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Passagiere im Privatflugzeug mitnehmen – Was muss ich beachten?

Bei jeder Einladung will man, dass sich die Gäste im Flugzeug wohlfühlen. Privatpiloten sollten bei der Mitnahme von Passagieren einige Dinge berücksichtigen.

Von Redaktion
Verstehen hilft: Ängstlichkeit kann verschwinden, wenn Mitflieger begreifen, was technisch geschieht. 
Zu umfangreiche Erläuterungen verwirren aber eher. Foto: Fliegermagazin

Es hätte ein wunderschöner Flug werden sollen: Mit guten Freunden zwei Stunden von Hamburg nach Usedom; für ein Wochenende an die Ostsee. Das Wetter war perfekt: sonnig und ruhig, eigentlich bestens für den ersten Mitflug in einem Kleinflugzeug geeignet. Doch es kam anders.

Nach dem Start in Uetersen drehten wir einige Runden über unserem Wohnort, dann ging es auf Strecke. Und bald war unübersehbar, dass es Oliver alles andere als gut ging. Käsebleich und sehr nervös überstand er mit Mühe den Flug – und gestand dann, dass er große Angst hatte.

Erstlingspassagiere: Diese Fehler unbedingt vermeiden

Gleich mehrere Fehler habe ich im Umgang mit meinen Erstlings-Passagieren gemacht: Zuerst hätte mir klar sein müssen, dass Oliver eher der Typ Mann ist, der Schwächen ungern eingesteht. So hatte er auch seine Flugangst sorgfältig verborgen – aber ich hätte auf typische Anzeichen achten können und wäre dann wohl früher gewarnt gewesen. Wegen der Konzentration auf den Start und den Flug über Hamburg sowie durch die Suche nach unserem Wohnort war mir entgangen, dass Oliver seit Uetersen durch das Objektiv seiner Videokamera geblickt hatte – auch beim Kreisen über den Häusern. Dass jemandem dabei schlecht wird, ist kaum verwunderlich.

Piloten sollten ihren Fluggästen sagen, dass Fragen erwünscht sind. Foto: Heike Schweigert

Sagen Sie Ihren Fluggästen, dass Fragen ausdrücklich erwünscht sind! Mein Passagier wagte erst nach dem Flug zu fragen, was denn am Flugzeug kaputt gewesen sei. Es habe die ganze Zeit eine rote Lampe am Panel geblinkt – und rot bedeute doch in der Fliegerei immer Gefahr. Er habe sich nicht getraut zu fragen, welche Katastrophe sich da anbahnte. Oliver hatte sich vor dem Antwort-Licht des Transponders gefürchtet.

Einfühlungsvermögen gefragt

Das Erlebnis macht deutlich, wie unvorhersehbar die Reaktionen von Passagieren in kleinen Flugzeugen sein können – und wie unterschiedlich. Viel Einfühlungsvermögen ist gefragt, damit die Gäste zumindest ein wenig von der Magie des Fliegens infiziert werden. Denn darum geht es schließlich: Außenstehenden dieses Wunder erfahrbar zu machen, sie an der Freude teilhaben zu lassen.

Schon im Voraus kann der Pilot meist spüren, ob seine Mitflieger eher zur Gruppe der Ängstlichen und Skeptischen gehören oder ob sie – womöglich schon mit Erfahrung in kleinen Flugzeugen – dem Flug freudig entgegen sehen. Entsprechend sollte man das Flugvorhaben planen: Gleich mit einer Langstrecke ins Wochenende anzufangen kann zwar den Wert des Gesamterlebnisses erhöhen, aber das geht nicht mit jedem Passagier. Eine Viertelstunde Rundflug in der ruhigen, sommerlichen Abendluft ist für viele der bessere Einstieg. Noch schöner kann ein kurzer Flug zu einem Ziel in der Umgebung sein, weil die Begeisterung oft noch steigt, wenn man irgendwo ankommt.

