Ultraleicht

UL-Pilot-Report: Storch RS von Fly Synthesis

Der Ton macht die Musik – und der Motor das UL. Stimmt hier nicht ganz: Beim Storch HS, jetzt mit Viertaktmotor in Deutschland zugelassen, kommen noch weitere sympathische Eigenschaften hinzu

Von Peter Wolter

Die Entwicklungskurve ist abgeflacht: Neue UL-Dreiachser sind nicht nur seltener geworden, sondern unterscheiden sich weniger von ihren Vorgängern. Sprünge wie vom Käfer zum Golf schafft kaum noch ein Anbieter; von der Sunrise zur Fascination – das war einmal. Modellpflege lautet heute das Schlagwort. Was kann an einem UL-Dreiachser verbessert werden, wenn das Konzept stimmt und die Konstruktion ausgereift ist? Drei Punkte honoriert der Markt auf jeden Fall: mehr Zuladung, bessere Performance, zeitgemäßeres Triebwerk. Der Storch des norditalienischen UL- Herstellers Fly Synthesis ist ein gutes Beispiel für diese Art von Modellpflege. Die erste Version kam 1990 raus, hatte eine maximale Abflugmasse von 400 Kilo und einen 50-PS-Zweitaktmotor, den Rotax 503. Zwei Jahre später wurde der Rotax 582 nachgeschoben; nun standen 65 PS zur Verfügung, nach wie vor aus zwei Takten, und 450 Kilo MTOM.

Beide Storch-Varianten fristeten in den letzten Jahren ein Dasein wie Hühner nach Ausbruch der Vogelgrippe – Neuflugzeuge sah man nirgendwo. Sowohl Peter Götzner (Flight Team), Musterbetreuer des Storch 503, als auch Gerd Schicke (Ultraleicht Airsport), der für den 582er Storch zuständig ist, verkauften kaum mehr Maschinen. Jetzt hat Klaus Schäfer in Schweinfurt den Storch aus der Käfighaltung befreit: Er bietet den UL-Klassiker in Deutschland zum ersten Mal mit Viertaktmotor an. Und 472,5 Kilogramm höchstzulässiger Abflugmasse. Am 8. März erhielt er für diese Version vom DAeC die Musterzulassung. Was unterscheidet den „Storch Jabiru HS“ von früheren Varianten? Zunächst mal mehr Zuladung: Vom 503er zum 582er Storch war sie lediglich um zwei Kilogramm auf 180 gewachsen; der „HS“ mit Jabiru-Vierzylinder bietet immerhin 195 Kilo. Das ist zeitgemäß – heute nimmt kein Pilot mehr hin, zu zweit mit etwas Sprit im Tank illegal unterwegs zu sein.

Fast Voll-Kunststoff: Der Storch HS besteht überwiegend aus GFK

Die Zweitakt-Störche, von Fly Synthesis mit dem Kürzel CL versehen, haben aber auch andere Abmessungen: 1,43 Meter mehr Spannweite, was eine um 1,32 Quadratmeter größere Flügelfläche ergibt, und der Rumpf ist einen halben Meter länger. Bei einem per Rumpflänge angepassten Leitwerksvolumen kann man beim „HS“ nicht lediglich von einer Short-Wing-Version reden – der Apparat ist insgesamt kleiner. Und moderner: Die Alu-Fläche des „CL“, deren GFK-Haut aufgenietet war, ist beim „HS“ einer Voll-Kunststoff-Fläche gewichen. Vom Werk, aber nicht in Deutschland, wird übrigens auch die CL-Version mit Jabiru-Motor angeboten. Und seit 1999 gibt es noch einen Storch S, mit Jabiru 2200 oder Rotax 912, der konventionelle Querruder und Klappen hat, wobei die Werte für Spannweite, Flügelfläche und Rumpflänge zwischen denen des „CL“ und des „HS“ liegen. Unabhängig von den einzelnen Versionen nährt das Design dieses ULs bis heute die Legende, der Storch sei vom gleichen Konstrukteur entworfen worden wie die Flight Design CT.

In der Tat gleichen sich beide durch ihre Stupsnase, die weit heruntergezogene Verglasung, das Pendelhöhenruder, die zusätzliche Seitenleitwerksfinne unter dem Rumpf und dessen Einschnürung hinterm Cockpit. Tatsächlich besteht die einzige Verbindung zwischen diesen Mustern aber nur darin, dass der Ur-Storch von Ali Schulze Oechtering (ASO Flugsport) importiert wurde, dem Mann, der gemeinsam mit Flight-Design-Chef Matthias Betsch die CT konzipiert hat. Nach Bad Kissingen, wo Klaus Schäfer seinen „HS“ aus dem Hangar zieht. Dass er kleiner ist als die bisherigen Störche, fällt mir zunächst nicht auf. Die wohlbekannten, typischen Merkmale dominieren. Aber von wegen CT! Vom Alu-Leitwerksträger und Kohlefaser-Hauptholm abgesehen besteht der Storch nicht aus CFK, sondern aus GFK. Die Einschnürung des Rumpfes ist extremer, weil sich dessen Vorderteil bis auf den Durchmesser des Rumpfrohrs verjüngen muss.

