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Kunstflug ohne Berechtigung: Privatpilot stirbt bei Flugzeugabsturz

Bei Manövern mit einer Pitts S1-S verunglückt 2020 ein 47-Jähriger nahe des Flugplatzes Kulmbach. Die BFU hat den Fall untersucht.

Von Martin Schenkemeyer
Wrack
Keine Chance: Die Energie des Aufpralls aus 700 bis 800 Metern Höhe ließ dem Piloten der Pitts S1-S keine Überlebenschance. Foto: BFU

Der Erwerb neuer fliegerischer Berechtigungen geht mit zeitlichem und finanziellem Aufwand einher. Allerdings macht das Training eine Menge Spaß, erweitert den Horizont und ist vom Gesetzgeber vorgeschrieben, wenn die entsprechenden Rechte ausgeübt werden wollen. Immer wieder jedoch gibt es Piloten, die meinen, dass solche Lehrgänge überflüssig sind –auch wenn sie sich damit über geltendes Recht hinwegsetzen. Auch der Pilot einer Pitts S-1S flog 2020 ohne die für sein Flugvorhaben notwendige Berechtigung und verunfallte.

Bei bestem Wetter bricht der 47 Jahre alte Privatpilot an einem Sonntagnachmittag im September mit seinem Doppeldecker vom Typ Pitts S1-S am Flugplatz Kulmbach (EDQK) zu einem Lokalflug auf. Seine Maschine ist anspruchsvoll: Das kleine, von Curtis Pitts entwickelte Spornradflugzeug ist ein reinrassiges Kunstflugzeug. Die Leistung des IO-360-Motors von Lycoming sind mit 180 PS bei einer maximalen Abflugmasse von nur 522 Kilogramm großzügig bemessen.

Spritstand unklar

Um 15.36 Uhr hebt die Pitts schließlich ab. Anschließend fliegt der Pilot diverse Kunstflugfiguren, darunter mehrere Rollen. Eine gute halbe Stunde später beobachtet ein Zeuge, wie das Flugzeug ohne Motorengeräusch aus einer Höhe von zirka 700 bis 800 Metern abstürzt. Die Bewegung des Doppeldeckers beschreibt er später als „trudelartig“. Der Einsitzer schlägt 5,4 Kilometer nördlich des Platzes auf, der Pilot wird tödlich verletzt.

Pitts SpecialPitts Special
Heißes Gerät: Die Pitts gibt es als einsitzige S1-S (im Bild ein dem Unfallflugzeug baugleiches Muster), aber auch in einer zweisitzigen Variante.

Bei der Analyse des Wracks versuchten die Untersucher der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) festzustellen, wie viel Treibstoff beim Aufprall an Bord der Pitts war. Die Aussage des Zeugen, dass beim Absturz kein Motorengeräusch zu vernehmenwar, könnte der Hinweis einen Motorausfall durch Kraftstoffmangel sein. Der Tank des Flugzeugs war jedoch beim Aufprall geplatzt und ließ keine Rückschlüsse auf die verbleibende Spritmenge zu. In der Kraftstoffverteilerspinne und der Zuleitung fand sich kein Benzin.

Die Ermittler versuchten, anhand von Tankbelegen zu rekonstruieren, wie viel Sprit sich noch an Bord befunden haben könnte. Dabei ergaben sich 27,35 Liter als plausibler Wert. Der Tank einer Pitts fasst 75,5 Liter, wovon bei einem Verbrauch von etwa einem Liter pro Minute 72 Liter ausfliegbar sind. Gemäß Flughandbuch soll kein Kunstflug in niedrigen Höhen durchgeführt werden, wenn der Kraftstoffbehälter weniger als ein Viertel voll ist.

Falscher Motor eingebaut?