Gutes Wetter für Einsteiger

In jedem Fall sollte das Wetter bei Anfängern sorgfältig gewählt werden: Bockige Thermik, starker Wind, Dunst und niedrige Untergrenzen sind nichts für Einsteiger. Hier lauert eine nachvollziehbare und auch weiter reichende Falle für Piloten: Sie haben Monate damit verbracht, Wettersituationen einzuschätzen und zu bewältigen. Sie wissen alles über Langsamflug und Steilkurven, beherrschen das Flugzeug in allen Lagen. Und darauf sind Sie mit Recht stolz!

Aber wenn Sie Ihren Passagieren gleich am Anfang alles zeigen, was Sie so drauf haben, bei grenzwertigem Wetter losfliegen und gleich mal ein paar Stalls vorführen nach dem Motto „Siehste, passiert gar nichts!“, dann wird die überwiegende Mehrheit Ihrer Passagiere keine Freude mehr haben – oft genug geht es dann selbst denen schlecht, die vorher mit ihren vielen Achterbahnfahrten und einem stählernen Magen geprahlt haben.

Repräsentant der Allgemeinen Luftfahrt

Zurückhaltung und Bescheidenheit ist angesagt. Unterschätzen Sie Ihre Rolle nicht: Als Pilot gerade von Erstlings-Passagieren sind Sie der Repräsentant der Allgemeinen Luftfahrt. So, wie Ihre Passagiere durch Sie das Fliegen in kleinen Flugzeugen erleben, so werden sie ihr Leben lang anderen davon erzählen. Sie haben eine einmalige Chance, Ihre Mitflieger zu Botschaftern für die Allgemein Luftfahrt zu machen.

Das ist gar nicht so einfach, wenn man an der Bretterbude der Flugleitung vorbei auf eine betagte, ungewaschene Charter-Cessna mit dem Charme der siebziger Jahre zukommt. Hier teilen sich die Mitflieger in zwei Gruppen: Die einen möchten möglichst viel über das Flugzeug, die Technik und das Fliegen erfahren – die anderen sind um so glücklicher, je weniger sie über die Einzelheiten wissen. Es ist Ihre Aufgabe zu erspüren, wie viel Erklärungsbedarf Ihre Gäste haben. Sie haben womöglich längst vergessen, wie fremd und neu die Fliegerei anfangs für Sie war. Doch vor einem Gästeflug sollten Sie sich wieder an diese Anfänge erinnern, denn genau so geht es unseren Passagieren.

Lassen Sie sich nicht ablenken

Jetzt werden Sie auch merken, wie sehr Gäste Sie vom Fliegen ablenken können – durch Fragen, durch begeisterte (oder erschreckte) Ausrufe. Wenn es irgend geht, setzen Sie Ihre Passagiere ins Flugplatz-Café und machen Sie dann die Vorflugkontrolle alleine und ohne Störung. Weisen Sie Ihre Passagiere nachdrücklich darauf hin, dass die Toilette im Café bis nach dem Flug die letzte ist, die benutzt werden könnte. Bereiten Sie das Flugzeug sorgfältig vor, denken Sie an die Verteilung von Spucktüten an allen Plätzen. Dann holen Sie die Passagiere.

SpucktüteSpucktüte

Erklären Sie Ihnen das Flugzeug, je nach Interesse mehr oder weniger ausführlich. Schon lange vorher, als Sie mit Ihren Freunden oder Verwandten zum ersten Mal über einen Mitflug gesprochen haben, sollten Sie die Grundlagen geklärt haben, etwa was man anzieht (eher sportliche Kleidung, keine hochhackigen Schuhe), dass man eine Sonnenbrille dabei haben sollte und dass auch kleine Maschinen eine Heizung haben. Setzen Sie Ihre Passagiere in die Kabine, und erklären Sie ihnen die fremde Umgebung.

