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Klassiker-Formation: Im Doppeldecker zur Battle of Britain Airshow

Drei Niederländer machen sich auf den Weg zu einer Flugshow in den Südosten Englands. Das Trio reist in über 80 Jahre alten Flugzeugen.

Von Redaktion
Kreidefelsen
Piper vor Kreide: Aus dem offenen Cockpit der Boeing Stearman fotografiert der Autor seinen Fliegerfreund vor den Klippen von Dover. Foto: Thomas Fassin

Es scheint, als würden Kreidefelsen Thomas Fassin und Jaap van Steinfoorn magisch anziehen. In fliegermagazin #3.2021 berichteten die beiden fliegen Holländer von ihrer Reise über Rügens Wahrzeichen. Diesmal überqueren sie mit einer Piper Cub die weißen Klippen von Dover. Das Ziel liegt landeinwärts: die Battle of Britain Airshow auf dem Headcorn Aerodrome (EGKH).

Fassin, 60 Jahre alt, fliegt seit 1984 als Privatpilot. Die Hälfte seiner 900 Flugstunden hat er in einer eigenen Boeing Stearman von 1940 gesammelt, dem US-amerikanischen Doppeldecker-Trainer der (Vor-)Kriegszeit. Sein Begleiter van Steinfoorn ist 78 Jahre alt und Berufspilot mit rund 30000 Flugstunden Erfahrung. Für die viertägige Reise bekommen die Freunde Verstärkung von einem weiteren Privatpiloten: Cees Jansen stößt mit seiner Piper Cub von 1944 zu der Gruppe. Hier ist das Reiseprotokoll von Thomas Fassin.

Treffpunkt in der Luft: über der Brücke von Arnheim

Tag eins: Ich bin kurz hinter der niederländisch-deutschen Grenze in Stadtlohn (EDLS) im Münsterland gestartet. Cees und Jaap kommen mit der Piper Cub aus dem niederländischen Teuge (EHTE). Über der „Brücke von Arnheim“, bekannt aus dem gleichnamigen Film, beginnt unsere gemeinsame Reise im Formationsflug Richtung England.

AutorenbildAutorenbild
: Thomas Fassin im Cockpit seiner Boeing, hinter ihm Fliegerfreund Jaap van Steinfoorn. Das Foto stammt von einer früheren Reise.

Beim Stopp in Midden Zeeland (EHMZ) können wir uns schließlich die Hände schütteln. Wir landen zum Tanken und um treffen die Vorbereitungen für den Weiterflug nach England. Seit dem Ausscheiden aus der EU haben sich die Formalitäten kaum geändert – mit einer wichtigen Ausnahme: Die Briten verlangen neben einem Flugplan die rechtzeitige Abgabe des GAR-Formulars, am besten online. Und in Europa ist bei Abflug sowie Rückkehr eine grenzpolizeiliche Abfertigung, ggf. auch eine Zollkontrolle erforderlich.

Möglichst wenig über Wasser fliegen

In neuer Besetzung geht es weiter: Jaap steigt zu mir in die Stearman. Wir legen unsere Schwimmwesten an. Entlang der Küste via Oostende fliegen wir Richtung Calais. Ziel während der gesamten Reise ist es, so wenig Wasser wie möglich zu überqueren. In der Stearman mit dem Original-Sternmotor von 1941 fühlen wir uns doch etwas wohler mit Wiesen in der Nähe – nur für den Fall der Fälle. Über dem Meer wird mir ehrlich gesagt mitunter mulmig: Plötzlich hört man Geräusche, die man sonst nicht wahrnimmt.

Boeing StermanBoeing Sterman
Lieber über Wiesen: Mit seiner Boeing Stearman und ihrem Original-Motor von 1941 vermeidet Autor Thomas Fassin möglichst Flüge über Wasser.

Rügen kennen wir ja schon, aber auch die Kreidefelsen von Dover sind sehr beeindruckend. Von dort aus fliegen wir tief weiter über hügelige Landschaft und nehmen Kurs auf unser Ziel Headcorn. Wir landen auf Gras – und in einer anderen Zeit. Einige Maschinen aus dem Zweiten Weltkrieg sind bereits für die alljährliche Battle of Britain Airshow aufgestellt. Zu diesem Ereignis in zwei historischen Flugzeugen anzureisen, ist etwas ganz Besonderes.

Wir landen in der Vergangenheit

Auch am „Tower“ von Headcorn fühlt man sich weit in der Vergangenheit. Das Gebäude mit dem Air-Traffic-Control-Schild ist eher ein Bretterverschlag. Auf der Terrasse bestellen wir einen Tee. Am Flugplatz mieten wir Elektroräder und fahren – wieder in Formation – zu unserem Bed & Breakfast in Lenham: „Dog & Bear“ heißt es. In England ist es immer am schönsten, in solchen Pubs zu übernachten. Die Geschichte unserer Unterkunft reicht bis ins Jahr 1602. Die Decken sind niedrig; überall führen Stufen von einem Kämmerchen ins Nächste. Die Räume verbreiten viel Atmosphäre und Charme. Den Abend verbringen wir mit einem herrlichen Essen und lokalem Bier.

Tower von HeadcornTower von Headcorn
„Tower“ von Headcorn: Das Gebäude mit dem Air-Traffic-Control-Schild gleicht eher einer Bretterbude. Deutsche Piloten denken sofort an die „Luftaufsichtsbaracke“ von Reinhard Mey.

