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Flugplatz Speyer – EDRY

Schon der Anflug auf EDRY ist spektakulär: Wo sonst liegt ein veritabler Dom beinahe in der Platzrunde? Doch auch am Boden gibt es viel zu erleben

Von Redaktion

Das gibt’s doch nicht … Wer in Speyer zur Landung auf Bahn 34 ansetzt, könnte glatt vergessen abzufangen. Einerseits, weil fast 1700 Meter gemütlich lang sind. Andererseits, weil im Hintergrund ein wahrhaftiger Jumbo-Jet stolz die Nase in die Luft reckt, als wäre hier der Airport Rhein-Main – Düsengeräusch von einem Businessjet macht die Illusion beinahe perfekt. Aus der Froschperspektive überragt das Ding sogar den benachbarten Dom. Die ausrangierte Boeing 747-200 der Lufthansa gehört zum Technik-Museum und steht auf einem Sockel unweit des Flughafenzauns. Schon aus der Platzrunde sieht man weitere Flugzeuge und sogar Dampfloks. Im Museum sollen sich Oldtimer-Autos, Flugzeuge und Kuriositäten von der Zirkusorgel bis zur Raumfähre geradezu stapeln – das wollen wir uns anschauen.

Vor dem schmucken Flughafengebäude dösen drei kleine Privatfllieger in der Sonne. Eine nagelneu wirkende Halle steht dicht am Terminal, auf der anderen Seite der Bahn gibt es weitere Hangars und einen Aeroclub. Die Tische unter den Sonnenschirmen sind an diesem heißen Sonntag bis auf den letzten Platz besetzt. „Möchten Sie ein Fahrrad?“ Der freundliche junge Flugleiter bietet Drahtesel an, doch wir entscheiden uns für den Fußweg in die Stadt. Ruckzuck bringt uns der Follow-me-Wagen zum Aeroclub, der einen Flugplatzausgang hat. Die City ist zum Greifen nah; fast könnte man meinen, die Römer hätten den Flugplatz beim Bau von Speyer (seinerzeit „Noviomagnus“) gleich mit eingeplant.

Wer in Speyer zur Landung auf Bahn 34 ansetzt, könnte glatt vergessen abzufangen

Vor gut 2000 Jahren nur ein kleines Grenzkaff links des Rheins, wurde „Spira“ im Mittelalter Bischofssitz, freie Reichsstadt und eine der bedeutendsten Städte des heiligen römischen Reiches deutscher Nation. Speyer hat heute knapp 50 000 Einwohner und gehört als kreisfreie Stadt zu Rheinland-Pfalz; östlich des Rheins beginnt Baden-Württemberg. Schlappe 700 Meter sind es nur vom Flugplatz zum Domgarten, an dessen Rand sich das imposante historische Museum der Pfalz erhebt. Das wahre Prunkstück der Stadt, der Kaiser- und Mariendom, ist seit 1981 UNESCO-Weltkulturerbe und das größte romanische Bauwerk der Welt.

Spielwiese: Aus der Luft wirkt das Technik
 Museum Speyer wie eine Modellbahnanlage, doch die Exponate sind ganz real. Ein Besuch lohnt sich! (Foto: Rolf Stünkel)

Fast wäre er wie der Rest der Stadt im Jahre 1689 den Flammen zum Opfer gefallen: Sonnenkönig Ludwig XIV. hatte im pfälzischen Erbfolgekrieg seinem General Mélac (von ihm stammt das Schimpfwort „Lackel“) befohlen, die Stadt niederzubrennen, und den Bewohnern blieben nur Stunden, die Häuser zu verlassen. Viele stapelten ihr Hab und Gut im Dom, der trotz Beteuerungen der Franzosen, ihn zu schonen, ebenfalls ausbrannte. Nach dem Wiederaufbau im 18. Jahrhundert nutzten napoleonische Truppen den Bau als Viehstall und Materiallager; heute ist er längst wieder Gotteshaus, dessen Kaisergruft mit den Gebeinen so berühmter Herrscher wie Heinrich IV und Rudolf von Habsburg die Besucher anzieht.

Vom Domplatz aus geht’s am leuchtend rot gestrichenen Rathaus entlang zur Fußgängerzone Maximilianstraße, dem Standort des historischen Rathauses und der Alten Münze. Vorbei an vollbesetzten Cafés führt der Weg zum so genannten Altpörtel. Das 55 Meter hohe mittelalterliche Haupttor im Westen der Stadt stammt teils noch aus dem 13. Jahrhundert und blieb im Feuersturm von 1689 wie durch ein Wunder erhalten. Mit seiner stadtgeschichtlichen Ausstellung und dem Rundblick über die Altstadt ist der Turm einen Besuch wert. Im Technik Museum am Flugplatz klappen uns schon in der ersten Halle die Kinnladen runter. Wohin man schaut, kostbare Luxusschlitten, Feuerwehrautos, Militär- und Schienenfahrzeuge und sogar Mini-U-Boote. Ab und zu ertönt eine mechanische Orgel, untermalt vom (eingespielten) Fauchen einer Dampflok, deren riesige Räder sich drehen.

