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Pilot’s Paradise England: Fly Goodwood

Ein Flugplatz mit Golfrasen im Schlosspark, dazu eine Auto-Rennstrecke, die um die Runway herumführt? Was für eine Kombination!

Von Redaktion

Nur einige Meilen nordwestlich des Seebads Brighton an der Südküste liegt Chichester/Goodwood (EGAR), auf der Insel seit vielen Jahrzehnten als „Glorious Goodwood“ berühmt. Und das erstaunlicherweise bei Piloten ebenso wie bei Motorsportlern und Fans von Pferderennen. Grund genug, diesem Mythos einmal nachzugehen. Aber der Reihe nach. Ein Tag im Frühsommer. Das englische Wetter verspricht laut Wetterfrosch, die nächsten Tage besser als sein Ruf zu sein. Über den britischen Inseln hat sich ein dickes Hoch breitgemacht. Wenige Meilen vor der Küste steigt der Adrenalinspiegel dennoch: Das prognostizierte CAVOK wird zu Scattered und binnen weniger Minuten zu Overcast. Le Touquet meldet Untergrenzen von 1100 Fuß. Der Ärmelkanal macht mal wieder sein eigenes Wetter. Ein englischer Pilot auf der Frequenz hilft: Zumindest soll es über dem Wasser nicht schlechter werden.

Das stimmt zum Glück, und beim Auftauchen der berühmten Kreidefelsen kommt ein Gefühl der Erleichterung auf, das einstmals auch Monsieur Blériot gespürt haben muss. Schließlich ist die Erzählung des Fliegerkameraden noch frisch im Ohr, der hier vor Jahren wegen Triebwerksausfall mit seinem Kitfox ein unfreiwilliges Kanal-Bad nehmen musste. Fünf Minuten später strahlender Sonnenschein entlang der Küste, kein Wölkchen trübt mehr den Himmel. Die klassischen englischen Seebäder Hastings und Brighton ziehen vorbei, auf der Platzfrequenz von Shoreham geht’s zu wie bei Frankfurt Radar … Der Park mit Grasbahn und Rennstrecke ist nicht zu verfehlen – ein Anflug mit Standard Overhead Join (siehe auch unten „Fliegen in Großbritannien“) gibt Gelegenheit für einen guten Überblick. Und das freundliche „Welcome in Goodwood!“ über Funk beim Ausrollen lässt die Stimmung weiter steigen. Das Areal bietet viel Erzählstoff: über die Geschichte des Platzes etwa, dessen Anfänge auf Freddie March, den IX. Duke of Richmond, zurückgehen.

Das freundliche „Welcome in Goodwood!“ über Funk beim Ausrollen lässt die Stimmung weiter steigen

Der erhielt vor genau 75 Jahren vom Royal Aero Club seine Pilotenlizenz und baute in den dreißiger Jahren mehrere eigene Flugzeuge. 1938 stellte er den Platz der Royal Air Force zur Verfügung, die dort Spitfire und Hurricane stationiere. Auch Douglas Bader, trotz Beinamputation ein legendäres englisches Jagdflieger-Ass, war mit seiner Spitfire in Goodwood zuhause. Eine Bronzestatue in Lebensgröße erinnert in Goodwood Park heute an ihn. Nicht weniger geschichtsträchtig ist die Rennstrecke, die aus der alten Perimeter Road, dem Taxiway rings um den Flugplatz, entstand. Stirling Moss gewann 1959 in Goodwood auf Aston-Martin die Sportwagen-Weltmeisterschaft und beendete 1963 nach einem bösen Unfall hier seine internationale Karriere. Für Freunde klassischer Bau- und Gartenarchitektur ist der Besuch von Goodwood House, Wohnsitz des Duke of Richmond, unverzichtbar. Ursprünge des Schlosses gehen bereits auf das Jahr 1616 zurück.

Die beeindruckende heutige Anlage entstand kurz nach 1800 und beherbergt eine bekannte Gemälde- und Porzellansammlung. Goodwood 2006 ist aber viel mehr als seine Geschichte. In bester Tradition seiner Vorfahren, kombiniert mit trefflichem Gespür für die Träume der Menschen heute, hat der derzeitige Earl of March Goodwood Estate zu einem Zentrum von Luftfahrt und Motorsport ausgebaut, das weltweit einzigartig ist. Zu den beiden Topveranstaltungen „Festival of Speed“ und „Goodwood Revival“ pilgern jährlich mehr als 300 000 Enthusiasten, die sowohl in der Luft als auch auf der Erde eine ziemlich einzigartige Show geboten bekommen. Die Red Arrows fehlen dabei ebensowenig wie die reichhaltige Warbird-Szene der Insel. Noch heute wird bewundernd die Geschichte des kürzlich verstorbenen Flieger-Ass Ray Hanna erzählt, dem die Tribünen-Zuschauer bei einem tiefen Überflug entlang der Start- und Zielgeraden von oben ins Cockpit seiner Spitfire schauen konnten …

Zu den beiden Topveranstaltungen „Festival of Speed“ und „Goodwood Revival“ pilgern jährlich mehr als 300 000 Enthusiasten

Weniger spektakulär, aber nicht minder beeindruckend ist der Flugplatz an normalen Tagen: Vor allem die Typenvielfalt der 150 stationierten Maschinen fällt auf. Die Oldtimerfraktion ist mit einem eigenen Hangar vertreten, in dem neben diversen Motten und Chipmunks auch die Bü 131 ihr Zuhause gefunden hat. Mit genau dieser Jungmann wurden 1936 die Olympischen Spiele in Berlin eröffnet. Und noch heute hat sie die Originallackierung mit den olympischen Ringen auf der Cowling. Glanzstück bei den Helikoptern bildet eine Aerospatiale Gazelle HT2 aus dem Display-Team der Royal Navy, heute in Privatbesitz. Zentraler Treffpunkt am Platz ist der Goodwood Aero Club mit Restaurant und angeschlossener Flugschule. Während für die Standardausbildung eine Piper-Flotte der Typen PA-38 und PA-28 bereitsteht, geht man bei der Kunstflugschulung neue Wege.

