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Ein gebrauchtes UL kaufen: Ein langer Traum wird wahr

Ein Pilot aus Schwaben erzählt, wie es dazu kam und welche Erfahrungen er mit seiner Anschaffung gemacht hat.

Von Redaktion
Der große Tag: Der erworbene Kiebitz wird in Tannheim abgeholt. Ein offenes Flugzeug im Retro-Look – dafür begeistern sich viele Piloten. Foto: Roland Mendle

Schon seit Jahren hatte ich den Gedanken, mir irgendwann ein eigenes Flugzeug zuzulegen. Irgendwie hat es aber nie geklappt. Doch dann kam der Tag und mein Traum, ein gebrauchtes UL zu kaufen, ganz nah.

Es ist ein grauer Regentag im Juni 2020. Einige meiner Vereinskameraden sitzen mit mir in unserem Vereinsheim im schwäbischen Thannhausen (EDNU). Unsere Blicke schweifen von den Kaffeetassen nach draußen und über den wolkenverhangenen Himmel. Ein Wetter, an dem die Vögel zu Fuß gehen.

Gebrauchtes UL kaufen: Ein Pilo erzählt seine Geschichte

Aus Langeweile und Frust über den verlorenen Fliegertag setze ich mich an unseren Vereins-PC und zappe durch Flugzeug-Gebrauchtmarktportale. Als Fluglehrer für PPL und UL interessiert man sich ja für so manches, auch wenn man es sich eigentlich nie leisten kann.

Übergabe des gebrauchten ULs: Der neue Eigentümer sitzt im Cockpit, der frühere gibt Tipps. Wenn über das Geschäftliche hinaus »die Chemie« stimmt, entsteht beim Kauf Vertrauen. Foto: Roland Mendle

Offen fliegen – das ist mir immer wieder durch den Kopf gegangen, und dafür kommt eigentlich nur ein Doppeldecker in Frage. Mein Favorit ist schon seit langem der Kiebitz, ein UL. Ich traue meinen Augen nicht, als nun auf einer der Gebrauchtmarkt-Websites ein Exemplar genau dieses Musters angeboten wird. Von ganzen 60 Gesamtstunden ist da die Rede.

Viele fliegerkameraden bestaunen den Internet-Fund – ein gebrauchtes UL

Ich hatte schon mit vielen Kiebitz-Verkäufern telefoniert, mir ihre Flieger angesehen und meistens festgestellt, dass sie entweder Schrott oder völlig überteuert waren. Deshalb bin ich auch bei dem aktuellen Angebot skeptisch.

Ich rufe die Fliegerkameraden zum Bildschirm und zeige ihnen meinen Internet-Fund. Einer von ihnen sucht sofort die Telefonnummer des Flugplatzes heraus, an dem der angebotene Kiebitz stationiert ist, drückt sie mir in die Hand und sagte: »Wenn Du da nicht gleich anrufst, ist das Ding verkauft – Du wolltest doch schon immer so einen Flieger haben!«

Auf dem Heimweg sind die Gedanken immer wieder beim gebrauchten UL

Da hat er recht. Also rufe ich den Tannheimer Flugleiter an und lass mir die Telefonnummer des Eigentümers geben. Dessen erste Worte sind: »Da gibt’s mittlerweile eine lange Interessentenliste.« Aber bei dem Gespräch liegt sofort Sympathie in der Luft.

Handschlag zum Abschied: »Da ist er in den richtigen Händen, der kann ihn fliegen.« Geplant war ein Deal, begonnen hat eine Fliegerfreundschaft.

Alle Interessenten wollen am kommenden Samstag zur Besichtigung kommen. Einen Vorteil habe ich: Ich bin direkt um die Ecke, nur eine Viertelstunde Flugzeit entfernt! An Fliegen ist jedoch an diesem Tag nicht zu denken. Auf der Fahrt nach Hause geht mir das Telefonat nicht mehr aus dem Kopf.

Eine Mischung aus Glück und Stolz

Daheim angekommen erzähle ich meiner Frau, was sich zugetragen hat. Ihre überraschende Reaktion: »Wenn Du das machen willst, dann solltest Du es sofort tun, sonst ist er weg.«

Gesagt, getan. Nachdem ich mir nochmal alle Angaben angesehen habe, rufe ich den Eigentümer ein zweites Mal an und sage ihm zu, seinen Kiebitz ungesehen zu kaufen. Doch der Mann meint: »Ungesehen kauft man kein Flugzeug.« Also vereinbaren wir einen Termin vor besagtem Samstag, an dem alle kommen wollen.

