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Moderner Elektroflug: Solarflugzeug Sunseeker Duo von SolarFlight

Schwere Batterien und kurze Motorlaufzeit – das ist Elektroflug heute. Anders bei einem Solarflugzeug wie dem Sunseeker Duo: Dessen Solarzellen liefern durch permanente „Luftbetankung“ mehr Energie, als im Reiseflug verbraucht wird – solange die Sonne scheint. Ein grandioses Erlebnis!

Von Redaktion
Moderner Elektroflug: Solarflugzeug Sunseeker Duo von SolarFlight
Perfekte Synthese: Gab es jemals ein faszinierenderes Zusammenspiel von Natur und Technik? Hier passiert das Solarflugzeug im Wallis den Aletschgletscher.

Zwei Herzen schlagen, ach, in meiner Brust: Einerseits engagiere ich mich ehrenamtlich im Aufsichtsrat einer NGO für die reduzierte Emission von Treibhausgasen in der Logistik und im globalen Frachtverkehr (SmartFreightCentre.org), andererseits toure ich leidenschaftlich gerne in meiner Cessna 182 kreuz und quer durch Europa. Um so interessanter finde ich technische Entwicklungen, die Klimaschutz und Luftverkehr vereinen.

Dazu gehört der Elektroflug, insbesondere in seiner ultimativen Ausprägung: dem Solarflug. Dabei ist keine große und schwere Batterie mit dennoch sehr begrenzter Kapazität an Bord, vielmehr füllen Solarzellen das Energiereservoir permanent auf – solang die Sonne scheint. Ein solches Solarflugzeug ist der Sunseeker Duo. Als ich vor einigen Jahren auf der AERO gleich im Eingangsbereich auf den Motorsegler stieß, war ich völlig von den Socken. Mit Flugerfahrung auf Motorseglern wie Scheibe SF25, Diamond HK36 und Stemme S10 nahm ich voller Staunen im Cockpit Platz. Bei der Sitzprobe lernte ich den amerikanischen Konstrukteur und Erbauer kennen, Solarflug-Pionier Eric Raymond, sowie seine italienische Frau Irena, die ebenfalls eine erfahrene Pilotin ist.

SolarFlight Sunseeker Duo: Betankung während des Fluges

Was mich schon damals faszinierte, war diese einzigartige Kombination von Merkmalen und Eigenschaften: ein Flugzeug für den zielgerichteten Reiseflug, mit grandioser Sicht und flüsterleise, vor allem aber völlig unabhängig sowohl von Aufwind als auch von klimaschädlichem Treibstoff.

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Als nun im Sommer 2020 die Corona-Ansteckungsraten runtergingen, rief ich bei den Raymonds in Italien an und verabredete einen Probeflug in Voghera südlich von Mailand, am Nordrand des Appenin. Die Terminfindung gestaltete sich etwas schwierig, denn sie war von der Windrichtung im westlichen Mittelmeer abhängig. Die beiden wollten nämlich mit ihrem Solarflieger einige Tage auf Korsika verbringen, und da die Energieausbeute der Solarzellen eine geringe Flächenbelastung voraussetzt, was eine mäßige Reisegeschwindigkeit zur Folge hat, werden Gegen- und Rückenwind bei der Reiseplanung zu einem gewichtigen Faktor. Schließlich gelang es aber doch, unsere Termine zu koordinieren.

Auf Knopfdruck geht’s aufwärts: Die Batterie ist noch ausreichend geladen

Obwohl es bei meiner Ankunft schon recht spät am Nachmittag ist, räumen Eric und Irena das Flugzeug noch mal aus der Halle. Der obligatorische Frage nach meinem Körpergewicht kommt bei einem derart leistungsschwachen Flugzeug eine besondere Bedeutung zu. 88 Kilo – Eric nickt gelassen; er selbst ist eher ein Leichtgewicht. Die Batterie ist vom Flug am Vormittag noch hinreichend geladen, sodass einem Start nichts im Weg steht. Der Konstrukteur nimmt rechts Platz. Auf dem Weg zur Piste steuert er das Bugrad mit einem kleinen, separaten Steuerrad, ganz wie bei einem Airliner.

BordstromBordstrom
Start mit Bordstrom: Eine Batterieladung ermöglicht gute 20 Minuten Steigflug.

Take-off-Check, und los geht’s. Gleich die erste Überraschung: Noch vor der versetzten Schwelle der „34“ heben wir ab – nach ungefähr 150 Metern! Dann geht es mit 1,6 Metern pro Sekunde aufwärts. Vom Motor hinten ist nichts zu hören, obwohl wir natürlich keine Kopfhörer tragen.