Speyer hat auch die größte Raumfahrtausstellung Europas, inklusive des russischen Raumgleiters Buran und Sojus-Landekapsel. Weitere Höhepunkte sind ein IMAX-Kino, ein großer Antonov-Transporter und zahlreiche andere Jets und Propellerflugzeuge aller Größen, ein Seenot-Rettungskreuzer und eine Marine-Ausstellung. Star der Ausstellung ist natürlich der Jumbo-Jet; man kann ihn nach dem Besteigen – falls gewünscht – über eine Rutsche wieder verlassen. Das ehemalige Flaggschiff der Lufthansa entging samt kompletter Inneneinrichtung dem Schredder und steht in Flugpose (leichte Schräglage, Steigflug) auf seinem Sockel. Niemand lässt es sich nehmen, vom begehbaren Flügel die Aussicht zu genießen. Nach einem wohlverdienten Snack im Museumsrestaurant laufen wir am Rheinufer zurück zum Flugplatzgebäude.

Speyer hat auch die größte Raumfahrtausstellung Europas

Piloten-Vorbereitungsraum, VIP-Lounge, kostenlose Parkplätze, alles ist vom Feinsten. „Wir benötigen nur einige wenige Räume, ein großer Teil des Gebäudes ist vermietet“, meint Geschäftsführer Roland Kern beinahe entschuldigend. Er zeigt verschmitzt lächelnd auf einen leeren Fleck des benachbarten Werksgeländes: „Da drüben stand der alte Tower.“ Hinter dem Werkszaun beginnt das Areal der PFW Aerospace GmbH Speyer; PFW steht für Pfalz-Flugzeugwerke, hier werden Bauteile unter anderem für Boeing und Airbus hergestellt. Anno 1913 fing auf dem kleinen Fluggelände alles an – „mit einer Flugmaschine, einem Flugzeugschuppen, einem Opel-Flugmotor sowie verschiedenen Werkzeugen und Zeichnungen“, so ist es auf der PFW-Webseite zu lesen.

Wendepunkt: Seit 1981 ist der Speyerer Dom Weltkulturerbe – und hilft beim Einhalten der Platzrunde (Foto: Rolf Stünkel)

1914 glückte der erste Postflug von Speyer nach Namibia, und im Ersten Weltkrieg zählte das Pfalz-Flugzeugwerk mit zeitweilig 2000 Mitarbeitern und einer Produktion von mehreren tausend Kampfflugzeugen zu den bedeutendsten deutschen Rüstungsbetrieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Speyer zunächst Heinkel-Kabinenroller produziert, später Flugzeuge von den Firmen Ernst Heinkel, VFW-Fokker, MBB und zuletzt DASA. Anfang der neunziger Jahre wurde der Flugplatz nicht mehr benötigt und stand vor der Schließung. Kern, damals Lokalpolitiker, mochte dem nicht tatenlos zusehen. „Wir schlugen dem Land Rheinland-Pfalz und dem Speyerer Stadtrat den Kauf des Verkehrslandeplatzes vor“, erinnert er sich. „1994 stimmten die Partner zu; noch im selben Jahr wurde eine Grundstücks- und Betreibergesellschaft gegründet und der Kaufvertrag geschlossen.“

1914 glückte der erste Postflug von Speyer nach Namibia

Speyer hat seit 2011 mit 1677 Metern die längste Start- und Landebahn der Region, samt parallelem Rollweg und bester Infrastruktur. Genutzt wird sie von zahlreichen Firmen, unter anderem auch Peter Funks FK-Service-Center Süd, die hier ULs wartet. Damit verbunden: Bücker & Funk, ein weiterer großer Name am Platz. Dank Zollabfertigung (mit zwei Stunden Vorwarnung) und einem kurzen Draht zur Flugsicherungs-Niederlassung in Langen steht kurzfristigen Auslandstrips nichts im Wege. „Wir holen für abfliegende Geschäftsflugzeuge einen Transpondercode ein und teilen ihnen gleich die erste Abflugsektoren-Frequenz für Langen mit“, erläutert Flugleiter Walter. IFR-Anflüge sollen bald möglich sein.

Roland Kern blickt aufs Vorfeld, wo gerade eine Aerostar zum Start rollt. „Wir haben ein junges, kundenfreundliches Team“, bekräftigt er. „Der Werksverkehr, das Technik-Museum und unsere Airliner-Classic-Flugtage bringen viele Besucher. Es könnten aber gern noch mehr Privatflieger bei uns landen.“ Die bekommen Ermäßigung für das Technik Museum und können Fahrräder leihen. Kern, selbst begeisterter Privatpilot, pflegt gute Kontakte zum russischen Kursk; er durfte seinerzeit im Cockpit der Antonov landen, die jetzt am Museum neben dem Jumbo parkt. Wer weiß, vielleicht steht schon bald ein ausrangierter A380 daneben? Keine Frage, die Speyerer kriegen auch das hin.

Text & Fotos: Rolf Stünkel; fliegermagazin 11/2016