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Oldtimer-Porträt: Messerschmitt Bf 109 E-7

Walter Eichhorn hat sie alle gehabt: die Bf 109 G-6 sowie G-10 der Messerschmitt- Stiftung, und auch die Albstädter G-4. Wären Flugzeuge Frauen, müsste sich der Ex-Lufthansa-Kapitän den Ruf eines „109“-Casanovas gefallen lassen. Was gar nicht mal so schlimm wäre. Denn mit seiner „109“-Reputation durfte er ungeniert anderen hinterhersteigen – wie etwa dieser „109“ E-7 in Kanada

Von Redaktion

Er kennt sie inzwischen seit Jahren. Wie das eben so ist: Am Anfang ihrer Bekanntschaft war er versessen auf sie und konnte nicht genug kriegen. Doch das Feuer hat im Laufe der Jahre nachgelassen. Nicht dass es erloschen wäre. Doch nun köchelt die Zuneigung auf kleinerer Flamme. So kann wenigstens nichts anbrennen. Ihre Macken sind ihm inzwischen vertraut, er weiß, woran er ist: Auf die Schnauze wird er mit ihr nicht so schnell fliegen – Walter Eichhorn mit der Bf 109 G-6 der Messerschmitt-Stiftung. Doch dann hört er eines Tages von der anderen. Und mit dem Gedanken an sie erwacht wieder die Neugier. Leugnen hilft nicht: Wenn Männer behaupten, sie hätten nur einen Blick für ihre eigene Geliebte und würden andere „nicht mal anschauen“, dann ist das nur glaubhaft, wenn ihre Sehkraft stark gelitten hat oder sie durch andere Gebrechen jenseits von „Gut und Böse“ sind. Beides kann man von Walter Eichhorn nun wirklich nicht behaupten.

Im November 2004 besteigt der 68-Jährige einen Linienjet nach Kanada. Hier hat er in den sechziger Jahren Fliegen gelernt, gelebt und Freunde gefunden, bevor er bei der Lufthansa Karriere machte. Oft und gern kommt er noch heute ins Land. Diesmal besonders gern, denn er hat da was gehört … Sein Weg führt zunächst ins Canadian Warplane Heritage Museum in Mount Hope, Ontario. Noch lange nicht ins Museum wollen drei Flugzeuge, die in der Nähe auf einem ehemaligen Militärplatz stationiert sind: eine Supermarine Spitfire und eine Hawker Hurricane – sowie eine Bf 109 E-7. Der deutsche Jäger, eine frühe Version der „109“, stand 50 Jahre als Kriegsschrott in Russland, bevor er in Großbritannien und den USA flugfähig restauriert wurde. Das „Battle of Britain“-Trio gehört inzwischen dem Warbird-Enthusiasten Edward D. Russell. Mit den rassigen Weltkriegsveteranen hat sich der kanadische Bauunternehmer einen Jugendtraum erfüllt.

Drei Minuten nach dem Start ist Eichhorn über den Niagarafälle

Traumhaft auch die Lage seines Flugplatzes: Kurz nach dem Start hat man die tosenden Niagarafälle unter sich. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis Eichhorn von diesem Kleinod Wind bekam. Nach eineinhalb Stunden Autofahrt steht er auf dem Areal vor der Me 109 E-7 und unterhält sich mit Andrej, einem von Russells Mechanikern. Etwas Fachsimpeln, schon sitzt Eichhorn in der Maschine – Andrej merkt schnell, dass der deutsche Besucher mit dem akzentfreien Englisch Ahnung hat. Wie gut für Eichhorn zu erfahren, dass Ed Russell für einen Flugtag zufällig noch einen „109“- Piloten sucht … Nachdem dieser über die fliegerische Vita des Deutschen aufgeklärt ist, kommen sie ins Geschäft. „109“-Bändiger sind rar. Eichhorn erneuert seinen kanadischen CPL aus den fünfziger Jahren (eine Voraussetzung, um auf einer Airshow fliegen zu dürfen) und knöpft sich Mitte Mai diesen Jahres die „Emil“ vor.

