, dass Passagiere auch mal das Steuer übernehmen dürften.

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Rechtsanwalt und Pilot Ingo-Julian Rösch.

Nun soll keinesfalls der Eindruck erweckt werden, ein Unfall und seine Ursachen könnten anhand irgendwelcher Internet-Posts bewertet werden. Doch ebenso wie in Unfallberichten und bei der Frage rechtlicher Verantwortung beispielsweise zur Sprache kommt, ob ein Pilot ausgeruht oder unter psychischer Anspannung gewesen ist, wird jede Bewertung zu einem Unfall und dessen Ursache immer auch beinhalten, dass sonstige Veröffentlichungen des Piloten zur Sprache kommen. Piloten sollten sich dessen in besonderem Maß bewusst sein.

Eine Bewertung von Haftungen und Verantwortlichkeit wird nie losgelöst von den Gesamtumständen erfolgen. Selbstverständlich kommt es vorrangig erst einmal auf „harte Fakten“ an. Veröffentlichungen wie die beschriebenen können aber relativ schnell zu Problemen bei der Versicherungsdeckung führen.

Das Internet vergisst nicht

Kommt ein Gericht anhand der Gesamtumstände zu dem Ergebnis, es handele sich um einen gewerblichen Flugbetrieb, so ist zu erwarten, dass allenfalls nur ein sehr eingeschränkter Versicherungsschutz besteht. Der mehrmalige Verweis auf Abenteuer mit Adrenalingerantie könnten dazu beitragen, dass auch noch der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit im Raum steht. Tatsächlich gab es auch noch weitere Bilder, welche den Piloten beispielsweise mit diversen Schusswaffen im Tarnanzug zeigen.

Möglicherweise war das eine Paintball-Waffe. Möglicherweise war der Pilot auch Jäger, oder es war einfach sein – natürlich erlaubtes – Hobby. Ein anderes Bild im Social-Media-Profil des Piloten zeigt eine Wehrmachts-Uniform, inklusive Hakenkreuz. Das Bild ist schon ein paar Jahre alt, aber das Internet vergisst eben nicht. Abgesehen davon, dass nationalsozialistische Symbole in Deutschland im Zweifel nicht gezeigt werden dürfen – im Herkunftsland des Piloten ist dies wohl erlaubt –, ist es für sich genommen natürlich unerheblich, mit welcher politischen oder sonstigen Meinung sich jemand präsentiert, und ob er eher ein ruhiges oder abenteuerliches Leben bevorzugt.

Aber alle Leser sollten versuchen, sich in die Rolle eines Richters zu versetzen, der nun aufgrund der Gesamtumstände urteilen muss, ob hier eine Haftung oder grobe Fahrlässigkeit des Piloten im Raum stehen. Dabei wäre über Flugverfolgungsportale auch nachvollziehbar, welche Flüge zuletzt erfolgt sind. Zusammen mit den Fotos in sozialen Medien lässt sich damit letztendlich ein Profil erstellen, wann, wie viel und wohin ein Pilot geflogen ist.

Aufpassen wie man sich als Pilot im Internet präsentiert

Wer die Mitflieger gewesen sind, ist in der Regel mit wenigen Klicks geklärt, denn auch diese sind ja teils direkt „verlinkt“. Damit lässt sich auch klären, ob der Begriff der Kostenteilung vielleicht zu großzügig ausgelegt wurde. Dass dies auch bei Angeboten auf Mitflugseiten denkbar ist, sollten Piloten ebenfalls bedenken. Natürlich sollte im Idealfall jede Haftungsfrage nur anhand objektiver Umstände beurteilt werden, und mit Spekulationen und Rückschlüssen ist das so eine Sache. Aber die Realität ist nun einmal, dass jede Beurteilung immer auch von subjektiven Eindrücken abhängt.

Alle Piloten sollten sich daher gut überlegen, was sie im Internet veröffentlichen. Ein stets professionelles, manchmal dann vielleicht „langweiliges“, aber seriöses Auftreten in der digitalen Öffentlichkeit dient – heute mehr denn je – nicht nur der Allgemeinen Luftfahrt, sondern reduziert im Fall der Fälle auch mögliche Haftungsrisiken.

Gerade in Zeiten der Zuverlässigkeitsüberprüfung (ZÜP) in Deutschland muss ohnehin immer damit gerechnet werden, dass online auch von interessierten Dritten mitgelesen wird. Der Fall des Youtubers Trevor Jacobs ist da nur ein besonders eklatantes Beispiel.

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