Riesige Fenster: Durch die Öffnungen in der Kabinenhaube kann man spektakuläre Fotos schießen

Eric kennt die thermischen Hotspots, die auch am Spätnachmittag noch ziehen. So etwa das Castello di Nazzano, das auf einem Berg liegt – auch optisch ein Hochgenuss. Triebwerk aus; im Segelflug gewinnen wir rasch Höhe. Tja, und als wir an der Basis angekommen sind, drückt Eric einen Knopf, und zwischen imposanten Cumulus-Türmen geht das Steigen einfach weiter. Über den Tops müssen wir leider in 8500 Fuß ausleveln, sonst würden wir in den ausgedehnten Luftraum A von Mailand geraten. Bei exzellenter Fernsicht schweift der Blick über den Appenin bis zum Horizont.

SchiebefensterSchiebefenster
Purer Genuss: Autor Adrian Weiler auf dem linken Sitz mit Konstrukteur Eric Raymond über Norditalien. Riesige Schiebefenster bieten ein Flugerlebnis fast wie im offenen Cockpit.

Das Side-by-side-Cockpit ist geräumig, vor allem in der Breite – beim Rumpf des Sunseeker Duo hat der Reisemotorsegler Stemme S10 Pate gestanden. Ein absolutes Highlight des Solarflugzeugs sind die in speziell geformten Führungsschienen nach vorne aufschiebbaren Fenster. Die beidseitigen Öffnungen in der Kabinenhaube sind riesig. Sie laden zu spektakulären Fotos ein, die Irena jährlich zu großformatigen Kalendern arrangiert. Dank pfiffiger Spoiler an der Vorderkante der Öffnungen stört im Cockpit kein Luftzug das Vergnügen. Nicht mal Headsets beeinträchtigen das entspannte Cabrio-Feeling über den Wolken.

Exzellente Rundumsicht: Nach vorne blockiert kein Propeller die Sicht

Wegen der Sitzposition vor dem Flügel des Hochdeckers ist die Rundumsicht exzellent. Nach vorne beeinträchtigt kein überdimensioniertes Panel die Sicht, keine wuchtige Motorhaube und kein wirbelnder Propeller.

Die kompakte Bauart und das geringe Gewicht von Elektro- im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren erlauben große Freiheiten bei der Platzierung des Triebwerks, und der Konstrukteur des Sunseeker Duo hat sie genutzt: Der 15 Kilowatt leistende Elektromotor mit Zugpropeller sitzt in einem schlanken Pylon oben am Seitenleitwerk. Übrigens scheint die Kühlung auch bei Elektromotoren ein häufig unterschätztes Problem zu sein; Eric berichtet von einigen Experimenten mit der Luftzufuhr, bis alles gut funktionierte.

Unbegrenztes Cruisen: Die Solarzellen liefern genug Energie für lange Reisen

Aber das eigentlich Außergewöhnliche ist die völlige Energieautarkie, ohne fossile Energiezufuhr. Im Gegensatz zu reinen Segelflugzeugen ist Höhengewinn ohne Ausnutzung dynamischer oder thermischer Naturphänomene möglich, was freie Routenwahl möglich macht, auch über den Wolken (wenn sie nicht zu hoch sind). So ist ein Streckenflug übers Mittelmeer nach Korsika oder weiter kein Problem. Anders als mit klassischen Motormaschinen stören dabei weder die happigen italienischen Treibstoffpreise noch das leise nagende Gewissen angesichts der Klimakrise.

SolarzellenSolarzellen
Voll genutzt: Sogar die Oberfläche des Höhenleitwerks ist von Solarzellen bedeckt. Auf insgesamt 24 Quadratmetern sind gut 1500 Zellen verteilt.

Eric erläutert den Antrieb: Rund 1500 Solarzellen liefern bei voller Sonneneinstrahlung etwa 5 Kilowatt. Zum Reisen werden aber nur rund 4,5 kW benötigt. Bei Sonnenschein ist also unbegrenztes Cruisen möglich, anders als im Segelflug auf geradem Kurs, durch kontrollierte Lufträume wie mit Motormaschinen, aber unabhängig von Tank- oder Batteriekapazität oder irgendeinem anderen Energiespender. So geht Elektroflug!

Genussflugzeug: Der Sunseeker Duo überzeugt mit seinem geräumigen Cockpit

Überhaupt ist der Sunseeker Duo nicht nur eine Pionierleistung für den Klimaschutz in der Luftfahrt, sondern auch ein echtes Genussflugzeug: Hoch über dem Appenin, ohne Motorlärm, mit grandioser Rundumsicht, zu zweit nebeneinander im geräumigen und weit offenen Cockpit, ohne Zugluft und ohne Treibstoffbeschränkungen – das ist einmalig. Selbst die Abendsonne reicht aus, um genügend Energiereserve im Speicherakku zu erzeugen, damit nach der Landung ein erneuter Start möglich wäre.

Highend-ReisemotorseglerHighend-Reisemotorsegler
Nutzen, was es schon gibt: Der Rumpf des Sunseeker Duo basiert auf dem der Stemme S10 (unten), eines Highend-Reisemotorseglers mit Verbrennungsmotor.