Nach einer Stunde Sitzung im Cockpit streckt er den Daumen in die Höhe, knatternd erwacht der Zwölfzylinder. Mit etwa 250 Stunden Flugerfahrung auf der „109“ hat Eichhorn die Checkliste für den Jäger inzwischen verinnerlicht. Deswegen hat er sich zusätzlich Klarlisten erstellt, auf denen die Unterschiede zwischen den verschiedenen Versionen G-4, G-6, G-10 und E-7 stehen. In der Luft präsentiert sich die „Emil“ beim ersten eineinhalbstündigen Flug ohne Allüren. Zwar ist diese frühe Version der „109“ mit dem etwas schwächeren Daimler-Benz 601 ausgerüstet, der knapp 300 Pferdestärken unter dem 1475 PS starken DB 605 liegt. Doch dafür bringt die E-7 auch rund 300 Kilo weniger auf die Waage. Eine Gitarre, auf der John Lennon geklampft hat, geht für Unsummen über den Auktionstisch, und sogar der VW Golf, dessen Papiere Kardinal Josef Ratzinger, jetzt Papst Benedikt XVI, als Halter auswiesen, brachte fast 190000 Euro bei Ebay.

Die „109“-Fangemeinde verehrt andere Berühmtheiten: Eine flugfähige „Emil“ ist schon extrem selten, sprich einmalig, doch wenn dazu noch ein ehemaliges Fliegerass wie Hans-Joachim Marseille am Steuer saß, dann hat das Flugzeug Starkult. Eichhorn berührt das übrigens nicht. Er erfährt erst nach der Airshow, welchen prominenten Händen die Messerschmitt einst gehorchte. Eichhorns „Gegenspieler“ in der Hurricane ist Alan Walker. Ein alter Bekannter – obwohl die beiden vor ein paar Jahren versucht haben, sich gegenseitig das Lebenslicht auszupusten. Damals steuerte Walker einen B-17-Bomber stur durch einen wildgewordenen Hornissenschwarm aus Messerschmitts, während Eichhorn wie besessen versuchte, den Viermot-Saurier vor die MG-Rohre seiner „109“ zu kriegen. Natürlich nicht ernsthaft, sondern für Kameramänner der Warner-Studios, die Ende der achtziger Jahre den Film „Memphis Belle“ drehten.

Der Streifen ist ein Flieger-Epos über die Crew einer B-17, die als erste US-Bomberbesatzung im Zweiten Weltkrieg die geforderte Zahl von 25 Einsätzen über dem besetzen Europa ohne Verluste beenden konnte. So unbarmherzig die Luftkämpfe im Film aussehen mögen, so freundschaftlich klopften sich die beiden nach getaner Arbeit auf die Schulter. Schließlich ist Walker aus ähnlichem Holz geschnitzt wie Eichhorn. Beharrlich hat sich der Engländer vom Airline-Angestellten hochgearbeitet, über die Cockpits einer Handley Page Herald, Fokker Friendship, Lockheed Tri-Star und Boeing 757 auf den Kapitänssitz einer Boeing 747. Und damit keine Langeweile aufkommt, fängt er 1983 als Copilot auf der B-17 an, die er seit 1986 als Captain fliegt. Mit Männern aus solchem Schrot und Korn versteht sich Eichhorn ohne viele Worte – auch wenn Walker den kürzeren zog, als es um die Frage ging, wer den deutschen Jäger fliegen darf. Lust hätte er schon gehabt.

