Kitplane

Ultraleicht Flugzeugselbstbau, Teil 4

Ist die Zelle fertig, sieht ein Flugzeug schon ziemlich komplett aus. Dabei können die Systeme mehr Zeit in Anspruch nehmen als der Rest – vor allem der Antrieb, das Herz der Maschine

Von Peter Wolter
Ultraleicht Flugzeugselbstbau, Teil 4
Ein magischer Moment: Der Motor läuft! Jetzt muss alles überprüft werden, was zum Antriebssystem gehört

Ein anderes Triebwerk als das musterzugelassene – das erfordert einen neuen Motorträger. Und viel Ausdauer, wenn man vorher nicht weiß, wie man’s macht. Meine Überlegung: Der Limbach hat hinten vier Befestigungspunkte auf einer (gedachten) senkrechten Ebene; der Tulak-Rumpf endet am Brandspant mit vier Befestigungspunkten für den Motorträger – dazwischen müssen die Rohre des Motorträgers verlaufen.

Also machst du dir eine Box aus Holz mit zwei Ebenen, die Brandspant- und Motorseite repräsentieren, und baust dazwischen den Motorträger auf. In Kurzform hieß das: 1:1-Zeichnung anfertigen, Motorseitenzug (2 Grad) und -sturz (0 Grad) sowie Brandspantneigung (18 Grad) berücksichtigen, Gummilager mit Stahlhülsen bei Weller Flugzeugbau kaufen und auf die motorseitige Platte der Box schrauben, Befestigungsbuchsen auf die „Brandspant“-Platte schrauben, die wichtigsten Stahlrohre einpassen und fixieren – und ab nach Schwäbisch-Hall zu Roman Weller.

Motorträger-Test: Das Gestell ist samt Motor um 90 Grad gedreht auf den Boden gedübelt. Gezogen wird an einem Stahlseil mit Federwage, das an der Anhängerkupplung des Autos befestigt ist. Je nach Gewicht, Leistung und Drehmoment des Motors sind bestimmte Lasten nachzuweisen – vertikal, aber auch seitlich

Doch als der Luftfahrtschweißer und UL-Hersteller die oberen Längsrohre anpassen will, wird klar, dass Lichtmaschine und Anlasser im Weg sind. Grübeln, ausprobieren, verwerfen, wieder probieren … Am Ende sehen wir nur noch eine Lösung, die radikalste von allen: kein Anlasser und keine Lichtmaschine. Die Piper J-3C musste man auch von Hand anwerfen, und die Lichtmaschine bekommt einen Propeller; dann häng ich sie am Fahrwerk in den Wind, das haben die früher oft so gemacht.

So konnte ich wenigstens in den frühen Morgenstunden mit einem fertigen Motorträger nach Hause fahren. Doch im anschließenden Urlaub – beim Drachenfliegen in Umbrien mehr mit dem Thema „Motorträger“ beschäftigt als mit der Thermiksuche – quälte mich immer wieder ein Gedanke: Du hast keinen Anlasser und keine Lichtmaschine! Und mir wurde klar: Genau das wird dich später nerven – wenn du allein bist und den Motor anwerfen willst, auf rutschigem Boden; wenn die Batterie leer ist, weil man Verbraucher wie Funk und GPS eben auch bei stehendem Flugzeug benutzt.

Wie baut man einen Motorträger für ein Kitplane? Learning by doing

Motorträger Nummer eins war, sorry, ein Griff ins Klo; der zur Flex leitete einen zweiten Anlauf ein: Die wertvollen Gummilager und Befestigungshülsen waren alles, was mich an dem Gestell noch interessierte. Damit und mit neuen Ideen, wie man die kritischen Rohre um Lichtmaschine und Anlasser herumlegen konnte, fuhr ich erneut zu Roman Weller. Nach einer weiteren Nacht war der endgültige Motorträger fertig. Dabei wäre alles viel einfacher gegangen.