Der gebrauchte Kiebitz ist ein UL zum Einsteigen und Losfliegen

Gespannt fahre ich nach Tannheim, wo das gute Stück in der Halle steht. Gert zeigt mir alle Blessuren, die sein Flieger hat. Sie sind wirklich minimal, und beim Preis werden wir uns ohne große Verhandlung schnell einig. Also ein Flieger zum Einsteigen und Losfliegen.

Herrliche Stunden in der Luft »Jetzt habe ich einen wunderbaren Kiebitz«. Foto: Roland Mendle

Das Gefühl, das ich in diesem Moment habe, werde ich wohl nie mehr vergessen: eine Mischung aus Glück und Stolz. Gert hat den Kiebitz aus gesundheitlichen Gründen zum Verkauf ausgeschrieben, schweren Herzens. Wir verstehen uns sofort, sind auf einer Wellenlänge, und dazu kommt das Glück, dass mein Heimatplatz nur 40 Kilometer entfernt liegt. So kann er mich und den Kiebitz jederzeit besuchen. Es folgen noch einige Treffen bis zu dem Tag, an dem ich seinen Doppeldecker übernehme. Auch unsere Frauen verstehen sich sehr gut, und so führt der Flugzeug-Deal auch noch zu einer Fliegerfreundschaft.

Es ist völlig ungewohnt offen zu fliegen

An dem Tag, als ich den Kiebitz zum ersten Mal fliegen soll, gibt mir Gert noch einige nützliche Tipps, was Starten und Landen betraf. Als geübter Taildagger-Pilot fällt es mir aber nicht schwer, den Tandemsitzer sofort zu beherrschen. Völlig ungewohnt ist aber, offen zu fliegen. Für mich ein ganz neues Gefühl der fliegerischen Freiheit.

Bei meinem Abflug fließt wohl noch eine kleine Träne, und es kommt der Satz über Gerts Lippen: »Da ist er in den richtigen Händen, der kann ihn fliegen, das war die richtige Entscheidung.«

Die Fliegerkameraden warten auf mich und mein gebrauchtes UL

Als ich in Tannhausen lande, warten die Fliegerkameraden schon, und nachdem sie meine Anschaffung aus der Nähe betrachten, sind sich alle einig: ein wunderschönes Flugzeug, wirklich gepflegt und sauber gebaut.

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So folgen nun zirka sechs Flugstunden, in denen ich den Kiebitz besser kennenlernen kann. Bis zu dem Tag, an dem ich einen Touch and go im Funk ansage. Ich setze nahe der Schwelle auf, schiebe das Gas nach vorn, um wieder abzuheben, als plötzlich eine lautes »Paff« zu hören ist und der Motor wie ein alter Trecker klingt. Sofort nehme ich das Gas zurück – auf der »08« liegt noch viel Piste vor mir, sodass ich problemlos ausrollen kann.

Probleme mit dem Motor – Ist der Schaden schnell behoben?

Das Malheur ist schnell gefunden: Bei einem der Zylinderköpfe hat es die Zündkerze aus dem Gewinde geschlagen. Zunächst stehe ich etwas ratlos da, gemeinsam mit den Vereinskameraden ist die Ursache dann schnell entdeckt. Die Zylinderköpfe sind mit sogenannten Helicoils versehen; das sind Gewindeeinsätze für Zündkerzen, mit denen man sich neue Zylinderköpfe sparen kann, wenn die Kerzengewinde kaputt sind.

Die Firma, die den Motor »grundüberholt« an meinen Vorbesitzer verkauft hat, hat die Helicoils unsachgemäß verbaut. Alle vier Zylinder waren damit versehen worden, einer dilettantischer als der andere. Auf den ersten Blick konnte man das aber nicht sehen. Nun stehe ich also da, mit einem Kiebitz, den ich mir schon immer gewünscht hatte, mit dem ich nun aber vorläufig nicht mehr fliegen kann.

Die Zylinderköpfe müssen ausgetauscht werden

Ich rufe Gert an, um die Vorgeschichte zu klären. Es stellt sich heraus, dass der Motor von einer Firma verkauft wurde, die solche »Grundüberholungen« wohl des Öfteren durchführt und offenbar schon das eine oder andere Mal damit unangenehm aufgefallen ist. Der Kontakt und die Reaktion dieser Firma auf meine Rückfragen war recht unerfreulich.

