Gyrocopter

UL-Pilot-Report: MT-03 von Auto Gyro Europe

Sieht aus wie ein Hubschrauber, fliegt aber anders. Wie anders? Ausprobieren! Für einen Heli-Piloten ist das äußerst spannend, das Gerät sowieso: ein MT-03 von Auto Gyro Europe

Von Redaktion

„Guck mal Papi, ein kleiner Hubschrauber“. Der kleine Knirps neben mir stößt seinen Vater an und zeigt auf ein filigranes Gerät, das sich im Anflug auf die Graspiste des Flugfeldes befindet und im Tiefflug an uns vorbeirauscht. Im Freiluftcockpit sitzt ein Kerl mit Jethelm und Motorradbrille, und als er genau auf unserer Höhe ist, hebt der Verrückte beide Arme und winkt uns zu. Mein Hubi fällt sofort um, wenn ich den Stick loslasse, und dieser Mensch fliegt freihändig! Ich sehe nach 35 Jahren als Piloteur auf Hubschraubern und Flugzeugen meinen ersten Gyrocopter: Das Ding hat hinter dem Cockpit einen Motor mit einer Druckschraube, die den Vortrieb liefert. Unglaublich, wie leichtfüßig die beiden in einer hochgezogenen Linkskurve mit anschließendem Vollkreis zur Landung ansetzen. 600 Fuß über der Schwelle, das Triebwerk fast im Leerlauf, nähert sich der Gyro in einem unglaublich steilen Winkel und mit geschätzten 40 km/h der Schwelle.

Das schafft der nie, bin ich überzeugt. Das schafft er doch, beweist er! Kurz vor dem Boden noch mal die Gase rein, Flare wie bei der Fläche, Nase nach oben wie eine F-16, setzt der Knabe seinen Flieger auf und steht nach knapp 50 Metern. Donnerwetter, diesen Vogel sehe ich mir näher an. Michael heißt der junge Mann, der da eben so bravourös gelandet ist. Typ Thomas Gottschalk. Locken bis auf die Schulter, verschmitztes Grinsen im Gesicht, genießt er die Bewunderung und hält so eine Art Pressekonferenz. Ich frage zuerst mal nach dem Typ: „MT-03″ sagt er, und „AUTO GYRO EUROPE“ steht auf dem Rumpf. Italienisch? Nee, deutsch, kommt aus Hildesheim. Dass ein Rotax-Motor im Heck sitzt, sehe ich selbst, nur welcher ist mir nicht klar. „912 UL S“ sagt „Gottschalk“, „100 PS“. Viel Feuer für ein so winziges Gerät, wenn man bedenkt, dass ein Blechflieger wie die Cessna 150 mit genau so viel Leistung auskommen muss.

Ein Tragschrauber verträgt keine negativen g’s – sonst ist Schluss mit Fliegen

Hier reden wir über eine MTOW von 450 Kilo, bei der Cessna von 725. Das klingt sportlich und lässt jede Menge Spaß am Himmel vermuten. Allerdings frage ich mich schon, ob das alles so zusammenhält, was ich da sehe. Extremer Leichtbau an jeder Ecke. Der Rotorkopf wirkt zwar technisch sauber konstruiert, ist aber doch von eher zarter Struktur. Rumpf und zweisitziges Cockpit sind aus Karbon. Ein bekannt festes Material, aber so hauchdünn, dass man beim Einsteigen den Boden sicher nicht betreten darf. Der Hauptträger von Rumpf, Rotor, Triebwerk und Leitwerk besteht aus einem Niro-Kastenprofilrahmen, an dem alles aufgehängt ist. Das Cockpit gefällt mir! Sehr professionell. Steuerknüppel wie beim Jet und eine super übersichtliche Anordnung der Instrumentierung. Vor dem hinteren Sitz ragt nur ein verchromtes Rohr als zweiter Knüppel in die Luft; Instrumente? Fehlanzeige. Aufgefallen ist mir erst jetzt, dass die Registrierung an der dreiteiligen Seitenflosse den Gyro als ein UL ausweist.

