Ultraleicht

UL-Pilot-Report: Sparrow MLX von Wolfsberg Letecká Továrna s. r. o.

Wie erfrischend! Mal kein Side-by-side-Zweisitzer mit Zugmotor und allem, was ein herkömmliches UL so hat. Der Sparrow verbindet moderne Bauweise mit klassischen Designmerkmalen – ein aufregender Neuling eines traditionsreichen Herstellers

Von Peter Wolter
UL-Pilot-Report: Sparrow MLX von Wolfsberg Letecká Továrna s. r. o.

Neu? Retro? Futuristisch? Oder einfach nur klassisch? Kein anderes UL hat mich dieses Jahr auf der AERO spontan so gefesselt wie der Sparrow (englisch für „Sperling“). Diese Kabine! Wie die Siebel 204 oder Aero 45 aus den vierziger Jahren – rund und geschmeidig, irgendwie fortschrittlich und gleichzeitig altmodisch, was vor allem an den Stegen in der Verglasung liegt, die den Look einer modernen Jet- oder Segelflugzeugkabine durchkreuzen. Und dann die große Tür! Als ob man mit dem Treppenlift andocken und sich reinschieben lassen kann. Der Rest hingegen strahlt kühle Akaflieger-Aerodynamik aus: alles Composite, schnittig und auf dem letzten Stand der Entwicklung. Wer baut sowas? Wo gibt’s das? Wie – kein Importeur? Der Hersteller ist in Prag am Flugplatz Letňany zu Hause. Also hinfliegen. Zu Letov solle ich rollen, sagt der Flugleiter nach der Landung; er weiß, wo ich hin möchte. Letov? Ich will zu Wolfsberg!

Später erfahre ich, dass alle hier Letov sagen, wenn sie Wolfsberg Letecká Továrna meinen. „Letov“ ist einfach zu berühmt, um per Namensänderung zu verschwinden: Schon 1919 gab es die Firma, erst 2008 wurde der flugzeugbauende Zweig von Letov zu Wolfsberg. Von der Passagiermaschine bis zum Segelflugzeug hat Letov alles produziert, auch Teile für Aero und Let. Die letzte Entwicklung war der Zweimot-Transporter Raven 257, von dem drei Exemplare in einer Halle unweit des neuen Wolfsberg-Komplexes stehen. Hier empfängt mich Martin Cígler. Als Verkaufsleiter hat er die Firma dieses Jahr auf der AERO repräsentiert. Betriebsleiter Jakub Kořínek, Martins Boss, hat heute in Zbraslavice zu tun, wo Wolfsberg in einer Zweigstelle mit fünf Leuten die Composite-Teile für den Sparrow fertigt. In Letňany sind 15 Mitarbeiter beschäftigt.

Der Sparrow fesselt einen, wie kein anderer

Besitzer und Geschäftsführer des Ganzen ist Alec N. Clark, ein Brite, der früher für Hawker Siddeley gearbeitet hat. Immer mehr wird mir bei dem Werksbesuch klar: So nichtssagend „Wolfsberg“ zunächst klang und so wenig mir irgendjemand etwas über die Herkunft des Firmennamens erzählen kann – das hier ist ein Spross der großen tschechischen Luftfahrtgeschichte. Bevor wir fliegen, erklärt mir Martin den Sparrow. Unser Exemplar wird von einem 100 PS starken Rotax 912 S angetrieben, alle anderen bisher produzierten Maschinen, 13 Stück, sind mit dem Zweitakter Rotax 582 (65 PS) motorisiert. Die Zelle besteht vollständig aus CfK. Außerhalb der Leitwerksträger lassen sich Flügel abnehmen; gehalten werden sie von jeweils zwei Bolzen, die im Kofferraum zugänglich sind sowie unter verschraubten Abdeckungen auf Höhe der Leitwerksträger.

Das Höhenruder und die elektrisch betätigten Wölbklappen werden über Bowdenzüge angesteuert, die Querruder über Stangen, und fürs Seitenruder sind Seile zuständig. Interessanterweise hat man sie vorn nicht mit Einzelpedalen verbunden, sondern mit einer Pedalbrücke. Tritt der Pilot ins Ruder, ändern die Fußauflagen aber nicht den Winkel zum Fuß, wie bei einer schlichten einteiligen Brücke, sondern sie bewegen sich schön parallel – wie Einzelpedale. Auch das Fahrwerk überrascht: Die Beine der Haupträder bestehen aus Schwingen, deren Drehpunkt an der Flügelunterseite liegt. Abgestützt werden sie von Öldruckfederbeinen. Das Bugradfahrwerk, eine Teleskop-Konstruktion, ist auf die gleiche Weise gefedert und gedämpft. Die Bremse verblüfft durch Schlichtheit: eine mechanische Trommelbremse. Richtig: eine – die Haupträder haben keine. Einseitiges Bremsen erübrigt sich durch das gelenkte Bugrad.

