Soloplatzrunde: Allein und überfordert
Nach dem Ende eines längeren Trainingsflugs hebt ein Flugschüler zu Soloplatzrunden ab. Im Endanflug ist er zu schnell und hoch. Per Funk versucht der Fluglehrer einzugreifen.

Die ersten Alleinflüge sind für Flugschüler und Fluglehrer gleichermaßen aufregend. Umso wichtiger ist es, dass der Lehrer uneingeschränktes Vertrauen in seinen Schützling hat und dieser zugleich über ausreichende Fähigkeiten und Selbstvertrauen für die ersten Soloflüge verfügt. Selbst dann kann noch etwas schiefgehen. Denn wo Menschen am Werk sind, passieren bekanntlich Fehler. So auch im Oktober 2023 am Sonderlandeplatz Oerlinghausen (EDLO), als ein erster Soloflug nach längerer Trainingspause für einen Flugschüler mit einem schweren Unfall endet.
Der 51-Jährige befindet sich in der Ausbildung zum Light Aircraft Pilot (LAPL), als er sich an einem spätsommerlichen Tag bei Windstille und CAVOK-Verhältnissen für Ausbildungsflüge am Flugplatz einfindet. Sein Training hatte er im Vorjahr begonnen und seit seinem ersten Alleinflug sind inzwischen fast elf Monate vergangen. Nach einer siebenmonatigen Pause, auf die zehn Flugstunden mit Lehrer folgten, soll sich dies nun ändern.
Routinemanöver vor dem Alleinflug
Am Morgen des Unfalltags fliegt er mit seinem 39-jährigen Ausbilder in einer Diamond DA20 Katana von Oerlinghausen zum Verkehrsflughafen Hannover (EDDV) und zurück. Am Nachmittag fliegen beide erneut zusammen und trainieren verschiedene Notfallsituationen mit Ziellandungen. Unmittelbar danach erteilt der Fluglehrer seinem Schüler einen Auftrag für einen Alleinflug für zwei Platzrunden. Dessen Alleinflugzeit beträgt zu diesem Zeitpunkt 27 Minuten.
Zu viel Fahrt im Final
Um 18:27 Uhr startet er mit dem Tiefdecker auf der Piste 22 des Sonderlandeplatzes. Fünf Minuten später meldet der Schüler das Eindrehen in den Endanflug. Der Fluglehrer beobachtet die Platzrunde vom Turm aus. Zunächst verläuft der Anflug normal. Als die Katana im kurzen Endanflug ist, erkennt der Lehrer, dass die Geschwindigkeit zu hoch ist. Im Bereich der Halbbahnmarkierung setzt die zweisitzige Maschine mit hoher Fahrt auf und hebt sofort wieder ab. Kurz darauf setzt sie erneut auf der Asphaltpiste auf.
Der Fluglehrer versucht, seinem Schüler über Funk mitzuteilen, dass er durchstarten möge, doch die Frequenz ist durch den Einleitungsanruf eines Motorseglers blockiert. Als der Funk wieder frei ist, droht die Maschine, die Piste zu überschießen und den Flugplatzzaun zu durchbrechen, hinter dem eine Straße liegt. Der Fluglehrer kann nur noch die Anweisung „links, links, links“ rufen. Der Flugschüler befolgt das Kommando und lenkt das Flugzeug nach links.
Die DA20 rollt über eine Rasenfläche und prallt gegen die Wand eines Hangars. Dabei wird der Pilot schwer verletzt und kann das Wrack nicht mehr aus eigener Kraft verlassen. Sofort tritt Kraftstoff aus, der sich glücklicherweise nicht entzündet. Ein heraneilender Ersthelfer schaltet die Elektrik ab, versorgt den Piloten und stellt einen Feuerlöscher bereit. Der verunfallte Mann überlebt das Unglück schwer verletzt.
Falsche Klappenstellung und technische Ursachen
Bei der Untersuchung des Wracks durch die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) stellten diese fest, dass sich sowohl die Landeklappen als auch der entsprechende Schalter in der Stellung Take-off befanden. Dies entspricht einem Winkel von 15 Grad und somit der Position für den Start. Für die Landung ist laut Flughandbuch hingegen ein Winkel von 45 Grad (full flaps) vorgesehen.
