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Flugplatz Guernsey – EGJB

Sie wollen Joey kennenlernen? Er ist ein Star im Vereinigten Königreich, genauer gesagt Hauptfigur einer der populärsten englischen Kinderbuchreihen. Joey ist eine Britten Norman Trislander mit Leib und Seele – und ihn gibt’s wirklich: auf der Kanalinsel Guernsey

Von Redaktion

Die Maschine der Aurigny Air Services mit dem Kennzeichen G-JOEY erledigt zusammen mit ihren Schwestern für die Kanalinseln Guernsey, Jersey und Alderney den lebenswichtigen Personen- und Frachtverkehr. Guernsey, die westlichste der Kanalinseln, liegt nur 27 Nautische Meilen vor Frankreich im Atlantik, der Weg zur Südküste Englands ist mit 70 Meilen erheblich weiter. Die Anreise über Frankreich bietet sich also an, zumal die Route entlang der französischen Küste via Deauville und Caen die Navigation einfach macht. Bei Überflug der Küste südlich von Cap de la Hague wird Kontakt mit „Jersey Zone“ aufgenommen, die sich über alle Kanalinseln und eine Menge Atlantik ringsherum erstreckt.

Luftrechtlich gesehen ein Unikum: Die Kanalinseln befinden sich in „permanent IMC“, man bekommt also auch bei bestem Wetter eine Special-VFR-Clearance zum Einflug in Jersey-Zone. Beim Wetter gibt es nur eine Regel: Die Prognose vom Morgen in Deutschland ist Makulatur, die Inseln haben ihr ganz eigenes Wetter. Selbst bei CAVOK über ganz Frankreich kann undurchdringlicher Seenebel bis zwei Meilen vor Guernsey vorherrschen, während die Insel selbst in strahlendem Sonnenschein liegt. Für den eigenen Seelenfrieden lohnt es sich also, ein Alternate auf dem französischen Festland im Hinterkopf zu behalten – und genügend Sprit im Tank, auch wenn der Avgas-Preis in Guernsey noch so verlockend niedrig ist … Die Hoffnung, die Strecke übers Wasser sicher in ein paar tausend Fuß zurücklegen zu können, wird aber meist enttäuscht: Wegen des an- und abfliegenden IFR-Verkehrs wird man meist auf 1000 oder 1500 Fuß beordert.

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Jersey Zone gibt fünf Minuten vor Erreichen der Insel an Guernsey- Approach weiter, der Kontakt zu Guernsey Tower wird erst mit dem Eindrehen in den Endanflug aufgenommen. Gerade auf der Frequenz von Jersey Zone ist eine Menge los, man sollte sich also auf einen zügigen und knappen Dialog einstellen. Dann kommt man in den Genuss perfekter Lotsenarbeit: Lange Holdings sind selten, und die Staffelung zwischen Airlinern und kleinen Einmots klappt reibungslos. Einmal gelandet, wird einem bewusst, wie angenehm auch ein Verkehrsflughafen organisiert sein kann: Abstellfläche direkt am Tower auf dem „West Grass“, kaum ausgestiegen, erscheint ein freundlicher Tankwagenfahrer, der sich dafür entschuldigt, wie teuer der Sprit geworden sei (73 Pence pro Liter, umgerechnet nur etwa ein Euro!) Zoll und Einreiseformalitäten werden im Tower erledigt, dort gibt’s via Selfbriefing auch das Wetter für den Heimflug. Die Landegebühren sind ebenfalls zivil: Umgerechnet 14 Euro für Einmotorige, eine Nacht Abstellgebühr inklusive.

Ein Taxi holt Piloten über einen Flugplatz-internen Weg direkt am Turm ab, alternativ läuft man keine fünf Minuten zur Bus-Station am neugebauten Passagier-Terminal. Guernsey ist eine eigene kleine Welt. Vom Golfstrom verwöhnt, präsentiert sich die Insel fast das ganze Jahr über als Blütenmeer. Das milde Klima lässt Palmen sprießen und schafft eine mediterrane Atmosphäre. „Perle im Atlantik“ nannte sie einst Victor Hugo, der dort die besten Jahre seines Schriftstellerlebens verbrachte. Seine Villa ist heute ein kleines Museum. Guernsey ist unabhängig – auch von Großbritannien. Das „Insel-Pound“ ist zwar wertgleich mit dem britischen Pfund, aber eben eine eigene Währung.

Guernsey ist unabhängig – auch von Großbritannien

Und Guernsey hat für jeden Geschmack etwas: Liebhaber flacher Sandstrände sollten sich zum nordöstlichen Teil der Insel aufmachen. Der Südwesten bietet eine spektakuläre Steilküste: Selbst wer kein Freund von Wanderungen ist, sollte wenigstens einen Teil des „Cliffpath“, der in St. Martins beginnt, unter die Beine nehmen. 80 Meter hohe Klippen wechseln sich mit romantischen kleinen Badebuchten ab. Für den Heimweg nimmt man am besten den exzellenten Bus-Service in Anspruch, der auf der Küstenstraße rings um die Insel führt. Die historische Haupstadt St. Peter Port mit pittoresken Sträßchen bietet zahlreiche exklusivie Geschäfte, woran die umliegenden Niederlassungen europäischer Großbanken nicht ganz unbeteiligt sind. Und beim Dinner macht sich die kulinarische Nähe zu Frankreich angenehm bemerkbar.

