Echo-Klasse

Pilot Report: Cessna TTx

Eigentlich ist die TTx aus der Art geschlagen: eine Cessna-Kolbeneinmot – aber als Tiefdecker und aus Kunststoff. Das ursprünglich vom Kitplane-Hersteller Lancair entwickelte Muster ist die schnellste Serien-Kolbeneinmot mit Festfahrwerk

Von Thomas Borchert
Pilot Report: Cessna TTx

Cessnas Demo-Pilot Jason McCann und ich haben uns für den Reiseflug auf 8000 Fuß geeinigt. Nase runter, Leistung setzen und schauen, welche Speed sich einstellt. Das Handbuch gibt zwei Optionen vor: Best Power und Lean-of-Peak (LOP), also mit einem mageren Gemisch, das den turbogeladenen Motor kühler laufen lässt. Wir probieren zuerst Lean-of-Peak: Drehzahl auf 2500 rpm, Ladedruck auf 29,5 inch Hg, Krafstoffdurchfluss auf 16 Gallonen pro Stunde, also 61 Liter. Auf dem PFD werden, wie im Handbuch vorgegeben, 71 Prozent Leistung angezeigt, die Cessna beschleunigt auf 186 Knoten True Airspeed. Also das gleiche mit Best Power: Hier sind Dauerleistungen von bis zu 85 Prozent erlaubt. Bei 2500 Umdrehungen und 31,5 inch Hg ergeben sich dann 199 Knoten – und ein Spritverbrauch von 91 Liter pro Stunde! Die Handbuchwerte sind erreichbar. Die Einlasstemperatur des Turboladers (TIT) ist dann mit 1625 Grad allerdings recht hoch.

Noch drastischer wird es – laut Handbuch, wir probieren’s nicht aus – bei der Speed, mit der Textron die „schnellste Serien-Kolbenmotor-Einmot mit Festfahrwerk“ bewirbt: Mit 235 Knoten soll die TTx in FL250 unterwegs sein, bei einem Treibstoffdurchfluss von 95 Litern pro Stunde. Schnell! Das ist ein Hauptmerkmal der Cessna TTx. Schon am Boden sieht sie wie ein Sportcoupé aus, rassig und nach Speed. Aber sind wir ehrlich: 235 Knoten fliegt man mit diesem Flugzeug, wenn man nicht nur Tankstellen-, sondern Ölquellenbesitzer ist. Den meisten Piloten dürfte der Preis für fünf oder zehn Minuten Zeitersparnis pro Flug im Vergleich zur LOP-Einstellung einfach zu hoch sein. Aber auch damit schafft die Maschine je nach Flughöhe bei gleichem Spritverbrauch etwa 10 bis 15 Knoten mehr als die Cirrus SR22T.

Auf Speed getrimmt: Der schlanke Rumpf und die kleinen Kühlluftöffnungen tragen zur hohen Geschwindigkeit der Maschine bei

Rassig: Der TTx sieht man nicht nur ihre Geschwindigkeit an, sondern auch ihren Ursprung als Lancair

Die turbogeladene Variante der seit über zehn Jahren meistverkauften Kolben-Einmot ist der Maßstab, an dem sich der Kunststoff-Tiefdecker von Cessna messen muss – zumal ihr bislang nicht annähernd der Markterfolg der Cirrus vergönnt ist. Nach den Speed-Messungen machen wir ein paar Kurven und Höhenwechsel, um das Handling der TTx zu prüfen: Die Ruderkräfte sind harmonisch, der Sidestick liegt gut in der Hand. Er ist ein Steuerknüppel, also ein Stab mit einem Drehpunkt am unteren Ende, um den er in alle Richtungen gekippt wird.

Anders bei der Cirrus: Dort ragt ein „Seiten-Steuerhorn“ aus dem Panel, ähnlich einem konventionellen Steuerhorn, bloß mit nur einem Griff. An beides gewöhnt man sich sehr schnell, ebenso an die rein elektrische Trimmung. Die TTx ist nicht als Normalflugzeug zugelassen, sondern mit höheren g-Limits in der Utility Category. Das zeigt sich in der relativ hohen Va von 158 KIAS. Nach vorn könnte die Sicht in der TTx besser sein: Die relativ geringe Höhe der flach geneigten Frontscheibe ist der auf Speed ausgelegten Rumpfform geschuldet. Seitlich reichen die Fensterausschnitte nicht besonders tief hinunter, was besonders den Passagieren im Fond den Ausblick etwas erschwert.

Nicht nur Tiefflug: Dank eines Abgas-Turboladers steigt die TTx bis auf Flugfläche 250

Erstaunlich ist die Wirkung der aufblasbaren Türdichtungen: Sie reduzieren den Lärm im Cockpit sehr effizient. Unglücklich ist das Handling der Flügeltüren, die am Boden den Sportwagen-Look der Maschine schön betonen: Sitz man im Flugzeug, sind die Türflügel unerreichbar, man zieht sie mit einem provisorisch wirkenden Lederriemen herunter. Dann stellt man fest, dass sich der Drehgriff zum Verriegeln der Tür hinter dem Piloten auf Höhe der Rückenlehne befindet …Wenden wir uns dem Panel zu: Die TTx ist derzeit die einzige Kolbeneinmot mit dem neuen G2000-Glascockpit von Garmin. Und das ist ein Hochgenuss: Welten trennen die Benutzung dieser Avionik von der des inzwischen zwölf Jahre alten Vorgängers G1000. Die Bildschirmdarstellung wirkt sehr viel moderner und aufgeräumter; auf dem im Vergleich zum G1000 breiteren Multifunktionsdisplay finden jetzt nebeneinander Motordaten und zwei Kartenfenster Platz.