Kehrseite: Der Pilot kann den Propeller nicht sehen. Durch die beiden Leitwerksträger ist das Gefahrenpotenzial aber gering

Wer vorn sitzt, ist fürs Anlassen zuständig, sofern man den Choke braucht – den gibt’s hinten nicht. Funkgerät einstellen und bremsen sind weitere Jobs, die nur vorn erledigt werden können. Sonst sind alle Bedienelemente doppelt ausgelegt. Hinten hat man nicht den Eindruck, in der zweiten Reihe zu sitzen. Die Seitenkonsole für die Triebwerks- und Klappenbedienung, der Steuerknüppel mit Funk- und Trimmtasten, der Instrumentenpilz, in dem ein EFIS von TL Electronic montiert ist, Kopfpolster und nicht zuletzt die Cockpitsicht – das alles macht einen einladenden Eindruck, auch wenn der hintere Sitz anders als der vordere nicht verstellbar ist. Hinten kann man übrigens zum Ein- und Aussteigen den Steuerknüppel umklappen.

Gepäck wird hinterm Rücksitz verstaut. Die Lehne läst sich rausnehmen, der Raum, der dann zugänglich ist, fasst maximal acht Kilogramm. Ein Einwand, der gern gegen Pusher vorgebracht wird, ist die Verletzungsgefahr für Außenstehende durch den nicht im Blickfeld des Piloten liegenden Propeller. Beim Sparrow dürfte sie relativ gering sein: Die Doppelrumpf-Auslegung bietet mehr Schutz als ein einzelner Leitwerksträger. Die Sache mit dem Bremsen erweist sich auf dem Weg zur Piste 23 R als einfache Aufgabe: Es gibt nur ein Pedal, für den linken Fuß. Beim Rollen schüttelt der Rotax im Standgas – ob’s an der Montage des Pusher-Antriebs liegt? Vor dem Start setze ich noch Klappen. Auch das ist unkonventionell: Kippschalter auf „Flaps down“, darunter einen zweiten Kippschalter nach links auf „Take off“ in die 15-Grad-Stellung. Nach rechts auf „Landing“ wären es 35 Grad. Traumhaft, wie wir am nördlichen Stadtrand von Prag in den Himmel steigen!

Traumhaft, wie wir am nördlichen Stadtrand von Prag in den Himmel steigen!

Der Sparrow bietet dem Piloten eine Sicht wie im Segelflugzeug, nein, eigentlich besser, denn man sitzt vergleichsweise aufrecht, der Kopf weit oben. Auch als wir mit 800 bis 900 Fuß pro Minute steigen, bleibt die vorausliegende Landschaft immer gut im Blickfeld. Vom ersten Moment an habe ich mich in dem Exoten wohlgefühlt. Jetzt frage ich mich, wie es Flugschülern ergehen mag. Kein Lehrer neben sich – klar, das bedeutet, dass man vieles nicht zeigen und gemeinsam erledigen kann. Aber Schüler müssen im Sparrow viel eher als in einem Side-by-side-Cockpit das Gefühl haben, selbst zu fliegen, auch wenn da hinten einer sitzt und sich übers Intercom mitteilt.

Nordöstlich des Platzes steigen wir außerhalb von Luftraum D auf zirka 3000 Fuß. Was gibt das Ding her? Martins Stimme, wie die eines allwissenden Sprechers aus dem Off: „4800 rpm sind für den Reiseflug typisch.“ Nach einer Weile lese ich 180 bis 190 km/h ab. Wer ökonomisch unterwegs sein will, fliegt 170 und füttert den Rotax dann mit etwa 12 Liter Auto Super pro Stunde. Bei Vollgas dreht der 912 S mit dem verwendeten Peszke-Propeller etwas höher, als er dauerhaft soll, 5700 rpm statt 5500. Jetzt zeigt der Fahrtmesser 220 km/h an. Für die Messung der Rollrate übergebe ich an Martin – Knüppel in seiner Hand und Stoppuhr in meiner verspricht ein aussagekräftigeres Ergebnis als umgekehrt. Nach links vergehen zirka 3,5 Sekunden von 45 bis 45 Grad, nach rechts knapp 4. Ist das träge? Ist das flink? Es ist okay.

Pilot und Manager: Martin Cígler kümmert sich bei Wolfsberg um die Vermarktung

Sehr gut sind die Stalleigenschaften: In allen drei Klappenstellungen kündigt sich der Strömungsabriss durch Schütteln an, ausschließlich um die Querachse, und wenn der aerodynamische Tod sagt: „das war’s“, senkt der Sparrow demütig die Nase. Mit vollen Klappen passiert das bei etwa 63 Kilometer pro Stunde, wobei der Geschwindigkeitsunterschied zur Null-Grad-Stellung nur etwa 7 km/h beträgt. Es ist noch reichlich Zeit bis Sonnenuntergang, wir haben an diesem Abend nichts anderes mehr vor, und so zeigt mir Martin die Umgebung seiner Heimat – der 32-Jährige ist in Prag aufgewachsen. Ich fliege, er sagt, wo’s hingeht. Irgendwann merke ich, dass meine Aufmerksamkeit ganz der Außenwelt gilt, den Seen, Bergen und kleinen Flugplätzen, auf die wir blicken – und nicht dem Sparrow. Wie im eigenen, vertrauten Flugzeug. Das verrät viel über ein Muster, das man zum ersten Mal fliegt. Im Endanflug bin ich etwas zu hoch. Slippen!