Damit war das Flugzeug nicht korrekt konfiguriert, was dazu beitrug, dass die Anfluggeschwindigkeit zu hoch war. Der Flugschüler gab später an, dass er die Überfahrt zwar registriert, diese aber nicht mit einer falschen Konfiguration der Landeklappen in Verbindung gebracht habe.
Topografie und Wahrnehmungsfehler beim Alleinflug
Hinzu kommt, dass die Piste, die über eine nutzbare Landestrecke von 725 Metern verfügt, ein erhebliches Gefälle von 56 Fuß im Längsprofil aufweist. Das hat nach Auffassung der Unfalluntersucher mutmaßlich dazu geführt, dass der Flugzeugführer den Eindruck hatte, zu niedrig zu sein und den Anflug entsprechend höher angesetzt hat. In Verbindung mit der falschen Klappenstellung und der zu hohen Fluggeschwindigkeit hat dies zum langen Ausschweben im Bodeneffekt mit spätem Aufsetzen und Überschießen der Bahn geführt.
BFU-Bericht zur Entscheidungsfähigkeit
Weiterhin zitiert die BFU in ihrem Abschlussbericht Rainer Krumm, Autor des Buches „Mentales Training für Piloten“. In diesem heißt es, dass ein Pilot erst dann bereit für den ersten Soloflug sei, „wenn er nicht nur handwerklich sicher fliegt, sondern auch in der Lage ist, Situationen zu beurteilen, verantwortlich Entscheidungen zu treffen, sie einer kritischen Überprüfung zu unterziehen und den gefassten Plan umzusetzen oder zu ändern.“
Statt sich für ein sicheres Durchstartmanöver zu entscheiden, hat der Schüler das Flugzeug nach Auffassung der BFU zum Landen „gezwungen“, woraufhin beim anschließenden Bremsvorgang die Reifen blockierten. Vermutlich hat der Pilot daraufhin den Bremsdruck reduziert. Nach Wahrnehmung der Anweisung seines Ausbilders, nach links zu steuern, hat er laut eigener Aussage den Fuß von der rechten Bremse genommen und das Seitenruder nach links ausgeschlagen.
Mental am Limit: Überforderung als Unfallursache
Darüber hinaus merken die Ermittler an, dass der Flugschüler nach den Flügen am Vor- und Nachmittag des Unfalltags vermutlich bereits an der Grenze seiner mentalen Leistungsfähigkeit angelangt war. Eine Erholungsphase mit der Möglichkeit, sich in Ruhe auf die Platzrundenflüge vorzubereiten, wäre nach Ansicht der BFU-Experten sinnvoll gewesen.
Fazit: Was der Fall für die Ausbildung bedeutet
So zeigt der Unfall, wie wichtig eine gründliche Vorbereitung für einen Alleinflug ist. Auch die mentale Verfassung der Flugschüler hat einen großen Einfluss auf die sichere Flugdurchführung. Durch lange Pausen in der Ausbildung geht zudem die notwendige Routine verloren. Schließlich verdeutlicht der Vorfall, dass Lehrer dem Erlangen und der Überprüfung der Entscheidungsfähigkeit eines Flugschülers im Rahmen des Trainings eine besondere Aufmerksamkeit widmen sollten.
Schließlich sollten Fluglehrer nicht unterschätzen, welchen Einfluss Ermüdung durch längeres Training haben kann. In diesem Zusammenhang führt die BFU in ihrem Bericht ein passendes Zitat an: „Eine Entscheidung kann falsch sein. Nichts zu entscheiden, ist falsch.“
Martin Schenkemeyer begann im Jahr 2007 mit dem Segelfliegen. Inzwischen ist er ATPL-Inhaber und fliegt beruflich mit Businessjets um die ganze Welt. In seiner Freizeit ist er als Vorstand seines Luftsportvereins tätig und fliegt an seinem Heimatflugplatz Bad Pyrmont Segelflugzeuge, Ultraleichtflugzeuge und Maschinen der E-Klasse. Für das fliegermagazin ist der Fluglehrer seit 2020 als freier Autor tätig und beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen rund um die Flugsicherheit.
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