Cheffluglehrer Mark Hubbard erläutert: „Mit der Super Decathlon bieten wir unseren Schülern nicht nur Kunstflugtraining an. Sie haben später auch die Chance, bei von uns organisierten Wettbewerben auf der Decathlon Können und Routine ständig zu verbessern“. Im kommenden Jahr ist die Anschaffung einer Harvard T-6 als Basistrainer für angehende Spitfire- und Mustangpiloten geplant. Glückliches England! Wer einige Tage in Goodwood verbringen möchte, sollte einen Besuch im nahegelegenen Chichester mit seiner berühmten, mittelalterlichen Kathedrale einplanen. Wenige Meilen entfernt liegt die fast 1000 Jahre alte Burganlage von Arundel Castle und das Tangmere Aviation Museum mit Schwerpunkt auf den frühen Jets der fünfziger Jahre und dem „High Speed Flight“ der Royal Air Force.

Goodwood bietet viele Unterkünfte

Der Goodwood Aero Club ist bei der Vermittlung einer Unterkunft gerne behilflich; im Eingangsbereich des Schlossparks bietet sich das „Marriot Goodwood Park Hotel“ an. In der näheren Umgebung finden sich auch zahlreiche „Bed & Breakfast“ Pensionen, etwa das „Old Store Guest House“. Britischer und gemütlicher geht’s nicht mehr. Das „Anglesy Arms“ ein ebenso typischer Pub, liegt schräg gegenüber. Ein Fleckchen Erde mit einer ganz besonderen Faszination also, ganz gleich, ob für Flieger, Rennsportfans oder Reiter. Glorious Goodwood eben!

Fliegen in Großbritannien

Zoll: Natürlich kann man einen Zollplatz anfliegen – man muss aber nicht. Dank des genialen General Aviation Report (GAR)-Formblattes darf jeder beliebige Platz angeflogen werden, sofern der Zoll mindestens vier Stunden vor Ankunft (aus einem EG-Land) verständigt wird. Beim Ausflug (in ein EG-Land) entfällt diese Informationspflicht sogar. Das Formblatt lässt man sich entweder vom Zielflugplatz zufaxen oder ruft es direkt unter GACOPE@hmce.gsi.gov.uk via E-Mail ab. (Für Flüge von/nach Irland, Nordirland, die Isle of Man und die Channel Islands gelten zusätzlich die Regelungen des „Terrorism Act“, soweit das Staatsgebiet Großbritanniens berührt wird, siehe auch Touch and Go „Guernsey“, fliegermagazin 02/2006.)

Lower Airspace Radar Service: Eine feine – aber nicht obligatorische – Sache, die das Fliegen in Großbritannien entspannter machen kann: Über weiten Teilen der britischen Inseln wird nach Wunsch Lower Airspace Radar Service (LARS) angeboten – entweder Radar Advisory Service (RAS) für IFR-Flüge oder Radar Information Service (RIS) für VFR- Flüge. Der RIS meldet nicht nur anderen (bekannten) Verkehr, sondern gibt auch Infos über den Status von Danger Aereas und ähnlichem.

ATZ und MATZ: Aerodrome Traffic Zone (ATZ) und Military Aerodrome Traffic Zone (MATZ) sind kreisförmige Mini-Kontrollzonen auch und gerade an kleineren Plätzen. Sie reichen bis 2000 beziehungsweise 3000 Fuß über Grund hinauf und werden auf der Karte leicht übersehen. Gleiches gilt für entsprechend markierte Parachuting Drop Zones.

Standard Overhead Join

Der Standard Overhead Join, das klassische Anflugverfahren auf Plätzen ohne Kontrollzone, wird auch heute noch oft (aber nicht immer, also Anflugblatt beachten!) als üblich angesehen. So geht’s: Anflug 1000 Fuß über der Platzrundenhöhe 90 Grad zur Bahn auf deren Mitte zu. Sinken auf Platzrundenhöhe auf der der Platzrunde abgewandten Seite. Gleichzeitiges Eindrehen in Richtung der „nicht aktiven“ Schwelle, über die man dann in den gewohnten Gegenanflug einfliegt. Klingt kompliziert, ist es bei genauer Betrachtung aber gar nicht und hat den Vorteil, sich die Lage erst einmal aus größerer Höhe in aller Ruhe ansehen zu können. Ein wie hierzulande üblicher unmittelbarer Einflug in den Gegenanflug wird inzwischen auf zahlreichen Plätzen ebenso praktiziert. Falls jedoch beim Einleitungsfunkspruch ein Report Overhead gefragt wird, sollte man wissen, was gemeint ist!

Apropos Funk: Wer mit französischen, italienischen oder US-Controllern zu tun hatte, wird mit Vergnügen realisieren, wie leicht Englisch in Großbritannien zu verstehen ist. Was aber nicht zur Nachlässigkeit verführen sollte: Gerade der Luftraum Südenglands ist ziemlich eng gestrickt, und man erzählt gerne die Geschichte einer Gruppe kontinentaler Besucher, die durch Luftraumverletzungen mit ihren Motorseglern vor nicht allzulanger Zeit für einiges Chaos sorgten. Präzises Fliegen wird dafür mit ausgesprochener Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit belohnt.

Text: Heinz Schreiber, Fotos: Heinz Schreiber, Goodwood Aero Club, fliegermagazin 5/2006

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