Dies deckt sich mit den Angaben eines erfahrenen Pitts-Piloten, den die BFU zu dem Vorfall befragte. Laut seiner Aussage kann das Triebwerk stehen bleiben, wenn weniger als ein Viertel des Tanks gefüllt ist. Letztlich konnten die Ermittler aufgrund des hohen Zerstörungsgrads nicht zweifelsfrei nachweisen, dass der Motor wegen Spritmangels ausgefallen war. Die Zündanlage wies keine Auffälligkeiten auf. Die Funktion der elektrischen und mechanischen Kraftstoffpumpen konnte nicht mehr nachvollzogen werden. Andere technische Mängel wurden bei der Untersuchung nicht festgestellt. Der verbaute Motor (Lycoming IO-360) entsprach nicht dem auf dem Typenschild (Lycoming O-360) angegebenen Modell. In den Unterlagen zum Flugzeug fanden sich keine Hinweise auf einen Umbau.

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Mit Hilfe der berechneten Restkraftstoffmenge und dem Gewicht des Piloten kalkulierten die Unfalluntersucher die Lage des Schwerpunkts. Auch hier stießen die BFU-Mitarbeiter auf Ungereimtheiten: Der letzte auffindbare Wägebericht der in den USA zugelassenen Maschine stammt von 2007. Für den Unfallflug ergab die Berechnung des Schwerpunkts, dass er außerhalb des hinteren Limits lag. Die Masse war mit 514,78 Kilogramm etwa sieben Kilogramm unterhalb des Grenzwerts

Viel Erfahrung auf Luftsportgeräten

Der verunfallte Pilot war mit einer Flugerfahrung von zirka 2100 Stunden durchaus erfahren. Die meisten davon sammelte er jedoch auf Luftsportgeräten (2010 Stunden). Seine Erfahrung auf Motorflugzeugen betrug lediglich 94:30 Stunden, von denen 38:20 Stunden auf die Pitts entfielen. Außerdem war er nicht im Besitz einer Kunstflugberechtigung und hatte auch keine entsprechenden Schulungen absolviert. Er trug beim Unfallflug einen Fallschirm, der nicht ausgelöst wurde. Bei seinem Kunstflug stand er nicht in Kontakt mit einem Flugsicherungsdienst; eine Kunstflugbox war nicht aktiviert. Dabei handelt es sich um einen geschützten Luftraum für den Kunstflug, der vorab bei der Flugsicherung anzumelden ist.

Zwar findet sich im Abschlussbericht der BFU keine eindeutige Feststellung der Unfallursache. Die Ermittler weisen jedoch darauf hin, dass Piloten nur mit einer Kunstflugberechtigung entsprechende Manöver fliegen dürfen. Zudem sei es selbstverständlich, das Flugzeuge innerhalb der zulässigen Betriebsgrenzen zu betreiben sind.

Hat sich der Pilot massive selbstüberschätz?

Immer wieder kommt es zu Unfällen bei (Kunst-)Flügen, für die der Pilot nicht die nötige Berechtigung besitzt. Letztlich sind derartige Regelverstöße mutmaßlich auf eine massive Selbstüberschätzung zurückzuführen. Gleichzeitig agieren Flugzeugführer, die sich so verhalten, allerdings auch extrem fahrlässig. Schließlich bringen sie durch ihr Verhalten nicht nur sich selbst in Lebensgefahr, sondern ebenso etwaige Passagiere und Menschen am Boden.

Solche Verstöße zu erkennen und im Sinne einer effektiven Sicherheitskultur zu thematisieren und gegebenenfalls an die entsprechenden Stellen zu melden, sollte für alle Akteure im System Luftfahrt selbstverständlich sein. Sei es, wenn man dieses Verhalten bei Vereinsmitgliedern beobachtet, oder aber beim „Individualpiloten“ am heimischen Flugplatz. Das hat dann auch nichts mit Denunziantentum zu tun, sondern dient letztlich der Sicherheit aller.

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Über den Autor
Martin Schenkemeyer

Martin Schenkemeyer begann im Jahr 2007 mit dem Segelfliegen. Inzwischen ist er ATPL-Inhaber und fliegt beruflich mit Businessjets um die ganze Welt. In seiner Freizeit ist er als Vorstand seines Luftsportvereins tätig und fliegt an seinem Heimatflugplatz Bad Pyrmont Segelflugzeuge, Ultraleichtflugzeuge und Maschinen der E-Klasse. Für das fliegermagazin ist der Fluglehrer seit 2020 als freier Autor tätig und beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen rund um die Flugsicherheit.

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