Wie ich später mitbekam, hängt man in solchen Fällen den Motor an einem Kran in der gewünschten Position vor den Brandspant, richtet ihn exakt aus, fixiert ihn und baut den Motorträger ohne Helling direkt am Flugzeug auf. Dabei reicht es, die Rohre punktuell zu verschweißen – durchgeschweißt wird später, nachdem man das Gestell abmontiert hat; dann kommt man überall gut dran.

Wieder mal war es kein handwerklich-technisches Problem, das zu einem zeitraubenden und kostspieligen Umweg geführt hatte. Wichtig wäre ein besserer Informationsstand gewesen und Kommunikation mit Leuten, die sowas schon mal gemacht haben. Beim Propeller wollte ich einen ähnlichen Fehler vermeiden.

Welchen Prop braucht ein Flugzeug, das mit der Motorleistung des Limbach 1700 EC noch nie geflogen ist? Schwierige Frage, denn: Nur wenn die Maximalgeschwindigkeit im Horizontalflug bekannt ist, kann man sich einen Propeller machen lassen, dessen Durchmesser und Steigung so gewählt sind, dass bei Vollgas die dauerhaft zulässige Höchstdrehzahl (beim Limbach 3200 Umdrehungen pro Minute) erreicht wird. Dann hat der Motor seine Maximalleistung. Wer keine Geschwindigkeit verschenken will, muss auf Nenndrehzahl kommen.

Lärmmessung ist für die UL-Verkehrszulassung extrem wichtig

Doch wenn ein Flugzeug noch nie mit einem bestimmten Motor, also einer bestimmten Nennleistung in der Luft war, kennt man auch seine Maximalgeschwindigleit im Horizontalflug nicht. Bei den Abmessungen des Props war darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Drehzahl am Boden bei Vollgas höchstens 2700 Umdrehungen betragen darf – sonst schafft man die Lärmmessung für die endgültige UL-Verkehrszulassung nie. Aber würde es einen Festprop geben, mit dem der Motor am Boden 2700 dreht und in der Luft dann 3200? Lieber in der Luft zu wenig als am Boden zuviel – Lärmmessung schaffen hat Priorität, auch wenn es Leistung kostet …

Klar war von vornherein, welche Propeller-Marke es sein sollte: GT. Die italienische Firma – „GT“ steht für Giancarlo Tonini – baut in zweiter Generation wunderschöne Holzprops in großen Stückzahlen, unter anderem für Tecnam – das sprach für Qualität. Auf keinen Fall wollte ich einen drei- oder gar vierblättrigen Plastikpropeller, der aussieht als wäre er für ein großes Gummimotor-Modellflugzeug.

Einzelstück: Bei GT in Riccione entsteht der Holzpropeller. Auf der Basis von Flugzeug- und Motordaten werden Durchmesser und Steigung errechnet

Damit Alessandro Tonini, Juniorchef von GT, Anhaltspunkte zur Berechnung des Props hatte, gab ich ihm die Geschwindigkeits- und Drehzahlwerte der Tulak eines Freundes, die mit 80-PS-Jabiru-Motor und GT-Propeller fliegt. Diese Datenbasis würde ihm beim Extrapolieren helfen. Außerdem füllte ich ein Formular auf der GT-Website aus, wo zahlreiche Parameter zu Flugzeug und Triebwerk abgefragt werden, damit sich die Abmessungen des gewünschten Propellers kalkulieren lassen. Nicht nur Faktoren wie die maximale Abflugmasse oder die Flügelfläche wollen die Italiener da wissen, sondern beispielsweise auch die Form der Flugzeugnase und den Spinnerdurchmesser.

Bei der Start- und der Dauerleistung kam ich ins Grübeln. Inzwischen hatte ich nämlich von Flugmotorenhersteller Sauer die 88er Kolben durch solche mit 92 Millimeter Bohrung austauschen und eine Nockenwelle einbauen lassen, die mehr Hub und kürzere Steuerzeiten hat, was bei niedrigen Drehzahlen die Leistung erhöht. Jetzt hatte der Motor 1835 statt 1679 Kubikzentimeter Hubraum – aber wie viel PS? „Etwa 60 bis 65 bei dreitausend“, schätzte Martin Manthey von Sauer. Damit musste Alessandro auskommen.