Der nächste Tag beginnt so stilecht, wie der Abend endete: Es gibt „Full English Breakfast“ mit Bratkartoffeln, Bohnen, Pilzen, Eiern, Speck und natürlich dem typischen Toast. Danach geht es zurück nach Headcorn. Die Airshow beginnt: Die Red Arrows der Royal Air Force setzen in Formation zu spektakulärem Kunstflug an. Nach der Eröffnung zeigen viele historische Flieger aus dem Zweiten Weltkrieg ihre Künste, darunter Lancasters, Hawker Hurricanes und eine Harvard T6. Am blauen Himmel jagen Spitfires einer Messerschmidt hinterher.

Den Luftkampf gewinnen traditionell die Spitfires

Der „Dogfight“ endet – natürlich – damit, dass die Messerschmidt mit Rauchfahne hinter dem Horizont verschwindet. Die Spitfires gewinnen den Luftkampf. Im Hintergrund ist Musik aus den vierziger Jahren zu hören, ebenso Luftalarm-Sirenen und die berühmten Durchhalte-Ansprachen von Churchill. Wieder wähnen wir uns in der Vergangenheit und sind dankbar, diese Zeit nicht miterlebt zu haben.

LuftkampfLuftkampf
Bei der Battle of Britain Airshow werden auch die Luftkämpfe um England nachgestellt. Symbole aus der Nazi-Zeit gehören in Großbritannien zur originalgetreuen Bemalung historischer Maschinen.

Nach der beeindruckenden Airshow checken wir unsere Flugzeuge. Die Batterie der Stearman ist komplett leer! Wir hatten vergessen, den Hauptschalter umzulegen. Zum Glück dürfen wir beide Maschinen über Nacht im Hangar unterstellen und die Batterie meiner Boeing wieder aufladen. Am Abend fahren wir mit unseren E-Bikes wieder Richtung Hotel, mit einem Zwischenstopp in einem indischen Restaurant.

Kleine und verlassene Flugplätze

Tag drei: Wir planen, zu einem kleinen Airstrip in der Umgebung zu fliegen. Von Headcorn geht es nach Rochester (EGTO). Es ist ein kurzer Flug von 20 Minuten. In England gibt es zahlreiche dieser kleinen Flugplätze, manche etwas heruntergekommen und verlassen, gezeichnet von morbidem Charme. Für unsere Flugzeuge suchen wir gezielt nach Airstrips mit einer Graspiste oder mit Asphalt in Windrichtung. Dabei müssen wir uns auf den östlichen Teil von Südengland beschränken, denn das Wetter im Westen ist nicht gut. Von Rochester geht es weiter nach Stapleford (EGSG) und von dort nach Thurrock (EGMT). Der traumhaft schöne Flugtag endet in Lydd (EGMD).

RochesterRochester
Morbider Charme: Der Flugplatz von Rochester ist einer der zahlreichen kleinen und fast verlassenen Airstrips im Südosten Englands.

Lydd ist ein größerer Flugplatz mit Zollabfertigung. Wir können im Hangar parken. Dafür gibt es ein anderes Problem: Der Airport liegt etwas außerhalb, Taxis fahren hier nicht vorbei. Ein Mitarbeiter bietet uns an, uns mit seinem Camper zur Unterkunft zu bringen. Wir nehmen dankend an. Lydd enttäuscht: Die Stadt liegt direkt an der Küste und bietet wenig Sehenswertes. Jaap erinnerte sich noch, er war vor 20 Jahren schon einmal hier. Viel verändert hat sich seither nicht. Unseren letzten Abend verbringen wir in einem griechischen Restaurant – es ist die einzige Option.

In Midden Zeeland trennen sich die Wege

Der nächste Morgen, der letzte Tag: Wir lassen uns wieder am Flughafen absetzen und treten die Heimreise an. Der Rückflug erfolgt wieder in Formation. Wie auf dem Hinweg übernimmt die Piper den Funk. Das Wetter ist traumhaft schön und wir fliegen zurück nach Midden Zeeland. Hier trennen sich unsere Wege. Jaap fliegt mit Cees in der Piper Cub zurück nach Teuge; ich zum Heimatflughafen Stadtlohn.

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Flugzeug-Reportage: Boeing Stearman

Es war ein mit vier Tagen nur kurzer Ausflug nach England, der uns sicherlich noch lange in bester Erinnerung bleibt – und nicht die letzte gemeinsame Reise gewesen sein wird. Mal ganz unabhängig davon, ob es in der Umgebung irgendwelche Kreidefelsen gibt, die wir noch nicht aus der Luft kennen.

Ach ja, das Wichtigste zum Nachahmen: Die Battle of Britain Aishow 2024 wird am 14. und 15. September in Duxford (nahe Cambridge) stattfinden. Tickets sind im Online-Vorverkauf erhältlich. Die Preise beginnen bei rund 50 Britischen Pfund. Duxford Airfield (EGSU) kann nur nach vorheriger Anmeldung angeflogen werden (PPR-Betrieb). Der Platz bietet eine asphaltierte Piste mit 1199 Meter Landestrecke sowie eine 880 Meter lange Graspiste (Ausrichtung jeweils 06/24).

Die Stearman

Seit knapp 17 Jahren befindet sich die Navy-Version Model 75 N2S-1 der Boeing Stearman im Besitz von Thomas Fassin. 2007 kaufte der Niederländer die N54WP in den USA und unternahm Flüge durch seine damalige Heimat Kalifornien. 2010 ließ er die Boeing per Container nach Holland transportieren. Zwischen 2011 und 2014 wurde die Stearman restauriert und zum Dreisitzer umgebaut (Doppelsitze vorn). Die 1940 gebaute Maschine war bis Juli 1945 bei der U.S. Navy als Trainer im Einsatz und befindet sich seit 1948 in Privatbesitz.

WingwalkingWingwalking
Wingwalking: Es gibt nicht mehr viele Kunstflug-Teams, die so auftreten. In Headcorn fliegen die Wingwalker ebenfalls Stearmans.

Text & Fotos: Thomas Fassin

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