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Aber wozu hat man gute Clubkameraden. Es zeigt sich mal wieder, welche Vorteile es hat, in einem gut funktionierenden kameradschaftlichen Luftsportverein zu sein, und das ist der MLV Thannhausen. Ich bin nicht alleine mit meinem Problem. Als es darum geht, die Zylinderköpfe abzuschrauben und zu entscheiden, was zu tun ist, legt mein Fliegerfreund Stefan mit Hand an. Für mich kommt nichts anderes in Frage, als die Zylinderköpfe komplett gegen neue auszutauschen. Sparen wäre hier fehl am Platz.

Großes Problem: Es wurden nicht zugelassene Teile verbaut

Auch die Zusammenarbeit mit dem Motorenhersteller ist vorbildlich; in meinem UL ist ein Limbach 2000 EA verbaut. Die alten Zylinderköpfe – pro Seite bilden die beiden Köpfe eine Einheit – wurden untersucht und festgestellt, dass nicht zugelassene Teile verbaut wurden. In zwei Tagen waren die neuen Köpfe bei mir.

Bei der Montage des Auspuffs stellt sich dann heraus, dass die Krümmer unter Spannung eingebaut gewesen sein mussten – die Befestigungsschrauben sind teilweise aus den Zylinderköpfen ausgerissen. Es kommt nicht in Frage, den Auspuff, so wie er ist, an die neuen Zylinder zu zwingen. Wir sägen die Krümmer ab, kürzen sie und ersetzen sie durch flexible Rohre.

Was auf den ersten Blick ebenfalls unerkannt bleibt: Die Schwinggummilager (Shock Mounts) des Motors sind porös und rissig. Neue müssen her. Bei dieser Gelegenheit werden auch gleich alle üblichen Wartungsarbeiten erledigt, einschließlich Ölwechsel. Dann ist die Cowling noch an die neue Auspuffführung anzupassen, und nachdem alles wieder zusammengeschraubt ist, lasse ich den Prüfer kommen – die Jahresnachprüfung stand eh an.

Der Verkäufer übernimmt die Hälfte der Kosten für die Zylinderköpfe

Meinem neuen Freund und Vorbesitzer ist die ganze Geschichte unglaublich peinlich, zumal er ja überhaupt nichts dafür kann. Vermutlich hätte er bei einem der nächsten Flüge dieselben Probleme gehabt. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was alles hätte passieren können, wenn der Motor irgendwo »in der Pampa« stehen geblieben wäre. Gert übernimmt spontan die Hälfte der Kosten für die neuen Zylinderköpfe. Einen netteren und faireren Fliegerkameraden kann man sich nicht wünschen.

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Außer Stefan haben mir noch andere Vereinskameraden geholfen, den Antrieb wieder auf Vordermann zu bringen. Gemeinsam haben wir viele Stunden in der MLV-Werkstatt verbracht. Dafür bin ich allen sehr dankbar, denn jetzt habe ich einen wunderbaren Kiebitz, mit dem ich noch viele herrliche Stunden in der Luft verbringen werde, immer mit dem guten Gefühl, einen Motor vor mir zu haben, der nun zuverlässig arbeitet.

Und die Moral von der Geschicht’: Hast du einen Flieger, hast du viele glückliche Stunden – aber auch immer was zu tun.

  • UL-Muster Kiebitz

Wenige UL-Muster sind in Deutschland so beliebt wie der Kiebitz. Seit Konstrukteur Michael Platzer das Muster 1985 auf den Markt brachte, wurden rund 300 Exemplare fertiggestellt – obwohl der Retro-Doppeldecker ein Selbstbau-Flieger ist. Angeboten werden nur Pläne und einige Teile, als fabrikneues Fertigflugzeug gibt es den Kiebitz nicht, noch nicht mal als Bausatz – weil Platzer gar keine Fabrik hat, wohl aber Erbauer betreut. Deren individuelle Vorlieben haben dazu geführt, dass praktisch keine zwei Kiebitze gleich aussehen.

Inzwischen existieren 14 Baureihen, 12 verschiedene Triebwerke stehen im Kennblatt, Reihenmotoren und Boxer, Zwei- und Viertakter von 52 bis 97 PS. Ein paar Exemplare fliegen sogar mit Sternmotor und 124 PS. Erbauer und Piloten sind in der Kiebitz-Szene sehr gut vernetzt. Der Erfahrungsaustausch erstreckt sich auf Bau, Zulassung, Wartung, Reparatur und mehr. Online steht dafür ein eigenes Diskussionsforum zur Verfügung, siehe http://kiebitzpiloten.siteboard.eu.

Text & Fotos: Roland Mendle

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