Hätte ich eigentlich drauf kommen müssen. Michael braucht Sprit und wir rufen den Tankwagen. Ganze 20 Liter fließen in den Kunststofftank, genug für zwei Flugstunden, sagt er. 32 Liter gehen insgesamt rein, und wenn er sparsam fliegt, kann er damit sogar dreieinhalb Stunden in der Luft bleiben. Kein schlechter Wert bei den heutigen Benzinpreisen! Ich erforsche meine Fliegerseele und frage mich: Willst du so ein Ding mal fliegen? Willst du nicht, beschließe ich und mache mich auf den Heimweg. Am Parkplatz neben der Flugleitung kriege ich den rasanten Start von Michael gerade noch mit, und vor allem die Steigleistung ist kolossal. Am Ende der Bahn ist er schon fast auf sagenhaften 700 Fuß. Jetzt will ich doch! Meine Bedenken wegen der Leichtbauweise treten etwas in den Hintergrund gegen die Möglichkeit, so flott und gewitzt um die Kurven zu kratzen. Und wohl nicht ohne Grund lassen stolze 25 MT-03-Neueintragungen allein 2005 diesen Gyrocopter hierzulande auf den zweiten Platz in der Zulassungsstatistik hinter den Dreiachs-Bestseller C42 schnellen!

Also direkt einen Termin vereinbaren. Auf dem ehemaligen Heeresfliegerhorst in Hildesheim stoße ich einige Zeit später auf Thomas Kiggen. Er ist einer der Konstrukteure des MT-03 und der bunte Vogel der Gyrocopterszene. Sagenhafte 10 000 UL-Stunden und 2200 Gyro-Stunden müssen nicht diskutiert werden, der Mann ist vom Fach. Zunächst interessieren mich Konstruktion und Historie der Tragschrauber, aber vor allem auch das aerodynamische Verhalten von Rotor und Steuerung (siehe dazu auch fliegermagazin 10/2005, „So fliegt ein Tragschrauber“). „Einfach, sehr einfach“ sagt Thomas, „und total sicher“. So recht mag ich das nicht glauben. Ich befasse mich beruflich mit Flugunfalluntersuchungen, und mir ist nicht verborgen geblieben, dass Gyrocopter in letzter Zeit die Unfallstatistik auffällig häufig mit neuen Daten füttern. 18 Unfälle in einem Jahr, davon einer mit tödlichem Ausgang, sind kein Pappenstiel, gemessen an der Zahl der betriebenen Geräte.

Und damit sind wir beim Knackpunkt, den Betriebsgrenzen. Wie bei jeder Fläche und jedem Heli müssen diese zwingend eingehalten werden! Die Statistik sagt aus, dass sich die größte Zahl der Unfälle am Boden beim Rollen ereignet, schlicht weil Windrichtung und Rotorkreisebene nicht miteinander harmonieren. Die Dinger kippen um! Klare Fehler der Piloten, die ihre Manuals nicht im Kopf haben. Ein paar von denen standen auch noch unter Alkoholeinfluss! Da erübrigt sich jeder Kommentar. Einer versucht es ohne Ausbildung, und ein anderer stürzt bei einer Flugvorführung tödlich ab. Hier waren schlicht Angabe und grobe Missachtung der Regularien im Spiel. Ein Tragschrauber verträgt keine negativen g’s, ja nicht einmal Null-g-Situationen sind zugelassen. Der Verlust der Rotordrehzahl ist fast immer unumkehrbar! Wer das vergisst, wird schnell zum Kunden des örtlichen Beerdigungsunternehmers.

Anflug fast wie ein Jet, Landestrecke fast wie ein Helikopter

Hochziehen und nachdrücken lassen die Rotorkreisebene unterschneiden, und der Auftrieb ist futsch, denn der Rotor dreht sich nur dann, wenn er von unten angeströmt wird. Er befindet sich quasi im Zustand der permanenten Autorotation, die anders als beim Hubschrauber nicht zum Sinkflug führt, weil der Motor mit dem Druckpropeller im Heck konstanten Vortrieb liefert. Zur Reduzierung der Unfälle gibt es also nur ein Rezept: gründliche Ausbildung, Einhalten der Betriebsgrenzen und richtiges Einschätzen der eigenen Fähigkeiten. Wer als Kätzchen durchs Leben läuft und sich im Spiegel als Löwe sieht, hat schon verloren! Nun zur Praxis: Als Chopperpilot geht’s mir darum herauszufinden, ob Rotor gleich Rotor ist, und wie nah oder weit weg ich eigentlich vom Hubschrauber bin. Klar, der MT-03 hat Rotorblätter (Profil: NACA 8H12). Die haben aber keine Pitchmöglichkeit, lassen sich also nicht anstellen, denn sie sind mit 24 Bolzen fest am Rotorkopf verschraubt.