Stellt man den hohen Rumpf bei voll ausgefahrenen Klappen in den Wind, geht’s mit 1000 Fuß pro Minute runter. Die Landung auf dem holprigen Grasplatz von Prag-Letňany ist sehr sanft – nicht, weil sie perfekt gewesen wäre, sondern weil die Beine richtig gut dämpfen. Was muss man von diesem Flugzeug halten? Es ist zweifellos eine besondere Maschine: Druckpropeller, Doppelrumpf, Tandemcockpit, die suggestive Formensprache, die vielen ungewöhnlichen, aber pfiffigen technischen Details … Sehr erfrischend, diese Unbekümmertheit gegenüber dem Mainstream! Der Sparrow lässt sich in keine Kategorie pressen: Er ist weder ein langweiliger Trainer noch ein Highperformance-Tandemsitzer – Shark und Prime spielen in einer ganz anderen Liga, leistungsmäßig wie preislich. Gefallen haben mir die exzellente Cockpitsicht, das anspruchslose Flugverhalten, die gute Bauausführung und das unkonventionelle Design.

Er ist weder ein langweiliger Trainer noch ein Highperformance-Tandemsitzer

Überrascht war ich von den Vibrationen im unteren Drehzahlbereich und der geringen Tankkapazität: Ausfliegbar sind nur 50 Liter. Für die Ausbildung und für private Halter bietet Wolfsberg zweierlei Versionen an: Als Sparrow MLX Sportman 2 Trainer hat das Muster die beschriebene Doppelsteuerung und -ausstattung und sogar einen zusätzlichen Türhebel, damit der Lehrer von hinten die Verriegelung kontrollieren kann. Sparrow MLX Sportman 2 heißt die schlichtere Version ohne Doppelsteuerung, Bedienelemente für den Co und hintere Instrumentierung. Sie kostet mit Viertaktmotor ab 84 490 Euro – 5950 weniger als der Trainer.

Schnittig: So sieht das UL wie ein Jet aus. Die Flügel lassen sich vom Mittelteil trennen

Ob das Muster in der deutschen UL-Szene eine Chance hat, hängt nicht nur von seiner Technik und Vermarktung ab, sondern zunächst mal von der Zulassung. Die tschechische liegt vor – bei uns könnte die Lärmmessung die größte Herausforderung sein, wie bei anderen Pushern. Auch am Leergewicht müsste der Hersteller noch arbeiten: Die Einfachversion liegt mit Rettungssystem 6,5 Kilo über dem Limit von 297,5 Kilo, der Trainer wiegt sogar 18,5 Kilo zu viel. Doch es ist kaum vorstellbar, dass Wolfsberg an diesen Hürden scheitert. Fliegerisch wäre der Sparrow auf jeden Fall eine Bereicherung unseres Markts.

fliegermagazin 9/2014

Technische Daten
Sparrow MLX
  • Wolfsberg Letecká Továrna s. r. o., Beranovych 65, CZ-19900 Prag 9 – Letnany, Polen, Telefon: 00420/234 31 25 71, www.wlt.cz
  • 9,16 m
  • 11,62 qm
  • 7,00 m
  • 1,76 m
  • 0,70 m
  • ab 304 kg
  • 472,5 kg
  • 60 l (50 l ausfliegbar)
  • Rotax 912 ULS/100 PS
  • Peszke, 3-Blatt, fest, Composite, 1,72 m
  • ca. 4,5 m/sec.
  • ca. 625 km plus 30 Min. Reserve
  • ab 84 490 Euro*
  • * Version Sportman 2 mit Basisausstattung (analoge Instrumente), Funkgerät und Rettungssystem. Aufpreis für Version Trainer (Doppelsteuerung und -instrumentierung): 5950 Euro. Alle Preise inkl. 19 % Mwst.
Über den Autor
Peter Wolter

Peter Wolter kam vom Drachenfliegen zur motorisierten Luftfahrt und von der Soziologie zum Journalismus. Er steuert ULs sowie E-Klasse-Maschinen und hat sein eigenes UL (eine Tulak) gebaut.

Schlagwörter
  • Ultraleicht
  • Sparrow MLX Sportman 2
  • Sparrow MLX
  • Doppelrumpf
  • Pusher-Antrieb
  • Rotax 912 S
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