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Dichtehöhe: So funktioniert die korrekte Berechnung des Leistungsverlusts

Die Dichtehöhe ist besonders an heißen Sommertagen eine wichtige Berechnungsgrundlage für die Leistung eines Flugzeugs. Sie bei der Flugvorbereitung zu beachten, kann den Piloten vor bösen Überraschungen bewahren.

Von Redaktion
Gebirgsflugplatz
Gebirgsplatz? Bei niedrigem Luftdruck, hoher Temperatur und Luftfeuchte scheint die Runway höher zu liegen, als es im Anflugblatt steht. Foto: Helmuth Mauch

Nach dutzenden Starts am Heimatflugplatz hat man sich daran gewöhnt: Spätestens am dritten Rollweg ist die Vereinsmaschine in der Luft und steigt dann passabel, auch wenn man vollbeladen ist. Doch plötzlich ist alles anders: Die Maschine beschleunigt nur zögerlich, gewinnt nach dem Abheben kaum Höhe. Jetzt wird klar: Es macht einen erheblichen Unterschied, ob man an einem kühlen Tag unterwegs ist oder an einem heißen, mit hoher Luftfeuchtigkeit und bei niedrigem Luftdruck.

Grund dafür ist das Medium, in dem wir uns mit unserem Flugzeug bewegen, oder genauer gesagt: die Dichte der Luft. Sie entspricht der Masse pro Volumen und beträgt für Luft rund 1,2 Kilogramm pro Kubikmeter auf Meereshöhe. Aber: Mehrere Faktoren sind dafür verantwortlich, dass dieser Wert schwanken kann. Da ist zum einen der Luftdruck: Ist er hoch, verdichtet er die Gasmoleküle – die Luftdichte nimmt zu. Auch die Temperatur hat Einfluss: Je höher sie ist, umso schneller bewegen sich die Gasmoleküle der Luft. Weil sie dabei öfter miteinander kollidieren, entfernen sie sich weiter voneinander – die Dichte sinkt.
Feuchte hat ebenfalls Einfluss auf die Dichte der Luft.

Dichtehöhe: Mehrere Faktoren sind verantwortlich

Die ist bekanntlich ein Gasgemisch aus 78 Prozent Stickstoff, 21 Prozent Sauerstoff und einem Prozent anderer Gase. Wassermoleküle haben aber eine geringere Masse als Stickstoff und Sauerstoffmoleküle, deshalb sinkt die Dichte, wenn mehr Wasserdampf in der Luft enthalten ist. Im Vergleich zu Luftdruck und Temperatur ist der Effekt jedoch so gering, dass er bei Berechnungen üblicherweise nicht berücksichtigt wird.

AnstellwinkelAnstellwinkel
Ganz schön knapp: Wer bei großen Dichtehöhen nicht „nach Zahlen“ fliegt, läuft Gefahr, zu früh zu rotieren. Mit wenig Fahrt und hohem Anstellwinkel lässt sich dann keine Höhe gewinnen.

Die Dichte der Luft ist fürs Fliegen deshalb so wichtig, weil die Leistung des Flugzeugs – wie im Beispiel oben – wesentlich von ihr abhängt: Da ist zum einen die Tragfläche, die sich durch die Luft bewegt und dadurch Auftrieb erzeugt. Je größer die von ihr verdrängte Masse, desto größer der Auftrieb – klar, dass eine große Luftdichte auch mehr Wirkung zeigt. Gleiches gilt für den Propeller: Ist die Luft dünner, „greifen“ seine Blätter schlechter im Medium – der Prop funktioniert schließlich nach demselben aerodynamischen Prinzip wie eine Tragfläche.

Weniger Leistung in der Höhe

Auch der Motor produziert bei niedriger Luftdichte weniger Leistung. Für die Verbrennung benötigt er neben Benzin natürlich Sauerstoff – bei geringerer Luftdichte stehen im selben Volumen aber weniger Sauerstoffmoleküle zur Verfügung. All das sind Gründe, weshalb die Leistung eines Flugzeugs mit der Höhe abnimmt. Die Luftsäule der Atmosphäre drückt mit ihrem Gewicht die Luft unten zusammen – deswegen ist deren Dichte in großen Höhen geringer als auf Meeresspiegelniveau.