So kann die traditionelle Moving Map gleichzeitig mit der Anflugkarte dargestellt werden. Die Bedienung des G2000 erfolgt sehr intuitiv über einen berührungsempfindlichen Touchscreen in der Mittelkonsole. Stützt man die Hand an dessen Rahmen ab, ist die Bedienung auch bei Turbulenz kein Problem. Größter Vorteil des Touchscreens: Die auf dem Bildschirm anzeigten „Schalter“, also die Tippflächen, sind immer mit Beschriftungen oder Symbolen versehen, aus denen die Bedeutung leicht erkennbar ist. Das erleichtert die Bedienung enorm. Frequenzen und Wegpunkte werden nicht eingedreht, sondern auf einer virtuellen Tastatur eingetippt. Die Systemintegration ist hoch: Sogar Lüftung und Klimaanlage werden über den Touchscreen gesteuert. Entsprechend aufgeräumt sieht das Panel aus. Am linken Rand befindet sich das digitale Backup-Instrument sowie ein Sensor zur Messung des Sauerstoffgehalts im Blut des Piloten – wichtig bei Höhenflügen mit Sauerstoffversorgung.

Abwärts: Wenn es schnell runter gehen muss, helfen die serienmäßig eingebauten Speed Brakes

Der Pilot steckt seinen Finger in den Sensor, dann zeigt das MFD den Messwert an. Es ist eine wechselvolle Geschichte, die die Cessna TTx hinter sich hat: Ursprünglich brachte der für schnelle Kitflugzeuge bekannte Hersteller Lancair das Muster Ende der neunziger Jahre als Columbia auf den Markt. Das erste voll zertifizierte Flugzeug von Lancair gab es in einer Version mit und ohne Turbolader – doch die Produktion kam nicht so recht in Gang. 2007 kaufte Cessna die Modellreihe auf und gab ihr später den Namen Corvalis. Die Kunststoffproduktion wurde nach Mexiko verlegt, wo es 2010 zu Qualitätsproblemen und einem Produktionsstopp kam. Inzwischen baut man nur noch die turbogeladene Version, die von Textron Aviation – so heißt der Verbund aus Cessna, Beechcraft und Bell Helicopters – als Cessna TTx vermarktet wird. Offiziell heißt das Modell T240. Es hat derzeit keine EASA-Zulassung, wird also auch in Europa mit US-Registrierung geflogen.

Hochbeinig: Die Cessna TTx hat am Boden eine deutliche „Sportcoupé“-Ausstrahlung. Die Spurbreite der Haupträder ist relativ gering

Wenn es um die Zuladung der Maschine geht, ist die Sache komplizierter, als die Angabe der MTOM von 1633 Kilo vermuten lässt: Die Maschine hat eine maximale Landemasse von nur 1551 Kilo: Startet man voll beladen, müssen 82 Kilo oder 113 Liter Sprit verflogen werden, bevor eine legale Landung möglich ist. Das entspricht etwa zwei Stunden Flugzeit. Mehr noch: Die TTx hat eine Maximum Zero Fuel Mass (MZFM) von 1497 Kilo. Über diesen Wert hinaus darf nur noch Treibstoff geladen werden. Das schränkt die Zuladung ohne Avgas auf 318 Kilo ein – immer noch ein guter Wert, aber gerade auf kürzeren Strecken ergibt sich eine eingeschränkte Flexibilität bei der Wahl zwischen Sprit oder Passagieren. Die optional für 54 000 US-Dollar erhältliche TKS-Flüssigenteisung mit Zulassung für bekannte Vereisungsbedingungen bringt zwischen 20 und 62 Kilo Masse mit, je nachdem, wie viel TKS-Flüssigkeit an Bord ist.

Zum Vergleich: Die SR22T wiegt mit Enteisung leer etwa 1100 Kilo, sie darf bei Start und Landung bis zu 1633 Kilo wiegen, die MZFM beträgt 1542 Kilo. Mit Enteisung kostet sie in einer etwa vergleichbaren Ausstattung 812 800 US-Dollar; die TTx 853 000. Dafür gibt es bei der einen Maschine ein Gesamtrettungssystem, bei der anderen mehr Speed und die modernste derzeit verfügbare Avionik. Nun darf der Markt entscheiden – gut, dass es eine Auswahl gibt.

Fotos: Christina Scheunemann, fliegermagazin 8/2015

Technische Daten
Cessna TTx (T240)
  • Textron Aviation, Wichita, Kansas, USA, textronaviation.com
  • 10,97 m
  • 13,12 qm
  • 7,68 m
  • 2,74 m
  • 1179 kg
  • 1633 kg
  • 386 l
  • Continental TSIO-550-C / 310 PS
  • Hartzell 3-Blatt, Metall, Constant Speed, 1,98 m
  • 57 l/h
  • ab 799 000 US-Dollar
  • Lisa Ferrari, 0172/160 43 29, lferrari@txtav.com
Über den Autor
Thomas Borchert

Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.

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