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Flugzeug-Reportage: Lockheed L-1049 Super Constellation

Das Pech der späten Geburt? Wer in den fünfziger Jahren noch nicht auf der Welt oder zu jung war, kann den Traum vom Flug in einem viermotorigen Airliner heute nachholen – in Europa! Vom Baseler EuroAirport aus betreibt die „Super Constellation Flyers Association“ eine Lockheed L-1049, gesponsert vom Schweizer Uhrenhersteller Breitling

Von Redaktion

Es war die große Zeit der Kolbenmotor-Verkehrsflugzeuge, damals nach dem Zweiten Weltkrieg. Zwei, drei, vier Triebwerke, bis zu 24 Zylinder, angeordnet in vier Reihen, das Ganze untergebracht in riesigen, chromglänzenden Silos, aus denen in einer Sekunde genügend dunkler Qualm schoss, um Heerscharen von Umweltengeln wegen Kohlenmonoxyd-Vergiftung abstürzen zu lassen. Bei der Unmenge von Ventilen, Kipphebeln, Stößelstangen, Kolben, Lagern und tausenden anderer Teile fragt man sich heute, wie es überhaupt möglich war, dass die viermotorigen Monster nach einem Transatlantikflug nicht mit wenigstens einem stehenden Triebwerk landeten. Auf dem Höhepunkt dieser Ära war die Super Constellation die Queen unter den Airlinern: groß, elegant, schnell – nach ihr kam von Lockheed nur noch der Starliner, aber als der erste flog, 1956, dämmerte bereits das Jet-Zeitalter.

Ein Stern, der schon bei seiner Geburt zum Verglühen bestimmt war. Die Super Connie hingegen strahlt noch ungebrochenes Vertrauen in die Kolbenmotor-Technik aus, wie US-Straßenkreuzer der frühen siebziger Jahre, als Ökologie und hohe Ölpreise nicht mal den Bad Guys in Zukunfsromanen über die Lippen kamen. Hervorgegangen war sie aus der Vorkriegs-L-049 – auf Initiative von Howard Hughes. Der sagenumwobene Milliardär war Hauptaktionär von Transcontinental & Western Airlines (TWA) und trat 1939 mit der Idee an Lockheed heran, ein vollkommen neues Verkehrsflugzeug zu entwickeln. Nonstop sollte es von Los Angels nach New York fliegen können. Die Vorgaben: Transport eines Gewichts von 6000 Pfund in 20 000 Fuß Höhe mit 250 Meilen pro Stunde über eine Distanz von 3500 Meilen. Möglich erschien dies mit den neuen 18-Zylinder-Wright-Sternmotoren des Typs R-3350, von denen jeder mehr als 2200 PS leistete.

Ein einzelnes Seitenleitwerk wäre für die TWA-Hangars einfach zu hoch gewesen

Als Weiterentwicklung der L-749 Constellation sattelte die Super Connie nochmal eins drauf. 3250 PS brüllte jetzt jeder der vier aufgeladenen Sternmotoren heraus. Schon die riesigen, 4,6 Meter großen Propeller der L-749 hatten die charakteristische abgesenkte Connie-Schnauze notwendig gemacht, damit das Bugfahrwerk nicht noch höher sein musste, um ausreichend Bodenfreiheit zu schaffen. Trotzdem war das Flugzeug so hoch, dass es nicht in die Hangars von TWA gepasst hätte, wenn nicht … Sie glaubten immer, das Dreifach-Seitenleitwerk sei das Ergebnis irgendeiner ausgefuchsten aerodynamischen Überlegung? Bauhöhe, nichts als Bauhöhe! Ein einzelnes Seitenleitwerk hätte so groß sein müssen, dass TWA durch den Neubau von Hangars (noch früher) Pleite gegangen wäre. Schnell war die erste Constellation auch schon, schneller als die damaligen viermotorigen Bomber, schließlich hatte ihr Lockheed aerodynamisch hochwertige Flügelsektionen der P-38 Lightning (siehe fliegermagazin 12/04) verpasst.

Als die stärkere Super Connie dann im Juli 1952 zum ersten Mal flog, war klar, dass sie neue Maßstäbe in Bezug auf Reichweite und Abfluggewicht setzen würde. Zwei zusätzliche Rumpfsegmente, eins vor dem Flügel und eins dahinter, verlängerten den Rumpf um 5,6 Meter, bis zu 109 Passagiere schauten jetzt durch eckige statt runde Fenster. Auch die Sicht aus dem Cockpit wurde durch größere Fenster verbessert, und die Besatzung – mindestens Pilot, Co und Bordingenieur – genoss ebenso wie die Passagiere den verbesserten Komfort. Heute können Fans jener Königinnen der Lüfte aus der Sturm- und Drangzeit der Kolbenmotor-Ära eine Super Constellation meist nur von außen bewundern. Und das viel zu selten. Doch wo immer die betagte Dame auftaucht, ob auf der ILA in Berlin oder dem Flying-Legends-Treffen im britischen Duxford – Kenner begegnen ihr stets mit Bewunderung, die unbedarfte Öffentlichkeit zumindest mit Neugier.

