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Pilot Report: So fliegt die Bristell B23 von BRM Aero

Bei Nacht und nach Instrumenten fliegen – das sind Optionen, mit denen der tschechische Hersteller BRM Aero seinen Kundenkreis erweitert: Die B23 ist voll luftfahrtzugelassen, inklusive Rettungssystem. Mit 750 Kilo Höchstabflugmasse kann der Ganzmetall-Tiefdecker zwei schwere Insassen und reichlich Gepäck zuladen – und zwar vollgetankt.

Von Redaktion
Pilot Report: So fliegt die Bristell B23 von BRM Aero
Cooles Farbdesign: Die Lackierung betont die Verjüngung der wenig zugespitzen Trapezfläche. Ihr silberner Bereich er- scheint nahezu elliptisch. Foto: Jean-Marie Urlacher

Die Wetterprognose hat gute Sichtflugbedingungen ohne Einschränkungen versprochen. Jetzt sitzen wir in dichtem Nebel am Flugplatz von Kunovice. Zehn Tage lang. Also machen wir aus der Not eine Tugend und nutzen die Zeit, um BRM Aero richtig gut kennenzulernen. Wir übernehmen den Rhythmus des Werks, tauschen uns mit Angestellten und Geschäftsführung aus und befassen uns eingehend mit dem Flugzeug, das der Anlass für unsere Reise war: die Bristell B23 von BRM Aero, ein 100-PS-Zweisitzer, dessen Typenbezeichnung auf die CS-23-Zulassung hinweist. Wir konnten aber die stärkere Version mit Rotax 915 iS (141 PS) fliegen.

Kunovice – man kann nicht über BRM Aero schreiben, ohne die Firmen-Homebase im Südosten der Tschechischen Republik zu würdigen. Die Region ist eine Wiege der tschechischen Luftfahrt – Tausende von Flugzeugen entstanden hier! In dieser Gegend liegt auch die Stadt Zlin – ein Name, der für eine der populästen Flugzeugmarken des Landes steht. In Napajedla wird die Savage gefertigt, in Brünn der Alto, im slowakischen Senica der Shark. In Kunovice sind gleich mehrere Firmen angesiedelt.

Bristell B23 von BRM Aero im Test: Wie fliegt sich der Zweisitzer?

LET, die älteste von ihnen, existiert seit 1935 (Aero 45, L-29 Delfin, L-200, L-410 und so weiter). Bis zur Auflösung der Sowjetunion beschäftigte der Flugzeugbauer rund 5500 Mitarbeiter. Danach hat sich ein Teil von ihnen in alle Welt verstreut. Manche sind bei LET geblieben, andere haben ihre eigene Firma gegründet. So entstanden im Leichtflugzeugbau Evektor (EuroStar, SportStar) und Czech Sport Aircraft (PS-28). Und schließlich auch BRM Aero (siehe Kasten Seite 17).

Innenleben: Alle Systemkomponenten der B23 sind hochwertig. Foto: Jean Marie UrlacherInnenleben: Alle Systemkomponenten der B23 sind hochwertig. Foto: Jean Marie Urlacher

Deren B23 hat seit Oktober 2020 die CS-23-Zulassung. Anders als die äußerlich ähnlichen UL- und LSA-Versionen desselben Herstellers, die 150 Kilo weniger Höchstabflugmasse haben, darf die B23 auch bei Nacht nach Sicht betrieben werden.

Quer- und Höhenruder der B23 werden über Stangen bedient

Die Struktur der B23 besteht aus Aluminium, wobei die rund 1700 Teile klassisch nach Luftfahrtstandard vernietet sind – eine robuste Technik. Zur Abdichtung versiegelt der Hersteller die Nietbohrungen mit Kunstharz. Quer- und Höhenruder werden über Stangen betätigt, was eine präzise Steuerung verspricht, das Bugrad ist mit den Seitenruderpedalen gekoppelt.
Außer den Beinen des Hauptfahrwerks bestehen nur wenige Teile aus faserverstärktem Kunststoff: Spinner, Motorhaube, Winglets, Radverkleidungen, Rumpf-Flügel-Übergänge, Seiten- und Höhenleitwerksabschlüsse sowie der Übergang vom Rumpf zur Seitenleitwerksflosse. 

Blitzblank: Bei BRM könnte man vom Boden essen! Hier eine Flotte B23 vor der Auslieferung, in der Mitte die neue FB8, ein freitragender Hochdecker.