Ob das die Strömung ohne Ablösung mitmacht? Dann die Flaperons, die Flügelstreben, die dünnen (weil unverkleideten) Storchen-Fahrwerksbeine, die seitlich bis auf Sitzflächen-Höhe herunter reichende Frontverglasung, die Gewichte am Höhenruder mit ihrer massenausgleichenden und schwingungsdämpfenden Funktion – okay, letzteres hatte die CT früher auch mal. Aber nie einen Jabiru unter der Cowling. Als ich bequem auf den linken Sitz gleite, freue ich mich schon auf sein Geblubber. Toll, wie luftig sich das Storch-Cockpit anfühlt! Auch große Leute haben hier Platz: Die Sitze können sowohl in der Höhe als auch nach vorn und hinten verstellt werden. Schnell die wichtigen Griffe einprägen: Bremse samt Arretierhebel auf der Mittelkonsole, Choke und Gas davor, Trimmung am Cockpitdach, darüber der Griff des Rettungssystems, dahinter der Hebel für die dreistufigen Flaps.

Unser Storch hat hydraulische Scheibenbremsen, die synchron betätigt werden, sodass ich nur so eng ums Eck rollen kann, wie’s die Bugradlenkung erlaubt. Erhältlich sind auch mechanische Trommelbremsen mit zwei nebeneinander montierten Handhebeln – damit kann man um ein Hauptrad drehen, also enger. Doch dieser Wunsch kommt nicht auf, als wir zum Rollhalt der „35“ hoppeln. Elektrische Benzinpumpe zuschalten, Klappen auf Stellung 1, Magnetcheck bei 2000 Umdrehungen – kurz darauf zieht uns der 2,2-Liter-Direktantriebler aus der aufgeweichten Piste. 120 Meter Rollstrecke müssten es bei Trockenheit und 450 Kilo Abflugmasse (ohne Rettungssystem) laut Handbuch sein (653 Fuß Platzhöhe, ISA-Standardbedingungen). Im Steigflug Klappen rein, dann aus der Platzrunde heraus gleich wieder Vollgas und ziehen, bis die Speed auf 90 km/h runter ist. Was sagt das Vario? Vier Meter pro Sekunde, vollgetankt – okay, wir sind beide keine Diät-Aspiranten.

Sogar ohne ausgefahrene Flaps schafft der Storch HS die erforderliche Mindestgeschwindigkeit

In den Horizontalflug, Trimmung nach vorn – der mechanisch bewegte Flettner wirkt schon bei wenig Hebelweg –, wo bleibt die Nadel des Fahrtmessers stehen? „Du steigst“, sagt Klaus in gleichmütigem Oberfränkisch. Mit Varioanzeige null klettert die Speed auf 175 km/h – noch 20 km/h bis zur Vne, das ist viel für ein modernes UL und beruhigend. „Was, bloß 2600 Umdrehungen?“ frage ich den Musterbetreuer. „Ich hab den Prop auf Reise eingestellt, bei unserer 620-Meter Bahn genügt die Startleistung allemal“, lautet die Antwort. 3000 Touren dürfte der Jabiru dauerhaft drehen – da wäre also noch ein bisschen mehr an maximaler Reisegeschwindigkeit drin. Komfortabel und ruhig geht’s bei 2300 bis 2400 Umdrehungen zu, dann reist man mit 130 bis 150 km/h. „Vario“, tönt es stoisch im Headset – schon wieder ist mir das mit dem Steigen passiert! Woran liegt’s? Der Blick aus dem Cockpit suggeriert dem Piloten, langfristig in den Boden reinzufliegen, wenn er nicht zieht.