Steigen und Sinken wird über die Motorleistung geregelt. Die Änderung der Fluglage wird über den Stick/Steuerknüppel geregelt, der die Rotorfläche wie einen drehenden Diskus in alle Richtungen neigen kann. Dadurch verändert sich zunächst die Fluglage, wie beim Hubschrauber auch. Mit dem Seitenruder wird die Drehung um die Hochachse korrigiert, und/oder das Drehmoment des Motors ausgeglichen. Alles wie gehabt, nur ohne Heckrotor. Kleine Änderung im Verfahren allerdings: Das Rotordrehmoment fällt weg, weil der schlicht ausschließlich durch den Fahrtwind angetrieben wird. Wir machen einen sorgfältigen Außencheck, ich nehme im vorderen Cockpit Platz, Thomas steigt hinten ein. Wenn man erst mal sitzt, ist das sehr komfortabel. Übersichtliches Panel, griffiger Knüppel und die Beine in entspannter Position auf den Pedalen. Die Instrumentierung ist ausreichend und klar angeordnet. Höhenmesser und Fahrtmesser in der Mitte.

Rotordrehzahl oben links, Motordrehzahl darunter, Weiter geht’s von links nach rechts: Schalter Flight-Brake für die Rotorbremse, Funk, Kompass, Öl- und Zylinderkopf- temperatur, Öldruck. Mittig: Druckanzeige für die Trimmung (Druckluft!), Magnetschalter, Starter und Digi-Temperaturanzeige für die Rotorbremse. Anschnallen, Helm auf und Rollen mit stehendem Rotor zur Startposition mit maximal 15 km/h. Prima und sehr präzise lässt sich das Bugrad steuern. Der ausgesprochen professionelle Kombi- Gashebel mit Handbremse und Choke liegt super in der Hand und reagiert auf kleinste Eingaben. Der Rotor ist arretiert, den Steuerknüppel brauche ich nicht festzuhalten. Inzwischen ist das Öl warm, und wir können das Triebwerk am Rollhalt bei 1700 Umdrehungen pro Minute abbremsen. Freigabe in die Startposition und Ausrichten auf der Bahn. Rotorwahlschalter auf Flight, erhöhen der Motordrehzahl auf 2000 Touren, Einkuppeln des Rotors mit dem Prerotator am Stick, und er fängt langsam an zu drehen.

Das Verfahren kenne ich schon von der Hughes 300. Die hat auch so eine Druckkupplung auf einen Gummiriemen zum Einkuppeln der Welle. Bei 230 RPM Rotor kommt von meinem Instructor das Go. Kupplung freigeben, Bremse lösen, Gas bis zum Anschlag (5000 Umdrehungen), Knüppel nach hinten, und ab geht die Post! Das ist nun echt der Hammer, wie dieses giftige Gerät beschleunigt. Am Pitch möchte ich jetzt ziehen, brauche ich aber nicht, denn nach wenigen Metern hebt sich das Bugrad von allein, und der Dampfer fängt an zu steigen. Kein Übergangsauftrieb wie bei meinem Chopper, sondern gleich einfach so vom Boden weg! Thomas empfiehlt nachdrücken und Fahrt aufholen bis zirka 90, 100 km/h. Dann die Nase hoch und mit 100 km/h ab in den Himmel. Etwas rechts ins Pedal treten, um das Motordrehmoment auszugleichen. Fein ausgetrimmt, steigt der Gyro völlig stabil und ohne Steuereingaben. Den Platzrand überfliegen wir bereits mit 700 Füßen!

MT 03: Nicht ganz Hubi, kaum Fläche, enormer Spaßfaktor mit deutlichem Anspruch an den Piloten!

