Einmot

Oldtimer-Porträt: Rimowa Flugzeugwerke Junkers F 13

Dieter Morszeck, Chef des Kofferherstellers Rimowa, will einen Nachbau der Junkers F 13 zum Fliegen bringen. Das erste Ganzmetall-Passagierflugzeug der Geschichte hat eine Außenhaut aus gewelltem Alu – genauso wie die Rimowa-Koffer

Von Thomas Borchert
Oldtimer-Porträt: Rimowa Flugzeugwerke Junkers F 13

Dieter Morszeck greift zu einem Stück gewellten Aluminium-Blech, das auf dem Konferenztisch in seinem Büro liegt. Seine Augen leuchten vor Begeisterung: „Schauen Sie mal, wie die Rillen hier auslaufen. Bei Junkers war das einfach gequetscht. Unser Team dagegen glüht das Alublech und zieht es dann in Form. Das ist ein Riesenaufwand, es erfordert große Materialkenntnis.“ Solche Details sind dem Chef des Kofferherstellers Rimowa nicht nur wichtig – sie machen ihm Freude! „Wir können ja nicht einfach sagen: Eigentlich bauen wir Koffer, aber jetzt haben wir aus Spaß mal ein Flugzeug gebaut. Das muss alles perfekt sein.“ Dieter Morszeck will eine Legende wieder in die Luft bringen: Sein Team baut eine Junkers F 13, das erste Ganzmetall-Verkehrsflugzeug der Welt. 1919 flog die damals revolutionäre Maschine zum ersten Mal.

In einer Kabine mit zwei Sitzbänken hatten vier Passagiere Platz, Pilot und Mechaniker saßen davor in einem offenen Cockpit nebeneinander. Bei der F 13 verwendete Hugo Junkers erstmals eine Aluminium-Außenhaut mit Wellenstruktur – fortan ein Charakteristikum der Junkers-Entwürfe. Nur 13 Jahre zuvor hatte Alfred Wilm Duralumin erfunden: eine Legierung mit Kupfer- und Magnesium-Anteilen, die viel härter und fester als reines Alu ist. Ein neues Zeitalter für den Werkstoff Aluminium begann – und die Verwendung des leichten Metalls im Flugzeug- und Zeppelinbau wurde möglich. Die Bedeutung der Junkers F 13 für die Entwicklung der zivilen Luftfahrt lässt sich kaum überschätzen – und doch sind gerade mal eine Handvoll F 13 in Museen erhalten. Keine einzige ist flugfähig. Das wird sich nun ändern. Im September soll die F 13 der eigens gegründeten Rimowa Flugzeugwerke erstmals abheben.

„Ich will diese Maschine sicher fliegen können“

Die Maschine ist keine Restaurierung eines historischen Flugzeugs, sondern ein Nachbau – das führt zu Kompromissen, die manchen Puristen unglücklich machen würden. Morszeck ist das egal: „Ich bin kein Museumsdirektor. Ich werde dieses Flugzeug selbst fliegen. Also muss es sicher und zuverlässig sein.“ So waren Änderungen am Fahrwerk nötig. „Damals wurde von Grasplätzen geflogen“, erklärt Morszeck. „Also hatte die F 13 einen Schleifsporn am Heck – und weil der genug bremste, keine Bremsanlage am Hauptfahrwerk.“ Für ein Flugzeug ist das heute nicht mehr praktikabel: „Wir haben ein gefedertes Spornrad eingebaut, das von Junkers’ späterer Konstruktion W33 inspiriert ist. Und die gebremsten Haupträder stammen von der North American T-6.“ Größte Änderung ist der Motor: Auf den meisten alten Fotos sieht man die F 13 mit einer langen Schnauze, unter der sich ein Reihenmotor verbirgt.

Oft war es der Jumo L 5. „Der ist ein Problem“, sagt Morszeck trocken. Es gibt ein einziges Exemplar, das läuft – von 1927. „Niemand hat praktische Erfahrung mit dem Betrieb eines L 5. Für mich als Pilot einer Einmot ist es wichtig, dass ich mich auf den Motor verlassen kann.“ Also fiel die Wahl auf den R-985 Wasp Junior von Pratt & Whitney. „In den USA wurde die F 13 damals auch mit diesem Triebwerk angeboten.“ Viele zehntausend R-985 wurden bis in die fünfziger Jahre gebaut, der Motor fliegt heute noch etwa in Boeing Stearman und de Havilland Beaver. Wie kommt ein Kölner Unternehmer darauf, ein historisches Flugzeug nachbauen zu wollen? Der erste Erklärungsansatz geht über die Logik. Dass es einen Zusammenhang zwischen den Junkers-Konstruktionen und dem Kofferhersteller geben könnte, erkennt jeder, der schon mal ein Gepäckstück von Rimowa gesehen hat: Beide bestehen aus gewelltem Aluminium.