Die ISA-Standardatmosphäre ist das Modell, mit dem Meteorologen den Druck und Temperaturverlauf mit der Höhe beschreiben. Sie definiert den Standardluftdruck mit 1013,25 Hektopascal auf Meereshöhe, bei einer Temperatur von 15 Grad Celsius. Das Modell nimmt für moderate Höhen an, dass pro 30 Fuß Höhenzunahme der Luftdruck um 1 hPa abnimmt; die Temperatur fällt pro um 2 Grad pro 1000 Fuß.

ISA-Standardatmosphäre: In Wirklichkeit hält sich die Natur nicht an das Modell

Doch was, wenn sich die Natur nicht an dieses theoretische Modell hält? In Wirklichkeit tut sie das tatsächlich höchst selten. Berücksichtigt man Druck und Temperaturabweichungen von den theroretischen Standards, lässt sich daraus die wahre Luftdichte errechnen. Dann kann man vergleichen, in welcher Höhe die ISA-Atmosphäre diese Dichte hätte. Diesen Wert nennt man Dichtehöhe.

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Sie ist natürlich keine wirkliche Höhenangabe, sondern eine Referenz, anhand derer die Performance eines Flugzeug berechnet wird. Die Maschine „denkt“, sie würde sich in dieser Höhe befinden. Errechnen lässt sich die Dichtehöhe mit vielen Apps und dem Drehmeier – oder so: Zuerst die Druckhöhe errechnen, die den aktuellen Luftdruck berücksichtigt. Sie kann man auch Höhenmesser ablesen, wenn man ihn auf den Standardluftdruck von 1013 hPa stellt. Dann die Temperaturkorrektur anwenden.

Rechenbeispiel: Piper PA-28R in Jesenwang

Wir rechnen ein Beispiel: Mit einer Piper PA-28R wollen wir in Jesenwang starten. Der bayerische Sonderlandeplatz liegt 1863 Fuß hoch und hat mit 438 Metern eine der kürzesten Startbahnen in Deutschland. Das Flugzeug ist mit seinem 200 PS starken Lycoming IO-360 gut motorisiert, der Verstellpropeller sorgt bereits im Startlauf für einen optimalen Wirkungsgrad. Hier zu starten sollte auch vollbeladen kein Problem sein, könnte man deshalb meinen. Unter ISA-Bedingungen, bei 1013 hPa und gut 11 Grad Celsius, ist der Tiefdecker beim Start mit 10 Grad Klappen laut Handbuch nach 290 Metern in der Luft.

RechenarbeitRechenarbeit
Rechenarbeit: Das Flughandbuch hat Tabellen oder Grafiken, mit denen die Startstrecke berechnet wird. Vor allem die Druckhöhe, also der Luftdruck, und die Temperatur bestimmen die Dichtehöhe. Die Luftfeuchte spielt nur eine geringe Rolle, sie wird vernachlässigt.

Was an einem kühlen Herbsttag noch machbar ist, wird im Hochsommer schnell zum Problem: 32 Grad Außentemperatur sind in EDMJ nicht ungewöhnlich. Die sommerliche Hitze treibt die Dichtehöhe nach oben: Gut 20 Grad über ISA mal 120 Fuß – das sind 2400 Fuß Zuwachs! Die Piper benimmt sich also, als würde sie von einem knapp 4300 Fuß hoch gelegenen Gebirgsplatz starten. In dieser Höhe verlängert sich die Rollstrecke bereits auf beinahe 390 Meter. Da bleibt kaum Sicherheitsmarge. Wer dann auch noch ohne Klappen startet – auf langen Bahnen das übliche Verfahren bei diesem Muster – braucht selbst nach Handbuch über 500 Meter.