Die Piloten in der Hurricane und Messerschmitt sind „alte Feinde“

Am Steuer der Spitfire sitzt der nicht minder talentierte Warbirdpilot John Romain. Der Mann gehört zu der Riege Oldie-infizierter Menschen, die mit einem Schraubenschlüssel auf die Welt zu kommen scheinen: In den achtziger Jahren hat der Luftfahrtmechaniker, der bei British Aerospace sein Handwerk lernte, für die Warbirdsammlung des Museums in Duxford die erste Bristol Blenheim nach dem Krieg flugfähig restauriert. Schrauben allein reicht ihm allerdings nicht: Romain ergänzte im Laufe der Jahre beständig die Liste von Maschinen, die er geflogen ist, um Typen wie SE5a, Westland Lysander, Spitfire, Hurricane, Corsair und die Zweimotbrumme B-25 Mitchell. Unter dem Namen „Russell’s Raiders“ ziehen Eichhorn, Walker und Romain ein erstklassiges Programm auf der Airshow „Friendly Foes above the Falls 2005“ ab. Der Flugtag zum Gedenken an das Kriegsende vor 60 Jahren ist ein Erfolg, die Zuschauer sind begeistert.

Die Abfolge des Flugprogramms bedingt, dass die „109“ an der Spitze der Dreierformation fliegt. Ein grimmiger Romain muss seine PS-stärkere und schnellere Spitfire zügeln, um die anderen nicht zu überholen. Witzelnde Bemerkungen über seine abgehängte Position quittiert der Engländer schlagfertig: „Dafür habe ich die Me vor meinen Rohren gehabt.“ Nun drängt sich natürlich die Frage auf: Möchte Ed Russell selbst ans Steuer einer seiner Weltkriegsveteranen? Ja, aber nicht an das der Me 109. Sein klarer Favorit ist die Spitfire, die nach Eichhorns Urteil ein klein wenig einfacher zu fliegen ist: größeres Seitenruder, simplere Motorbedienung als bei der E-7. Um topfit für den englischen Jäger zu sein, hat Russell ein Original-RAF-Training auf der Chipmunk und seiner Harvard T-6 durchlaufen. Zudem wird er vermutlich die Möglichkeit bekommen, auf einem Spitfire-Doppelsitzer zu üben.

Und er hört auf den Rat seiner erfahrenen Piloten, denen er seine Schätzchen anvertraut hat. Ohne ihr „Go“ wird er vermutlich die Finger von den PS-Boliden lassen. So wie Eichhorn von der E-7? Schwer zu sagen, aber wie es aussieht, wird die „Weiße 14“ für ihn ein Intermezzo bleiben. Russell wünscht sich einen „109“-Piloten vor Ort. Zwar hätte er es gern gesehen, wenn Eichhorn die E-7 zusätzlich auf der Saskatchewan Centennial Air Show am 9./10. Juli vorgeführt hätte. Doch leider hatte dieser für jenes Wochenende schon eine Verabredung mit seiner alten Freundin D-FMBB. Die führte Eichhorn zum ersten Mal nach fünf Jahren Daueraufenthalt in Manching zum Oldtimertreffen nach Oberschleißheim aus. Und alte Freundinnen lässt man nicht im Stich. Außerdem war das schon lange mit den Leuten von der Messerschmitt-Stiftung ausgemacht. „Aber“, so der Genießer über seinen „109“-Appetit, „was ich von denen an Messerschmitt- Stunden zum Fliegen bekomme, davon werde ich manchmal einfach nicht satt.“

Text: Markus Wunderlich; Fotos: Eric Dunigan, Walter Eichhorn; fliegermagazin 11/2005

Technische Daten
Messerschmitt Bf 109 E-7
  • 1939, Werk-Nr. 3579
  • 9,90 m
  • 16,35 qm
  • 8,76 m
  • 2,45 m
  • über 2 t
  • über 2,6 t
  • Daimler Benz 601, 1160 PS
  • ca. 11 000 m
  • ca. 560 km
Schlagwörter
  • oldtimer
  • Formation
  • Spitfire
  • Duxford
  • Chipmunk
  • Warbird
  • Airshow
  • Oldie
  • Manching
  • B-25 Mitchell
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