Das Selbstbauflugzeug bekommt einen GT-Propeller

Was er lieferte, war ein transparent lackierter „old style“-Holzpropeller mit roten Spitzen (Standard sind olivgrüne wie bei den klassischen Sensenich-Props). Das Ding ist ein Kunstwerk! Als ich den Propeller auspackte, stand die ganze Redaktion drumrum und war neidisch, und natürlich blieben Sprüche der Art nicht aus: Das sei ja nun wohl das Wertvollste am ganzen Flieger …

Dass GT-Props nicht zu den leisesten gehören, verdrängte ich erstmal. Mich interessierte vor allem, ob 1,56 Meter Durchmesser in Kombination mit einer 98er Steigung am Boden und in der Luft die gewünschten Drehzahlen bringen würde. Laufen lassen und fliegen – vorher konnte das niemand wissen. Doch erstmal standen noch andere Arbeiten an.

Bei der Instrumentierung hielt ich mich konsequent an den puristischen Ansatz des ganzen Projekts: Nur das Nötigste! Der Reiz eines Flugzeugs wie der Tulak besteht in seiner durchschaubaren Schlichtheit. Kein Schnickschnack, kein Hightech-Terror. Bei meinem eigenen Flugzeug wollte ich endlich ein Panel, das mir lediglich Antworten auf meine Fragen gibt, statt mich durch machtvolle Präsenz von Informationen und Optionen sowie Schaltern und Knöpfen einzuschüchtern, die ich gar nicht brauche. Ein paar Rundinstrumente, Libelle und fertig.

Cockpitarrangement für die Tandem-Tulak

Da die Tandem Tulak von hinten geflogen wird, schieden interaktive (Multifunktions-)Instrumente im Panel ohnehin aus. Ein Funkgerät an der Lehne des vorderen Sitzes und ein GPS auf dem Knie, das reicht an interaktiver Avionik. Beim Panel-Layout war wichtig, dass Fahrt- und Drehzahlmesser ganz außen links und rechts platziert sind, damit man sie auch ablesen kann, wenn ein Passagier vor dem Piloten sitzt; dann von außen nach innen Höhenmesser und Variometer; Kompass mittig, also unterm Dach; für den Motor noch Öl- und Zylinderkopftemperatur sowie Öldruck. Weil das Panel dann doch etwas nackt aussah und sich ein weiteres 80er Rundinstrument gut gemacht hätte, baute ich noch eine Uhr ein.

Bei Karstadt gab’s für elf Euro einen Kienzle-Wecker mit 78 Millimeter-Ziffernblattgehäuse, der sich sogar so montieren ließ, dass die Befestigungsschrauben (die beiden oberen sind Atrappen) an den „richtigen“ Stellen sitzen – sieht aus wie luftfahrtzertifiziert. Hat aber auch eine Funktion: Da ich für die Spritstandanzeige rechts unterm Panel nur ein Schauglas wollte, konnte es nicht schaden, immer die Uhrzeit im Blick zu haben.

Fahrt- und Drehzahlmesser ganz außen: Beide Instrumente dürfen vom Passagier nicht verdeckt werden. Links in der Bordwand die Bedienung für den Benzinhahn

Die pneumatischen Instrumente Fahrt-, Höhenmesser und Variometer anzuschließen ist simpel, wenn man ein Pitotrohr verwendet, das auch einen Anschluss für den statischen Druck hat. Dann führen eben zwei Schläuche (aus transparentem Plastik, hat jeder Baumarkt) von dort durch den Flügel ins Cockpit. Jedenfalls erspart dieses System die mit Erprobungsflügen verbundene Suche nach der Stelle am Rumpf, wo ausgeglichene Druckverhältnisse zur Abnahme des statischen Drucks herrschen – zwanzig Löcher bohren und neunzehn davon wieder unsichtbar machen, am fertig lackierten Flugzeug, ist keine erbauliche Arbeit.