Historisch Interessierte können Überreste einer Befestigungsanlage aus der Bronzezeit besichtigen: das mächtige Castle Cornet aus dem 13. Jahrhundert am Eingang zum Hafen von St. Peter Port. Zahlreiche unselige Erinnerungen aus der Zeit der deutschen Besatzung während des Krieges, gesammelt im „German Occupation Museum“, vergegenwärtigen ein dunkles Kapitel der Insel. Unbeschwertere Unterhaltung bietet das „Guernsey Telephone Museum“. Ein Ausflug per Schiff auf die beiden kleinen Nachbarinseln Herm und Sark lohnt sich ebenfalls: Gehen schon auf Guernsey die Uhren deutlich langsamer, scheint dort die Zeit stehen zu bleiben. Seele baumeln lassen ist angesagt. Mitte September steht die Insel für eine Woche im Zeichen der Aviation Week. Den Auftakt bildet die „Guernsey Air Rally“, veranstaltet vom rührigen Aero Club, mit Navigations-Wettbewerb über Frankreich, Ziellandungen und Hangarball samt Preisverleihung.

Als Höhepunkt folgt die „Battle of Britain“-Airshow – nicht etwa am Flugplatz, sondern über dem Hafenbecken von St. Peter Port vor der historischen Altstadt als Kulisse. Die Royal Air Force ist mit ihrem „Battle of Britain Memorial Flight“ dabei, und ein Harrier Senkrechtstarter bringt im Schwebeflug das Meer zum Kochen. Als Höhepunkt dürfen die Red Arrows natürlich nicht fehlen. Guernsey zeigt so seine Sympathie für die Luftfahrt – die Trislander um sechs Uhr morgens ist eben keine lästige Lärmquelle, sondern ein willkommenes Flugzeug, das die aktuellen Zeitungen bringt.
Lassen Sie sich also bei der Planung nicht vom „Seafog“ beirren – der Flug zur Perle im Atlantik lohnt! Und nicht wundern, wenn ein kleines Mädchen im Restaurant am Nebentisch aufspringt und seine Mama ins Freie zerrt: Joey ist eben gelandet!

Guernsey – Tipps und Infos

So kommt man hin: Die Kanalinseln sind keine Unterzeichner des Schengen-Abkommens! Deshalb muss nicht nur ein Flugplan aufgegeben werden, die Einreise ist nur von einem Zollplatz aus (in Deutschland oder Frankreich) erlaubt. Wer also in Frankreich einen Zwischenstopp plant, sollte vorher die Zollfrage geklärt haben. Tipp für die Flugplanaufgabe: Bei der Routenwahl sehen die Franzosen gerne VOR-Angaben, in der Sektion „other information“ sollten (auch innerfranzösisch!) die EETs zu den jeweiligen FIR-Grenzen angegeben werden. Ist die Kanalküste erreicht, geht’s an der Seinebucht entlang, bis man auf der Höhe von Caen weiter nach Westen wieder landeinwärts fliegt, um das Sperrgebiet von Cap de la Hague südlich zu umgehen.

Vorsicht: La Hague mit seiner atomaren Wiederaufbereitungsanlage ist einer der empfindlichsten Bereiche Frankreichs, entsprechend das Sperrgebiet ringsum! Sorgfältige Navigation ist angesagt, nicht nur wegen der in der Nähe stationierten Mirage-Jäger, sondern auch wegen der drohenden drakonischen Geldbußen (bis hin zur Beschlagnahme des Flugzeugs). Für den Anflug auf Guernsey sind die beiliegenden Karten und Infos des DFS Airfield Guide „Channel Islands“ eine nützliche Hilfe. Last but not least: Schwimmwesten anlegen nicht vergessen – auch wenn das beim Zwischenstopp mitten in Frankreich etwas kurios wirken sollte. Achtung: Auf dem Vorfeld in Guernsey sollten Crew-Mitglieder Signalwesten tragen!

Unterkunft: Bei Guernsey Tourismus (c/o MHP, Ahornweg 3, 31867 Lauenau, Telefon 05043/98035) oder Guernsey Tourist Board (www.guernseytourist board.com) erhält man umfangreiche Informationsbroschüren sowohl für Hotels/Guesthouses aller Kategorien als auch in Sachen Gastronomie. Es lohnt sich, für die Planung der Tour einen Abend freizuhalten und mit einer Inselkarte den Fleck herauszufinden, der dem eigenen Gusto am ehesten entspricht. Für Kurzentschlossene gibt’s übrigens ein Büro des Guernsey Tourist Board im neuen Passagierterminal. Dort sind auch Mietwagen erhältlich – obwohl sich die Insel am besten per Fahrrad oder zu Fuß erkunden lässt. Leihräder besorgt jedes Hotel.

Aktivitäten: Übers Jahr ist auf Guernsey fast zu viel los, um ein einzelnes Ereignis herauszupicken: „Liberation Day“ mit großem Straßenfest und Feuerwerk am 9. Juni, „Harbour Carnival“ im Juli und die „Aviation Week“ im September sind nur einige davon. Es gibt drei Golfplätze, Angler- und Fischer-Trips und wunderschöne „Public Gardens“, in denen die ganze Blumenpracht der Insel zu bestaunen ist. Die meisten Guernsey-Besucher werden aber einfach ganz zwanglos die Insel erkunden, am Nachmittag einen „Cream Tea“ genießen und bei schönem Wetter ein Bad im Atlantik nehmen wollen – der im Sommer und Herbst mit rund 20 Grad Celsius gar nicht so kalt ist …

Text: Heinz Schreiber, fliegermagazin 2/2006