Anderthalb Stunden vergehen wie ein Wimpernschlag. Ich fliege die Maschine die ganze Zeit. Das Handling ist einfach, die Trimmung perfekt. Für Motorflugpiloten gewöhnungsbedürftig ist allenfalls die segelflugtypische starke Wirkung des Seitenruders. Damit der Faden in der Mitte bleibt, erfordert die große Ruderfläche recht viel Zehenspitzengefühl.

Professioneller Drachenflieger: Eric hat bereits die amerikanische Meisterschaft gewonnen

Am Abend erzählt Eric bei leckerer Pizza in einem Gartenlokal Erstaunliches aus seinem Leben als professioneller Drachenflieger – er hatte schon 1974 mit dem damals noch jungen Sport begonnen, war mal amerikanischer Meister und gewann zweimal die Kunstflug-WM für Drachen. Vor allem aber beeindrucken mich seine Aktivitäten als Konstrukteur und Solarflug-Pionier. Angeregt wurde der heute 65-Jährige durch seine Bekanntschaft mit Günter Rochelt, einem Wegbereiter des Muskelkraft- und Solarflugs. Eric war einer der ganz wenigen Piloten, der Rochelts Musculair 2 fliegen durfte.

Pionier der Luftfahrt: Drei von Erics Maschinen sind im Museum ausgestellt

Der Münchner Designer entwickelte auch die Solarflugzeuge Solair 1 (1983) und Solair 2 (1998); drei seiner Maschinen sind im Deutschen Museum ausgestellt. Für Eric war klar: Wenn man ein Flugzeug – wenngleich ein extrem leichtes – alleine durch die Leistung menschlicher Muskeln, rund 280 Watt, betreiben kann, muss man mit Solarzellen nach aktuellem Stand der Technik auch schwerere Flugzeuge antreiben und größere Geschwindigkeit erreichen können.

AlpenquerungAlpenquerung
Hoch überm Gebirge: Im Jahr 2009 gelang dem Amerikaner die Querung der Alpen mit Solarenergie. Schon der Sunseeker I bot Cabrio-Feeling.

So entstand 1989 die erste, einsitzige Sunseeker-Version, mit der er in Etappen die gesamten USA querte und später auch die Alpen überflog. 2013 hatte der Sunseeker Duo dann seinen Erstflug in Italien. Bis heute war der Doppelsitzer mehrere hundert Stunden in der Luft, stationiert ist er in der Nähe von Udine. Eric und Irena nutzen das Flugzeug für Reisen über Land, Gebirge und Meer, solange nur die Sonne scheint. Bereits 2014 unternahmen sie gemeinsam ihren ersten Streckenflug mit dem Sunseeker Duo. Ein Jahr später überquerten sie damit die Alpen.

Zukunft des Solarflugs: Für die nächste Version des Sunseekers fehlt es an Kapital

Auf meine Frage nach der Zukunft des Solarflugs meint Eric, er studiere gerne Luftfahrtgeschichte, und historische Entwicklungen neigten ja bekanntlich dazu, sich zu wiederholen. Die ersten erfolgreichen Motorflugzeuge habe man aus Segelflugzeugen mit geringem Leistungsbedarf entwickelt. Mit immer stärkeren Motoren wurden die Flugzeuge schwerer und schneller. Dies lege nahe, dass Elektroflieger einer ähnlichen Entwicklung folgen werden und mit zunehmender Leistungsfähigkeit von Solarzellen, Batterien und Elektronik auch höhere Nutzlasten, Reichweiten und Geschwindigkeiten zu erwarten seien.

Sunseeker 1 und 2Sunseeker 1 und 2
Vom Ein- zum Zweisitzer: Vorn Sunseeker I, hinten Sunseeker Duo. Mit dem Vorgänger des Duo hat Eric Raymond 1990 in 21 Etappen die USA überquert.

Seit 2002 musste Eric selbst mit dem kleineren Sunseeker I nie vor Sonnenuntergang landen. Eine nächste Generation des Sunseeker Duo würde dank modernerer Solarzellen mit kleineren Tragflächen auskommen, mehr Zuladung erlauben und vor allem deutlich schneller sein. Aber dazu bräuchte es Innovationskapital.

Geringe Speed und wenig Zuladung – als Reisemaschine hat der Sunseeker Duo heute leider diese doppelte Achillesferse, geschuldet ist sie dem sparsamen Energieeinsatz. Im Reiseflug zeigt der Fahrtmesser gerade mal 35 Knoten an. Inzwischen verstehe ich, weshalb mich Eric bei unserer Verabredung am Telefon gewarnt hatte, dass der Zeitpunkt des Rückflugs aus Korsika vom Wind abhängen würde. Aber dank Westwind hat es ja geklappt.

Text: Adrian Weiler, Fotos: Eric Raymond

Technische Daten
  • 22 m
  • 22 m2
  • 290 kg
  • 470 kg
  • Elektromotor / 15 kW
  • Zweiblatt, faltbar, CfK, 2,00 m
  • 45 km/h
  • 65 km/h
  • 160 km/h
Schlagwörter
  • SolarFlight
  • Solarflugzeug
  • Sunseeker Duo
  • Solarenergie
  • Motorsegler
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