Umso erfreulicher ist deshalb, dass seit kurzem gleich zwei Exemplare der viermotorigen Schönheiten eine neue Heimat in Europa gefunden haben: Seit Anfang Juli ist eine L-749A in KLM-Farben Mittelpunkt des Aviodrome Museums am holländischen Flughafen Lelystad. Bereits zwei Monate zuvor, am 8. Mai, landete die „Breitling Super Constellation“ auf dem EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg, von wo sie seither zu Passagierflügen startet. Allerdings nicht für jedermann. In den Genuss einer Reise mit der alten Dame kommt nur, wer Mitglied der Super Constellation Flyers Association (SCFA) ist. Denn die Super Connie mit dem Kennzeichen N73544 ist nicht für den kommerziellen Luftverkehr zugelassen, weshalb Tickets ausschließlich an Vereinsmitglieder verkauft werden dürfen, mittlerweile über 1600. Aber was macht das schon? Schließlich gibt es auf dem alten Kontinent sonst keine Möglichkeit, „live und in Farbe“ zu erleben, wie sich ein Fluggast an Bord einer Langstreckenmaschine der fünfziger Jahre fühlte.

Der holländischen Connie nämlich verweigerten die zuständigen US-Behörden die Lizenz für den Passagiertransport, obwohl sie über viele Jahre exakt mit diesem Ziel sorgfältig restauriert worden war. Mit einer Experimental-Zulassung dürfte sie allenfalls für Flugvorführungen ohne Fluggäste genutzt werden, weshalb sie künftig vermutlich die meiste Zeit am Boden bleiben wird. In der gleichen unerfreulichen Situation waren im August 2002 auch die Schweizer Connie-Freunde um Francisco Agullo. Ihr „Problem“ trug das Kennzeichen N105CF. Denn Agullo, der die SCFA schon im Jahr 2000 gegründet hatte, um eine flugfähige Connie in die Schweiz zu holen, hatte ursprünglich ein ganz anderes Flugzeug als die heutige „Breitling Super Constellation“ im Auge. Der erfahrene Pilot, hauptberuflich für die Schweizer VIP-Gesellschaft PrivatAir als Boeing-757-Kapitän tätig, hatte im Urlaub nämlich gelegentlich am Steuer einer in der Dominikanischen Republik beheimateten Super Constellation gesessen.

Wer mitfliegen will, muss Mitglied in der SCFA werden – na und?

Genau dieses Flugzeug, 1953 als R7V-1 von Lockheed an die US-Marine ausgeliefert und seit geraumer Zeit in Santo Domingo abgestellt, erwarb die zu diesem Zweck gegründete SCFA im Juni 2000. Im Januar des darauffolgenden Jahres wurde die inzwischen als N105CF in den USA registrierte Super Connie nach Avra Valley in der Nähe von Tucson/Arizona geflogen, wo die Restaurierungsarbeiten begannen. Doch dann schlug das Schicksal in Gestalt der FAA zu: Die US-Behörde verkündete, künftig keine Zulassungen an große Verkehrsflugzeuge mit Kolbenmotoren mehr auszustellen. Doch ohne Zulassung keine Passagierflüge und ohne Passagierflüge keine Einnahmen. Und ohne Einnahmen würde die Super Connie ebenso wie ihre holländische Schwester zum Museumsflugzeug degradiert. Undenkbar für den leidenschaftlichen Flieger Agullo, der schon so unterschiedliche Muster wie Douglas DC-3, Curtiss Commando, 737, MD-80 oder Gulfstream IV gesteuert hat. Was also tun?

Zur Beförderung von Fluggästen kam nur eine Maschine in Frage, die bereits eine entsprechende Zulassung hatte. Zum Glück gab es da noch Benny Younesi. Der amerikanische Geschäftsmann hatte 1982 eine Super Constellation erworben, die 1955 als C-121C an die US-Luftwaffe ausgeliefert worden war. Younesi wollte das Flugzeug mit dem Kennzeichen N73544 gemeinsam mit einer weiteren Connie für den Transport von Thunfisch von den Philippinen nach Tokio einsetzen. Doch die N73544 schaffte es nie nach Asien. 1984 wurde sie nach Camarillo in Kalifornien geflogen, wo Younesis Constellation Historical Society (CHS) sie ab 1989 gemeinsam mit Helfern auf Vordermann brachte. Nach ihrem zweiten Jungfernflug am 23. Juni 1994 wurde die „Camarillo Connie“ regelmäßig gewartet und auf Airshows vorgeführt. Der Zufall wollte es, dass Younesi gerade auf der Suche nach einem Käufer für seine N73544 war, als die Schweizer ihre Träume mit der N105CF begraben mussten.

Und so wurde schließlich am symbolträchtigen 17. Dezember 2003 (100 Jahre zuvor war Orville Wright der erste Motorflug gelungen) ein über vier Jahre laufender Mietkaufvertrag geschlossen, der nicht nur den Erwerb des Oldtimers zu vertretbaren Kosten ermöglichte, sondern auch die technische und fliegerische Unterstützung durch die erfahrenen Mitglieder der Constellation Historical Society sicherstellte. Am 26. April 2004, um 9.54 Uhr Ortszeit, konnte es losgehen: Die N73544 startete in Camarillo zum Überführungsflug Richtung Europa. Mittlerweile trägt sie den Namen „Breitling Super Constellation“: nach ihrem Hauptsponsor, ohne den das Projekt nicht finanzierbar gewesen wäre. In mehreren Etappen, darunter ein Nonstop-Abschnitt über neun Stunden und 15 Minuten zwischen Stephenville in Neufundland und dem schottischen Prestwick, landete die Connie am 8. Mai um 11.30 Uhr auf dem EuroAirport. Das Ende eine langen Reise – und gleichzeitig der Auftakt für eine neue Karriere am europäischen Himmel.

Text: Achim Figgen, Peter Wolter; Fotos: Dietmar Plath, Matthias Winkler; fliegermagazin 1/2005

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