Echo-Klasse

Pilot Report: Cirrus SR22T G5

Die fünfte Generation der seit Jahren meistverkauften Kolben-Einmot hat eine um 91 Kilo erhöhte Zuladung und fünf Sitzplätze. Bei einem Ausflug mit voller Besetzung testen wir, wie sich die aktuelle Cirrus fliegt

Von Thomas Borchert
Pilot Report: Cirrus SR22T G5

Fünf Sitzplätze und dann noch genug Zuladung, um sie alle füllen zu können: Mit diesem Versprechen bewirbt der US-Hersteller Cirrus Aircraft seit Anfang des Jahres die Generation 5 seiner Flugzeuge als „The Most Cirrus Ever“. Höchste Zeit also, mit der Vorführmaschine des Deutschland-Händlers die Probe aufs Exempel zu machen: Zu fünft wollen wir mit der SR22T einen schicken Ausflug unternehmen. Zwei Paare, ein Kind – diese praxisnahe Besatzung stellen wir mit Kollegen nach: An Bord sind Jan-Peter Fischer und Jane Kurowski von CD Aircraft, der Cirrus-Vertretung für Deutschland, Österreich und die Schweiz, sowie vom fliegermagazin Chefredakteur Thomas Borchert und Fotografin Christina Scheunemann. Jane Kurowski bringt ihren fünf Jahre alten Sohn Til mit. Wo soll’s hingehen an diesem wunderschönen Herbsttag?

Die Weight & Balance-Berechnung ergibt, dass wir Avgas für gut 3,5 Stunden Flugdauer bei 65 Prozent Leistung mitnehmen können. Ach, da geht so einiges: Bornholm, Hamburg oder je nach Reservebedürfnis auch München und Sylt wären von unserem Ausgangsort Schönhagen (EDAZ) südlich von Potsdam machbar – hin und zurück, ohne Tanken. One-way sind Wien oder Basel gar kein Problem, je nach Wind und Wetter liegt sogar Venedig in Reichweite. Aber wir haben leider nicht mal Zeit für den 45-Minuten-Hüpfer nach Heringsdorf. Also entscheiden wir uns für einen ausführlichen Rundflug um Berlin herum. Wetter und Herbstlaub sind viel zu schön, um sich über das zu ärgern, was wir überfliegen: Tempelhof – seit genau fünf Jahren geschlossen. BER – in fünf Jahren immer noch nicht eröffnet? Mit fünf Stimmen im Intercom ist richtig was los – irgendwer entdeckt immer etwas Neues am Boden, das den anderen gezeigt werden muss.

Fliegermagazin-Testflug: Zu fünft wollen wir mit der SR22T einen schicken Ausflug unternehmen

Fröhlich: Die fünfköpfige Testbesatzung beim Mittagsstopp in Oehna

Aber die Avionik kann zum Glück „crew isolate“. Seit über zehn Jahren ist die SR22 von Cirrus Aircraft aus Duluth im US-Bundesstaat Minnesota in ihren zwei Varianten mit 310-PS-Saugmotor oder 315-PS-Turbo-Triebwerk nun schon die meist verkaufte Kolben-Einmot der Welt. Zusammen mit ihrer schwächer motorisierten Schwester SR20 hat sie den Standard für diese Flugzeugklasse neu definiert: Kunststoffbauweise, Glascockpit und Gesamtrettungssystem sind die drei wohl wichtigsten Neuerungen, die Cirrus in der Echo-Klasse etabliert hat. Weitere Innovationen sind der Sideyoke, die TKS-Flüssigenteisung mit Zulassung für Flüge in bekannte Vereisungsbedingungen (Flight Into Known Icing, kurz FIKI) sowie die Weiterentwicklung des Glascockpits Garmin G1000 zum Cirrus Perspective by Garmin mit Tastatur und sehr hoher Integration mit den Flugzeugsystemen.