Das Erste, was mir an dem Flugzeug auffällt, ist seine Tragfläche, die ganz ohne aerodynamische Anhängsel auskommt – was auf ein hochwertiges Design hindeutet. Für die Flügelwurzel hat Konstrukteur und BRM-Aero-Chef Milan Bříštěla ein anderes Profil (MS 316) gewählt als fürs Flügelende (MS 313) – die aerodynamische Schränkung verspricht ein gutmütiges Abreißverhalten.

Zwei Gepäckfächer im Flügel, rechts und links, fassen jeweils 20 Kilo, zusätzlich lassen sich hinter den Insassen 15 Kilo Gepäck verstauen. Die Flächentanks fassen 120 Liter und ermöglichen bis zu fünfeinhalb Stunden Flugzeit.

Alle wichtigen Bedienelemente sind gut zu erreichen

Das Cockpit ist dank Trittstufe hinterm Flügel leicht zu erreichen. An einem Griff zwischen den Rückenlehnen kann man sich festhalten, bevor man in das luxuriös mit Leder ausgestattete Cockpit gleitet. Dort überrascht mich das großzügige Platzangebot. 1,30 Meter Breite an den Schultern – das ist beachtlich. Die Sitze fühlen sich sofort bequem an, Armlehnen gibt es an den Bordwänden, das Instrumentenbrett ist übersichtlich und gut ausgestattet: Garmin G3X Touch, GNC 255A NAV/COM plus VOR-Antenne, GTX 345R Transponder, Autopilot GMC 307, Anstellwinkelmesser GAP 26 AOA, Back-up-Batterie fürs G3X, rote LED-Beleuchtung für Nachtflug.

»Wir hatten nicht vor, eine analoge Instrumentierung anzubieten, weil der Preis solcher Instrumente, wenn sie zertifiziert sind, dem der Garmin-Ausstattung entspricht«, erläutert Milans Sohn Martin, der Mitbesitzer von BRM Aero ist. Gashebel, Propellerverstellung, Benzinwahlschalter, Wölbklappenhebel, Steuerknüppel mit Trimmtasten für Quer- und Längsachse, der Griff des Rettungssystems – sämtliche Bedienelemente sind perfekt erreichbar.

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Die Pedale lassen sich per Zuglasche verstellen. Mit den Füßen werden Beringer-Bremsen bedient. In seitlichen Ablagen kann man Karten und andere Dokumente verstauen. Alles wirkt gut durchdacht.

Die Haube ist ganz besonders konstruiert

Ich fliege mit Mirek Rakusan, dem Werkstestpiloten. Als wir die Kabinenhaube schließen, kommt das angenehme Gefühl auf, wie in einer robusten Eierschale geschützt zu sein. Die Haube, erfahre ich, sei so konstruiert, dass sie die Insassen bei einem Überschlag schützt.

Passgenau: Für die Gepäckfächer in der Tragfläche werden spezielle Taschen angeboten. Beide Seiten dürfen mit jeweils 20 Kilo beladen werden.

Null Grad Außentemperatur, Wind mit zwölf Knoten aus 210 Grad, QNH 1020, in den Tanks sind 66 Liter Benzin. Wir rollen zur Piste 20. Klappen auf Stufe eins. Mirek funkt mit dem Turm und hebt den Daumen, um mir zu signalisieren, dass wir loskönnen. Vollgas! Der hydraulisch verstellbare Dreiblatt-Prop verleiht der B23 eine gute Beschleunigung (ein Festprop ist nicht vorgesehen). Bei 75 Knoten steigen wir mit zirka 650 Fuß pro Minute. Nach wenigen Minuten reduzieren wir die Drehzahl von 5750 rpm auf den dauerhaft zulässigen Maximalwert von 5500 rpm, den Ladedruck, 27 inch Hg, behalten wir bei. Weiter im Steigflug auf 7500 Fuß, wo ich das Handling ausprobiere.

Bristell B23 hat eine stabile Plattform

Die Ruderansprache ist sehr homogen. Ich hatte weniger Steuerkraft um die Längsachse erwartet, aber das ist in Ordnung, vor allem wenn man den Einsatz des Flugzeugs in der Ausbildung bedenkt. Die B23 liegt satt in der Luft, eine stabile Plattform.