Weil die Verglasung auf Höhe der Fußspitzen beginnt und die Instrumente in einem Segelflugzeug-ähnlichen Pilz untergebracht sind, ist die Sicht – auch schräg nach vorn – unwahrscheinlich gut. Man muss sich wirklich erst an diese „Draufsicht“ im Horizontalflug gewöhnen. Bestimmt gibt es Echo-Klasse-Umsteiger, die nach 30 Jahren hinter der Panel-Barrikade einer Cessna im Storch plötzlich merken, dass sie nicht schwindelfrei sind! Wie wird das beim Strömungsabriss sein, wenn man den Boden noch direkter vor sich hat? Auch nicht viel anders: Die Nickbewegung ist sanft, die Nase senkt sich wenig. Und vor allem fällt nie ein Flügel runter, unabhängig von Klappenstellung und Powersetting. Sogar ohne ausgefahrene Flaps schafft der Storch HS die erforderliche Mindestgeschwindigkeit von 65 Stundenkilometer, mit vollen Klappen hört erst unter 60 km/h auf zu fliegen.

Was ebenfalls positiv auffällt: Quer- und Höhenruder gehen über den gesamten Geschwindigkeitsbereich angenehm leicht, die Pedale durchschnittlich schwer; beim Kurvenwechsel braucht man sie nur wenig. Der Storch hängt schön direkt am Knüppel und ist extrem wendig – kein Wunder bei den riesigen Flaperons. Denen und seinen STOL-Eigenschaften verdankt er übrigens auch den deutschen Namen, wie Fly Synthesis versichert: Die Flaperons sind nach Junkers-Manier geschleppt wie die Querruder und Klappen des Fieseler Storch. Vor dem Landeanflug wieder die zweite Benzinpumpe zuschalten, Flaps unter 105 km/h auf Stellung 1 und dann gleich auf 2, weil wir über Bad Kissingen noch sehr hoch sind. Obwohl der Storch jedesmal deutlich die Nase senkt, wenn ich den Klappenhebel von einer Position in die nächste herunterziehe, erhöht sich durch den Lastigkeitswechsel die Speed kaum. Endanflug mit 100 km/h – passt.

Bei kräftigem Gegenwind stehen wir auf dem tiefen Boden fast so plötzlich wie eine F-14 auf einem Flugzeugträger. Selten hatte ich bei einem UL den Eindruck, dass der Motor so sehr den Gesamtcharakter bestimmt wie beim Storch HS. Irgendwie waren mir die Zweitakt-Versionen immer schwachbrüstig vorgekommen, wie Mopeds, die in den höchsten Tönen jaulen, aber nicht richtig vorankommen. Jetzt, mit dem tiefen Brummen des Jabiru, erscheinen mir sogar die Fahrwerkssstreben nicht mehr so spindeldürr, und das Rumpfrohr … Okay, es ist kürzer geworden, vielleicht trägt dies ebenfalls zum bulligeren Eindruck bei. 45000 Euro plus Steuer für ein Fast-Vollkunststoff-UL mit Viertakt-Soundmaschine – das kann sich sehen lassen. Wirklich große Augen bekommt man aber erst, wenn einem Klaus Schäfer vorführt, dass sich die Flächen alleine in fünf Minuten beiklappen lassen. Das spart richtig Hangarkosten.

fliegermagazin 5/2006

Technische Daten
Storch RS von Fly Synthesis
  • 8,71 m
  • 11,7 qm
  • 5,75 m
  • 2,45 m
  • 1,10 m
  • 278 kg*
  • 472,5 kg
  • 58 l (zwei 29-Liter-Flächentanks)
  • Jabiru 2200 / 80 PS
  • DUC Hélices, 3-Blatt, fest (am Boden einstellbar), CFK, 1,52 m
  • ca. 4 m/sec
  • ca. 590 km plus 30 min. Reserve
  • 52 780 Euro **
  • Flugcenter MainFranken, Klaus Schäfer, Gymnasiumstraße 7, 97421 Schweinfurt, Telefon 09726/64 60 oder 0176/23 21 82 06
  • www.flysynthesis.com
  • * mit mechanischen Scheibenbremsen, ohne Anklappmechanik für die Flügel ** mit Basisausstattung (ohne Funkgerät) und Rettungssystem BRS-5-UL 4 oder Junkers Magnum Highspeed, inkl. MWSt. Bausätze sind ab 26 216 Euro lieferbar (ohne Motor, Propeller, Instrumente und Rettungssystem, inkl. MWSt.). Optional angeboten werden u. a. hydraulische Scheibenbremsen (Mehrgewicht: ca. 3 kg, Aufpreis: 500 Euro) und eine Anklappmechanik für die Flügel (Mehrgewicht: ca. 11 kg, Aufpreis: 1000 Euro).
Über den Autor
Peter Wolter

Peter Wolter kam vom Drachenfliegen zur motorisierten Luftfahrt und von der Soziologie zum Journalismus. Er steuert ULs sowie E-Klasse-Maschinen und hat sein eigenes UL (eine Tulak) gebaut.

Schlagwörter
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