Anfang dieses Jahres präsentierte Cirrus die Generation 5, kurz  G5. Zuvor gab es schon G2 und  G3, die vierte Generation wurde übersprungen. G5 ist – zumindest für SR22 und SR22T – das Ergebnis einer Ingenieursmeisterleistung: Die MTOM wurde um 91 auf 1633 Kilo erhöht. Gleichzeitig konnte so viel Gewicht in der Konstruktion eingespart werden, dass die 91 Kilo voll als Zuladung zur Verfügung stehen – trotz Verstärkungen bei Hauptholm, Fahrwerk und Landeklappen. Hauptaufgabe der Ingenieure war die Entwicklung eines größeren Fallschirms samt stärkerer Rakete für das Gesamtrettungssystem CAPS (Cirrus Airframe Parachute System), mit dem das Flugzeug trotz höheren Gewichts mit weniger Energie unten ankommt. Als zusätzliche Option für in Not geratene Piloten hat sich das Rettungssystem in der Praxis inzwischen bestens bewährt. Der Markt hat die G5 mit Begeisterung angenommen, schon im September war die 2013er-Produktion ausverkauft. Prompt kündigte Cirrus im Herbst die Neuerungen für 2014 an, die allerdings keine Generation 6 rechtfertigen.

Die Kunst der Aerodynamik: Trotz Festfahrwerk erreicht die Cirrus dank enger Verkleidungen hohe Geschwindigkeiten

Wird’s eng da hinten? Unsere drei Mitflieger verneinen vehement und glaubhaft. Die Dreier-Bank hatte Cirrus schon 2012 als Option eingeführt; mit der G5 wurde sie Standard. Wir haben die Damen und das Kind hinten platziert – die Schwerpunktlage erlaubt zwar auch andere Kombinationen, doch die Vorgaben im Handbuch sind streng: Die drei Personen im Fond müssen mit Rücken und Schultern problemlos nebeneinander an die Lehne passen, sonst dürfen nur zwei mit. Die Anforderung ist der Sicherheit im Crash-Fall geschuldet. Zu dritt geht’s also nur mit schmalen Erwachsenen, Teenagern oder einer Kombination mit Kind – trotz der bis zu 1,24 Meter breiten Kabine. Das ist allerdings kein echtes Problem, denn selbst mit der höheren Zuladung ist bei 500 bis 600 Kilo Schluss, je nach Ausstattung der Maschine.

Aber keine Frage: Mit der Generation 5 ist die SR22 eine der wenigen Einmots geworden, die mit vier Erwachsenen, Gepäck und Sprit an Bord nicht automatisch überladen ist. Übrigens hat die G5 ein Zero Fuel Weight von 1542 Kilo – darüber muss jede weitere Ladung Avgas sein. Auch das ist kein gravierendes Problem, denn die 126 Liter, die der Differenz zur MTOM entsprechen, möchte man wohl ohnehin mindestens dabeihaben. Südlich der Hauptstadt sehen wir uns die historischen Bücker-Werke in Rangsdorf von oben an, dann haben wir Hunger. Per Funk bestellt Jan-Peter Fischer schon mal Strammen Max und Bratwurst im Stolpervogel, dem Flugplatzrestaurant in Oehna (EDBO). Kurz vor der Platzrunde ziehe ich die Bremse: Die Landeklappen der G5 dürfen schon bei 150 Knoten auf 50 Prozent gefahren werden und wirken dann wie Air Brakes.

Am Ziel: Die Cirrus bei der Landung in Oehna – Strammer Max und Bratwurst sind schon bestellt

Mit 80 Knoten geht es über den Flugplatzzaun, beim Quieken der Überziehwarnung setzen wir auf – und so soll es nach den Vorgaben des standardisierten Cirrus-Trainings auch sein. Das Steuern am Boden wird mit Seitenruder und leichtem Antippen der Bremsen erledigt. Das ungelenkte Bugrad weist auf eine weitere Erkenntnis hin, die Cirrus populär gemacht hat: Wenn man ordentlich verkleidet, braucht man kein Einziehfahrwerk, um schnell zu sein. In Zahlen: Bei unseren Spritberechnungen sind wir von moderaten 65 Prozent Leistung ausgegangen. Dabei verbraucht die Turbo 55 Liter pro Stunde. In unserer Sightseeing-Höhe von 2000 Fuß GND waren wir da schon mit 154 Knoten True Airspeed unterwegs. In FL100 kämen wir auf 164 Knoten. Und weil die Turbo bis FL250 ihre Leistung beibehält und mit eingebauter Sauerstoffanlage geliefert wird, wären 176 Knoten in FL180 oder 188 Knoten in FL250 drin. Ohne Rücksicht auf Verbrauch und Kosten sind 85 Prozent Dauerleistung erlaubt.