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Wir wollen verschiedene Reisegeschwindigkeiten wählen. Zunächst 5000 rpm und 22,3 inch Hg Ladedruck – das entspricht 75 Prozent Leistung. Der Fahrtmesser verrät uns eine True Air Speed von 108 Knoten in 7500 Fuß, der Spritdurchfluss zeigt moderate 23 Liter pro Stunde an. Bei 55 Prozent Leistung (4360 rpm, 22,5 Ladedruck) sinkt die TAS auf 100 Knoten und der Kraftstoffverbrauch auf 21 Liter pro Stunde.

Die Bristell B23 ist auch für die Ausbildung geeignet

Meine Überziehversuche offenbaren die Eigenschaften, die Milan Bříštěla bei der Konstruktion eines sicheren Flugzeugs angestrebt hatte. In allen Konfigurationen nickt die B23 sanft über die Nase ab, ohne jegliche Tendenz zu rollen. Dabei bleiben die Querruder gut wirksam – normalerweise sind Querruderausschläge dicht am Strömungsabriss ein No-go. Später wird mir Milan erklären: »Es passiert so oft, dass Flugzeuge beim Eindrehen in den Endanflug ins Trudeln geraten. Wenig Fahrt, viel Schräglage und gegensinniges Querruder. Ich entwerfe lieber ein Flugzeug, das gar nicht erst ins Trudeln kommt, als eines, das so konstruiert ist, dass es sich zwar recovern lässt, wofür der Pilot aber keine Zeit hat.«

Wir kehren zum Platz zurück, simulieren einen Motorstillstand und drehen noch ein paar Runden. Auch hier habe ich den Eindruck, dass die B23 nicht nur für private Besitzer, sondern auch für die Ausbildung geeignet ist. Sie gleitet gut, und die Ruderansprache bleibt auch ohne Propellerstrahl präzise. Mit seiner geringen Landegeschwindigkeit von knapp über 40 Knoten kann der Zweisitzer notfalls auch auf einer kurzen Wiese runter.

Die B23 mit dem Rotax 915 iS dürfen wir auch testen

Nach der Rückkehr fragt Martin Bříštěla, stets fröhlich und begeisterungsfähig, nach meinen ersten Eindrücken. Ich sage: »Na ja, die Reisegeschwindigkeit ist nicht gigantisch, aber Clubpiloten wird die B23 glücklich machen.« Daraufhin verschwindet der Co-Chef im Hangar und kommt ein paar Minuten später zurück: »Die Mechaniker bereiten die B23 mit dem Rotax 915 iS vor. Ich möchte, dass Du sie ausprobierst!« Also machen Mirek und ich uns wenig später auf den Weg zu einer weiteren Runde.

Im Prototyp der 915er-B23 gibt’s nur auf der linken Seite Instrumente, und die Motorhaube ist noch nicht lackiert. Wieder geht es zur Startbahn 20, doch ich stelle fest, dass ich nicht das gleiche Flugzeug steuere. 41 PS mehr Leistung erzeugen eine ganz andere Beschleunigung, ich rotiere früh, und beim Steigen mit 75 Knoten, der gleichen Speed wie mit der 100-PS-Version, zeigt das Vario jetzt 1900 Fuß pro Minute!

Bei 55 Prozent Leistung ergibt sich eine TAS von 107 Knoten

Verkehrsbedingt bleiben wir für unsere Messungen auf 5000 Fuß. Bei 55 Prozent Leistung (27,6 inch Hg Ladedruck, 5000 rpm) ergibt sich eine TAS von 107 Knoten, wobei der aufgeladene Einspritzmotor 20 Liter pro Stunde nimmt. Das ist weniger als der Rotax 912S, ein Vergasermotor, bei der gleichen Geschwindigleit und 75 Prozent Leistungseinstellung verbraucht. Das heißt also, dass der 915 iS auch bei niedriger Leistungsanforderung, etwa im Schulbetrieb, wirtschaftlich läuft, aber ganz neue Möglichkeiten im Schnellflug eröffnet: Bei 75 Prozent Leistung erreichen wir 122 Knoten TAS (in 4000 Fuß) und verbrauchen 27 Liter pro Stunde. Ein Test mit maximaler Dauerdrehzahl (5500 rpm) und 43 inch Hg Ladedruck ergibt 140 Knoten und 42 Liter pro Stunde.

Mit dem Testpilot unterwegs Mirek Rakusan fliegt alle Maschinen von BRM Aero, bevor sie das Werk verlassen.