Kupplungen von BMW für die Tulak

Auch bei der Kraftstoffversorgung galt das Minimalprinzip, das bei ULs aus Gewichtsgründen ohnehin ratsam ist: so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Die beiden Flächentanks erhielten trennbare Schläuche zum Haupttank vorn im Rumpf. So kann man die Flügel an- und abbauen, ohne sich lang mit den Spritleitungen beschäftigen zu müssen. Hier wählte ich Schnelltrenn-Kupplungen aus dem Motorradbau von BMW; die sind zwar teuer, aber hochwertig und tausendfach bewährt – was mir wichtiger ist als „luftfahrtzertifiziert“.

Die weiteren Stationen der Kraftstoffversorgung vom Rumpftank zum Vergaser sind: Benzinhahn, Gascolator, Spritfilter und Benzinpumpe. Eine elektrische Zusatzbenzinpumpe ist überflüssig: Auch wenn kein Fallbenzin mehr aus den Flächentanks nachfließt, sinkt der Pegel im Fronttank nie so tief, dass die mechanische VW-Pumpe Mühe hat, den Sprit zu fördern. Bei der Platzierung des Gascolators, in dem sich Wasser und Schmutz aus den Tanks sammeln, galt es abzuwägen: hinter oder vor dem Brandspant. Davor hätte bedeutet: Zugang durch die Cowling schaffen (extra Kontrolldeckel) und Aufheizung des Benzins im Motorraum in Kauf nehmen (Möglichkeit der Dampfblasenbildung). Dahinter heißt: schlechter Zugang unter dem Fronttank, hier jedoch keine Aufheizung; insgesamt weniger Bauaufwand.

Nachdem mein Freund mit der Jabiru-Tulak noch nie Wasser im Gascolator gefunden hatte, war klar, dass Kontrollen nicht sehr oft notwendig wären. Und wenn, da würde ich eben ein Gefäß im Passagierfußraum unter das Ding halten müssen. Wieder eine einfache Lösung, wieder ein paar Gramm gespart.

Design wie in einem japanischen Intercity

Dafür waren Beschaffung und Bedienung des Benzinhahns aufwändig: Als ich endlich wusste, dass es ein Kugelhahn mit Teflondichtungen sein muss, hatte ich immer noch keine Ahnung, wie ich ihn vom hinteren Sitz aus bedienen sollte. Den Hahn in Griffweite montieren? Das hätte lange Benzinleitungen durchs Cockpit erfordert, vom Brandspant zum Piloten und wieder nach vorn – keine gute Lösung.

Warum hat der Mensch nicht längere Arme? Eine Perunal-Segellatte vom Drachen, leicht und steif, musste als Bedienstange herhalten. Die Arretierung in „Auf“-Stellung erledigt ein Federschnapper direkt am Benzinhahn. An der Seitenwandverkleidung noch eine Führung für die Bedienstange montiert, Griffmulde („Fuel-On Fairing“) im Piper-Stil von Wag-Aero besorgt, Alurahmen als Blende angefertigt, Holzkugel aufs Ende der Stange geschraubt – und Foto gemacht.

Ein Kollege, der es Tage später auf meinem Monitor sah, war entweder rat- oder taktlos, denn er fragte: „Ist das der Toilettenhebel in einem japanischen Intercity?“ Es war das erste Mal, dass die Liste derer, die ich für einen Passagierflug vorgemerkt hatte, kürzer wurde.

Text und Fotos: Peter Wolter; fliegermagazin 11/2009

Technische Daten
Über den Autor
Peter Wolter

Peter Wolter kam vom Drachenfliegen zur motorisierten Luftfahrt und von der Soziologie zum Journalismus. Er steuert ULs sowie E-Klasse-Maschinen und hat sein eigenes UL (eine Tulak) gebaut.

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