Beladung verringern ist eine praktikable Lösung

Eine Lösung, wenn es praktikabel ist: Die Beladung muss verringert werden. Schlimmstenfalls bleibt Gepäck zu Hause oder gar einer der Passagiere. Die reduzierte Performance an heißen Sommertagen ist übrigens auch der Grund, warum man das Flugzeug nicht nach jeder Landung volltanken sollte – man könnte den so verschenkten Zuladungs-Spielraum für den nächsten Flug dringend brauchen.

Im Startlauf gilt es, sich nicht von der schlechteren Performance irritieren zu lassen und zu früh am Höhenruder zu ziehen: Geflogen wird das Flugzeug „nach Zahlen“, das heißt, rotiert wird bei denselben angezeigten Geschwindigkeiten wie sonst. Die angezeigte Geschwindigkeit bleibt von der Dichtehöhe unverändert.

Leanen ist Pflicht!

Liegt die Dichtehöhe über etwa 3000 Fuß, sollte vor dem Start mit Saugmotoren unbedingt das Gemisch abgemagert werden. Der Motor würde andernfalls zu fett laufen und die maximale Leistung nicht erreichen. Bei Flugzeugen mit Festpropeller leant man so weit, bis die Drehzahl beim Vollgas-Standlauf leicht ansteigt, und dreht den Mixtureknopf dann wieder ein bisschen fetter. Hat die Maschine einen Verstellpropeller und eine EGT-Anzeige, ist dies ein gutes Hilfsmittel: Bei etwa 70 Grad Fahrenheit unter dem Maximalwert produziert das Triebwerk die beste Leistung. Wer um 100 Grad anreichert, schafft Kühlungsreserven.

WüsteWüste
Hot & High: In der Wüste Arizonas können Dichtehöhen von über 10 000 Fuß die Landestrecke erheblich vergrößern.

Für die Landung gilt: Weil die wahre Geschwindigkeit in der dünnen Luft höher ist als die angezeigte, ist das Flugzeug über Grund schneller als bei niedrigen Dichtehöhen. Das kann irritieren, zudem verlängert sich die Landerollstrecke. Die Dichtehöhe ist auch im Reiseflug ein Faktor. Bei einer Alpenüberquerung kann sie darüber entscheiden, ob sich ein Bergkamm überqueren lässt oder nicht. Ein Vorteil ist die dünne Luft nur, was die höhere Speed in ihr angeht. Manche Geschwindigkeitsmesser haben eine drehbare Temperaturskala, auf der sich die wahre Geschwindigkeit im Flug ablesen lässt.

Bei Kälte tiefer unterwegs

Beim Höhenmesser ist übrigens nicht große Hitze das Problem, sondern Kälte. An diesem Instrument lässt sich nur die Abweichung vom Standard-Luftdruck korrigieren. Dreht man den lokalen Luftdruck im Kollsman-Fenster des Instruments ein, zeigt es einen Wert an, der jedoch nicht unbedingt der wahren Höhe über dem Meeresspiegel entspricht: Denn der Altimeter ist nichts anderes als ein Druckmesser, seine Anzeige ist, was die Temperatur angeht, für ISA-Bedingungen kalibriert. Ist es kälter und folglich die Luftdichte größer, zeigt der Höhenmesser eine größere als die wahre Höhe an.

Bei Instrumentenanflügen kann dies gefährlich werden, deshalb gibt es für manche Plätze sogar Einschränkungen für den IFR-Betrieb bei tiefen Temperaturen. Nach den ICAO-Vorschriften ist bis zu minus 15 Grad Celsius ein Aufschlag von 4 Prozent pro 10 Grad ISA-Abweichung als Korrektur anzubringen. Doch für den fliegerischen Alltag ist die Dichtehöhe bei hohen Temperaturen das Problem. Wer im T-Shirt auf einem höher gelegenen Platz steht, sollte stets das Handbuch herausholen und mit dem Rechnen anfangen.

Zeichnungen: Helmut Mauch, Illustrationen: Eric Kutschke

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