Ein wenig mehr Rollstabilität würde ich mir wünschen, aber man darf nicht vergessen, dass beim Cruisen mit hoher Geschwindigkeit meist der Autopilot eingesetzt wird, und das erhöht den Komfort.

Die Maschine bietet 219 Kilo Nutzlast

Zurück zur zertifizierten 100-PS-Version. Bei 445 Kilo Leermasse und 750 Kilo MTOM bietet die Maschine trotz voller Tanks 219 Kilo Nutzlast. Das wären zum Beispiel zwei 95 Kilo schwere Personen mit 29 Kilo Gepäck. »Ich möchte nicht, dass sich die Piloten meiner Flugzeuge zwischen Sprit und Personen- beziehungsweise Gepäckzuladung entscheiden müssen«, sagt Milan Bříštěla, das sei auch bei seinem geplanten Viersitzer so: »Wir werden vier Personen, volle Tanks und Gepäck problemlos unterbringen können.«

Der Viersitzer dürfte genauso beeindruckend sein wie der Zweisitzer. Und so wünsche ich mir, wenn es soweit ist, wieder eine falsche Wetterprognose, die mich zehn Tage im Werk festhält.

Firmengeschichte BRM Aero

Unter den Luftfahrtunternehmen am Flugplatz von Kunovice ist BRM Aero die modernste Firma. Ihre Gebäude erstrecken sich auf 7000 Quadratmetern. Dazu gehört ein Hangar, der erst 2019 gebaut wurde. Die Hausherren sind Milan und Martin Bříštěla, Vater und Sohn, deren Anfangsbuchstaben dem Unternehmen seinen Namen gaben.

Milan, 63, ist ein Luftfahrtingenieur mit beeindruckendem Lebenslauf, ein wandelndes Lexikon. »Der Lehrer« wäre ein Spitzname, der gut zu ihm passen würde. Ende der siebziger Jahre absolvierte er ein Ingenieursstudium mit Schwerpunkt Entwicklung und Produktion von Luftfahrzeugen an der Militäruniversität in Brünn. Anschließend arbeitete er als Spezialist für die Analyse von Materialermüdung bei LET.

1993 wurde Milan Bříštěla Geschäftsführer bei Evektor, danach kümmerte er sich acht Jahre lang als Vertriebsleiter um den Eurostar. Von dort führte ihn sein Weg zu Czech Aircraft Works (CZAW), wo er Technischer Direktor und Produktionsleiter wurde. CZAW fertigte die populären Zenair-Typen CH-601 Zodiac und CH-701 zunächst in Lizenz, später in Eigenregie. Für CZAW entwarf Bříštěla die Mermaid, ein zweisitziges Amphibien-Flugboot, sowie die Parrot, aus der die PS-10 Tourer hervorging, ein freitragender Hochdecker für den amerikanischen LSA-Markt (dieses Flugzeug hat Bříštěla zur neuen B8 inspiriert).

Im Jahr 2007 gründete er mit einem Geschäftspartner Roko Aero; der Tiefdecker NG 4 wurde als UL und als LSA produziert. Nach der Trennung von seinem Partner machte Milan 2009 mit seinem Sohn Martin eine neue Firma auf: BRM Aero. Bis Ende vorigen Jahres hat das Unternehmen 625 Maschinen gefertigt, die weltweit vertrieben werden. Mit 90 Mitarbeitern entstehen jeden Monat sechs XL8, drei B23 und neuerdings drei FB8. Zurzeit entwickelt das Unternehmen einen viersitzigen Tiefdecker für Motoren mit über 300 PS.

Weitere Infos unter https://www.bristell.com/bristell-b23/

Technische Daten
  • 9,27 m
  • 11,75 m2
  • 6,58 m
  • 2,36 m
  • 1,30 m
  • 445 kg
  • 750 kg
  • 120 l
  • Rotax 912 S3 / 100 PS
  • MT, 3-Blatt, hydraulisch verstellbar, Composite, 1,75 m
  • 5:00 h / 500 NM plus 30 Min. Reserve (bei 55% Leistung)
  • 199 990 Euro netto (Stand März 2021)
  • BAS aircraft GmbH Beethovenstraße 15 77767 Appenweier +49(0)176/31 53 21 34 www.bas-aircraft.com
  • 48 kt IAS
  • 41 kt IAS
  • 117 kt TAS
  • 156 kt IAS
Schlagwörter
  • Bristell B23
  • Bristell
  • BRM Aero
  • Tiefdecker
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