Wir bleiben bei 100 km/h und reduzieren die Leistung auf 4000 Umdrehungen. Jetzt erst wird mir bewusst, dass ich völlig im Freien sitze. Bisher war ich zu beschäftigt. Nun habe ich tatsächlich ein mulmiges Gefühl, wenn ich rechts und links so an meinem Gestühl nach unten sehe. Erst als ich mich wieder auf meine Instrumene konzentriere und Thomas mich zu ein paar Manövern ermuntert, vergesse ich den Abgrund unter mir. Sauber ausgetrimmt im Reiseflug kann ich nun tatsächlich die „Controls“ loslassen und beobachten, wie der MT-03 ungerührt seine Bahn zieht. Böen, die zu uns durchkommen, beeinflussen nicht den Gyro, sondern zupfen nur etwas an der Kombi. Leichte Schwingungen wie beim Helikopter geben mir ein gewisses Heimatgefühl, und weil der Rotor so schön über meinen Kopf wegdreht, fühle ich mich auf der Strecke tatsächlich ein bisschen wie im Hubschrauber. Also doch! Steigen und sinken stehen auf dem Programm.

Vollkreis links rum, Vollkreis rechts rum, dabei mit dem Seitenruder stützen, und immer schön den Wollfaden im Auge behalten, damit die Kurve nicht schmiert. Nach 40 Minuten steuern wir den Platz an. Und nun kommt der Hit! Steillandung. Thomas ordnet an, die Höhe bis zur Schwelle zu halten. (1000 Fuß) Unmittelbar an der Fliegerhorst-Ringstraße befolge ich seine Empfehlung, reduziere die Motorleistung und nehme die Fahrt auf 40 km/h zurück. Wir beginnen mit einem fulminanten Abstieg, wie ich das nur von einem Hubschrauber her kenne. Der Rotor dreht konstant mit 350 RPM. Direkt vor meinem Cockpit läuft die Bahn ein. Ohne Flappen und die gewohnten Rotorschwingungen, die immer bei 50 Prozent Torque und dieser Geschwindigkeit auftreten, rauschen wir in Richtung Aufsetzpunkt. Den Crosswind gleiche ich mit dem Knüppel und leichtem Druck ins Seitenruder aus. Kurz vor dem Boden etwas Gas geben, Abfangbogen, Gas weg, Flare und Knüppel an den Bauch.

Mit dem Hauptfahrwerk zuerst setzen wir auf, das Bugrad senkt sich wie beim Jet von selbst auf die Bahn. Nach wenigen Metern steht das Gerät und ist bereit zum Abrollen. Jetzt den Rotor abbremsen, Knüppel nach vorn und auf der weißen Linie mit 15 km/h den Taxiway runter zur Parkposition. Fazit: Ein tolles Ding! Nicht ganz Hubi, kaum Fläche, enormer Spaßfaktor mit deutlichem Anspruch an den Piloten. Filigran? Kein Problem mehr. Sicher? Allemal, wenn Procedures im Kopf. Empfehlung? Thomas Kiggen anrufen und ran an den Schein. Gyrofliegen ist echt obergeil!

Text und Fotos: Rainer Herzberg, fliegermagazin 6/2006

Technische Daten
MT-03 912 UL S / MT-03 914 Turbo
  • UL-Flugschule, Thomas Kiggen, Dornierstraße 6a, 31137 Hildesheim, Telefon 05121/176 22 03, Mobil 0172/9177788, www.eaglesworld.de
  • 5,08 m
  • 2,65 m
  • 1,88 m
  • 241 kg / 246 kg
  • 450 kg
  • 208 kg / 200 kg
  • 2 x 35 l
  • Rotax 912 UL S (100 PS) / Rotax 914 Turbo (115 PS)
  • HTC, 3-Blatt, GFK/CFK, 1,76 m
  • 10 – 12 l/h
  • 10 – 70 m / 3 – 50 m
  • 0 – 50 m / 0 – 15 m
  • 5 m/s / 8 m/s 90 km/h
  • ca. 630 km / ca. 690 km (jeweils plus 30 Minuten Reserve)
  • ab 40 875 Euro (mit Basisausstattung, inkl. MWSt.)
  • Auto Gyro Europe, Dornierstraße 6a, 31137 Hildesheim, Telefon 05121/741338, www.autogyro-europe.com
Schlagwörter
  • Gyrocopter
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