Treibende Kraft: Dieter Morszeck ist begeistert von der F 13

Dieter Morszeck leitet das Familienunternehmen schon in dritter Generation. Sein Vater Richard (Rimowa steht für Richard Morszeck Warenzeichen) begann in den vierziger Jahren damit, leichtes Gepäck aus Metall zu entwerfen. 1950 brachte er den Koffer heraus, für den Rimowa berühmt werden sollte: hergestellt aus Flugzeugaluminium, das mit Rillen versehen ist – inspiriert von Hugo Junkers’ Flugzeugen. 1972 stieg Sohn Dieter mit nur 19 Jahren in die Firma ein. Er setzte Anfang 2000 mit Riesenerfolg auf ein neues Material: Koffer aus Polycarbonat, ebenfalls mit Rillen. Das Material ist Piloten als Makrolon oder Lexan für Flugzeugscheiben bestens bekannt. Inzwischen steigt allerdings die Nachfrage nach Alu-Koffern wieder. Der zweite Erklärungsansatz geht über Gefühl und Leidenschaft. Dieter Morszeck als flugbegeistert zu bezeichnen, wäre eine massive Untertreibung.

„Ich weiß noch, wie ich als kleiner Junge zum ersten Mal ein Düsenflugzeug in Köln sah: eine Caravelle von Air France“, erzählt der 63-Jährige mit leuchtenden Augen. Eigentlich will er Berufspilot werden, doch dann steigt er in die väterliche Firma ein. „Ich bin Privatpilot geworden – mit großer Leidenschaft.“ Im Büro von Morszeck stehen Koffermodelle, Erinnerungen an die Geschichte des Unternehmens – und jede Menge Flugzeugmodelle. Der Schreibtisch ist aus dem Leitwerk einer DC-9 gebaut, der Stuhl dahinter war mal ein Martin-Baker-Schleudersitz. Eine Piper Archer wird das erste eigene Flugzeug, es folgen Malibu und Meridian. Heute betreibt Morszeck einen kleinen Business-Jet vom Typ Embraer Phenom 100 – die größere Phenom 300 ist bestellt. Der Kölner fliegt immer in Begleitung eines Berufspiloten: „Man hat ja eine große Verantwortung, auch für die Passagiere. Der werden wir zu zweit eher gerecht.“

„Wir verwirklichen Träume – das ist ein tolles Gefühl“

Die Maschine wird überwiegend dienstlich genutzt: „In Europa fliegen wir alles selbst. Mit der 300 wird das auch in den USA gehen – da reicht eine Zwischenlandung bei der Atlantiküberquerung.“ Seit einigen Jahren engagiert sich Morszeck als Unterstützer beim Verein der Freunde historischer Luftfahrzeuge (VFL) in Mönchengladbach. Die dort stationierte Junkers Ju 52, betrieben als eine von vier „Tante Ju“ der Schweizer JU-AIR, fliegt mit Rimowa-Schriftzug. „Die Maschine sollte aus dem Verkehr gezogen werden, das konnten wir dann verhindern. Darauf bin ich sehr stolz“, sagt Morszeck. So beginnt sie: die direkte Verbindung zu den Junkers-Flugzeugen. „Das ist eine tolle Gemeinschaft mit dem VFL und der JU-AIR„, schwärmt der Unternehmer. „Da kamen wir unter Piloten natürlich ins Träumen, besonders der VFL-Vorsitzende Bernd Huckenbeck, JU-AIR-Chef Kurt Waldmeier und ich: Warum nicht mit der Ju 52 über den Atlantik?“

2012 geht es nach Oshkosh – und weiter bis Los Angeles. „Über Schottland und Island nach Grönland, dann rüber nach Kanada – das war die schönste Reise, die ich jemals unternommen habe“, sagt Morszeck und schwärmt von den unglaublichen Blautönen der Eisschollen. Dann kommt die Idee mit der F 13 auf. Nach umfangreicher Recherche und der Vermessung eines Museumsexemplars in Le Bourget mit einem Laserscanner beginnen die Arbeiten in der Flugzeugschmiede von Dominik Kälin im Schwarzwald. Morszeck lässt Bleche und Profile aus der gewünschten Alu-Legierung herstellen – genug für drei Flugzeuge. Es folgt die fulminante Präsentation der zusammengebauten, aber noch nicht flugtauglichen F 13 in Oshkosh im vergangenen Sommer. „Das war ein Traum. Die Amerikaner waren begeistert“, erinnert sich der Rimowa-Chef.

Immer noch elegant: Die Form der F 13 hat über die Jahre nicht an Reiz verloren

Mit einem Vertreter des Oshkosh-Veranstalters EAA sitzt er an einem der Messetage in der Kabine, gleich hinter der Junkers ragt die A350 von Airbus auf. Plötzlich bricht es aus dem eher wortkargen EAA-Mann heraus: „Sie müssen verückt sein. Aber was Sie hier machen, ist einfach großartig!“ Für 2,2 Millionen US-Dollar bietet Morszeck die F 13 an – die erste soll nicht die einzige bleiben. Und er findet einige Käufer. Doch darüber spricht er noch nicht gern: „Erstmal bringen wir jetzt die erste in die Luft. Es ist phänomenal, mit welcher Leidenschaft unser Team dabei ist. Ich sehe keine Hürden oder unlösbare Probleme.“ Inzwischen steht die Maschine am Flugplatz Dübendorf in der Schweiz, Heimatbasis von JU-AIR. Instrumente und Steuerung werden eingebaut. Die Schweizerische Luftfahrtbehörde BAZL hat die Zulassung übernommen, die Zusammenarbeit ist ausgezeichnet, lobt Morszeck. Den Erstflug kann er kaum abwarten: „Dieses Flugzeug ist doch viel zu schade fürs Museum!“

Fotos: Rimowa, fliegermagazin 5/2016

Technische Daten
Über den Autor
Thomas Borchert

Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.

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