Das ergibt 213 Knoten in FL250 bei fast 70 Litern pro Stunde. Beim Mittagessen auf der Restaurant-Terrasse blättern wir durch die Preisliste. Über die Jahre hat Cirrus eine Palette von Optionen entwickelt, von denen etliche schon in der Basisversion enthalten sind, andere einen Aufpreis kosten. Das Spektrum reicht vom GFC-700-Autopiloten mit Envelope Protection, die vor Stalls, Overspeed und zu steilen Kurven schützen kann, bis zu einer vom Computer je nach Leistungseinstellung errechneten Vorgabe für den Fuel Flow, der den Motor optimal versorgt. Wird der Pilot durch Sauerstoffmangel bewusstlos, sinkt die Maschine automatisch auf FL120. Es gibt Verkehrs- und Gewitterwarner, eine Nachtsicht-Infrarot-Kamera, das Wetterabruf- und Satellitentelefonsystem Global Connect und eine Fülle von Farb- und Ausstattungsvarianten.

Hauptquartier: CD Aircraft, die deutsche Cirrus-Vertretung, sitzt am Flugplatz Schönhagen

All das hat seinen Preis: Die SR22 kostet in der Basisversion 481 900 US-Dollar netto, 100 000 mehr kommen durch erstrebenswerte Extras schnell zusammen. Doch am Ende steht eine Reisemaschine im Rundum-Paket, das kaum Wünsche offen lässt – nicht einmal mehr in Sachen Zuladung. Die „meiste Cirrus aller Zeiten“? Naja, bis zur Generation 6 …Weight & Balance: 3600 US-Pfund, also 1633 Kilo darf die G5 höchstens wiegen (1 lbs entspricht 0,454 kg). Unsere Rechnung mit der kostenlosen App Cirrus ProFlite ergibt: Mit zwei nicht ganz leichten Männern, zwei Frauen und einem fünfjährigen Kind können wir bei halbvollen Enteisungstanks und 9 Kilo im Gepäckraum noch 51 Gallonen Avgas tanken, also 194 Liter. Das reicht für mehr als 3,5 Stunden Flugzeit. Und: Egal, wer von den Erwachsenen auf welchem Platz sitzt – der Schwerpunkt bleibt im Limit

Auch wenn es mal keine großen Innovationen gibt, so betreibt Cirrus Aircraft in Anlehnung an die Autoindustrie in jedem Jahr eine sanfte Modellpflege. Die auffälligste Neuerung im kommenden Jahr sind die stromlinienförmig in Flügelspitzen und Rumpf integrierten LED-Leuchten, die weit über die vorgeschriebene Ausrüstung hinausgehen: Die Schwanzflosse kann angestrahlt werden, ebenso der Boden rund ums Flugzeug für die nächtliche Vorflugkontrolle, selbst ein einfach nur hübsches „halo accent lighting“ ist eingebaut – all das kann per Funkfernbedienung auch von Ferne aktiviert werden. Eine neue Auswahl von leuchtenden oder eleganten Farben ist nun verfügbar, selbst British Racing Green ist dabei. Bremsen und Räder werden künftig vom französischen Hersteller Beringer Aero geliefert – sie sind leichter als die alten Modelle und erlauben die Nutzung schlauchloser Reifen.

Fotos: Christina Scheunemann; fliegermagazin 12/2013

Technische Daten
Cirrus SR22 / SR22T
  • Cirrus Aircraft Duluth, MN, USA
  • 11,68 m
  • 13,47 qm
  • 7,92 m
  • 2,70 m
  • ab 1022 / 1060 kg
  • 1633 kg
  • 348 l
  • Continental IO-550-N, 310 PS / TSIO-550-K, 315 PS
  • 67 / 62 lph
  • 330 / 462 m
  • 359 m
  • ab 481 900 US-Dollar / ab 581 900 US-Dollar
  • CD Aircraft GmbH, Flugplatz Halle C4, 14959 Schönhagen, Telefon: 0337 31 / 70 64-13, www.cdaircraft.de
Über den Autor
Thomas Borchert

Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.

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