Spielregeln: Erklären Sie auch die selbstverständlichsten Dinge

Darauf sollte ein ausführliches Passagier-Briefing folgen, das die grundsätzlichen Spielregeln an Bord erklärt. Bedenken Sie dabei immer, dass selbst Dinge, die Ihnen längst selbstverständlich erscheinen, Neulingen im Kleinflugzeug nicht vertraut sind. So gehen viele davon aus, dass ein Flugzeug ähnlich robust ist wie ein Auto, wo Türen geknallt werden und fast überall gedrückt und geschoben werden kann, ohne dass etwas kaputt geht. Machen Sie den Mitfliegern klar, dass Flugzeuge aus gutem Grund (meist Gewichtsersparnis) fragiler sind.

Zum anderen: Die eher ängstlichen Passagiere werden zuweilen nervös, wenn von Feuerlöschern und Verbandskästen die Rede ist, ein Gesamtrettungssystem erklärt oder zum Tragen der Schwimmwesten aufgefordert wird. Das darf Sie aber nicht daran hindern, diese für die Sicherheit entscheidenden Hinweise und Informationen weiterzugeben. Sollten Sie Hysterie und massives Eingreifen etwa in die Steuerung fürchten, dann müssen Sie die Mitnahme der Fluggäste verweigern. Das Steuerhorn oder der Knüppel und die Pedale dürfen nie behindert werden. Erklären Sie das ganz deutlich. Fluggäste vorne rechts sollten die Füße auf den Boden stellen.

Passagiere machen Stress

Passagiere bringen für den Piloten Stress. Darüber sollten Sie sich im Klaren sein. Das beginnt beim Erfolgsdruck, unter den Sie sich setzen, damit der Flug so angenehm und perfekt wie möglich abläuft. Und es geht weiter mit ständigen Unterbrechungen durch Fragen oder einfach nur Geplapper. Besonders stark ist die Ablenkung oft mit der eigenen Familie – denn die hat noch die geringste Hemmschwelle, Mami oder Papi jederzeit in Beschlag zu nehmen.

Seien Sie sich von Anfang an darüber klar, dass der Faktor Ablenkung die Sicherheit Ihres Flugs beeinflussen kann. Machen Sie am besten ein klares Zeichen ab, auf das Ihre Passagiere Sie erstmal nicht mehr stören dürfen, etwa das Heben der rechten Hand. Hilfreich kann auch die „Pilot Isolate“-Funktion vieler Intercoms sein, die den Piloten aural von den übrigen Passagieren trennt – was diese aber ohne Ankündigung sehr nervös machen kann, wenn Sie auf Ansprache plötzlich nicht mehr reagieren.

Auf der anderen Seite können und wollen Sie Ihre Passagiere auch nicht für den gesamten Flug zum Schweigen verdonnern. Schließlich soll die ganze Aktion ja Spaß machen. Erklärungen im richtigen Maß sind unerlässlich. So werden viele Passagiere nervös, wenn Sie plötzlich die Hände in den Schoß legen – ohne vorher gesagt zu haben, dass Sie den Autopiloten aktivieren. Vorführungen von Langsamflug, Steilkurven und ähnlichem sollten dagegen unterbleiben – es sei denn, der Passagier hat bereits Mitflugerfahrung und dies wurde vorher abgesprochen. Wenn nach der Landung alle mit strahlenden Gesichtern aussteigen, dann können Sie sicher sein, dass Sie ein guter Botschafter für die Luftfahrt und insbesondere für die Privatpiloten waren. Wie viel Freude das macht, sollten Sie bald ausprobieren.

Sicherheitshinweise

Ein paar Sicherheitshinweise vor dem Flug müssen auch im privaten Flieger sein:

  • Erklären Sie, wie die Sicherheitsgurte geschlossen und geöffnet werden
  • Fordern Sie dazu auf, die Gurte immer geschlossen zu lassen
  • Zeigen Sie die Crash-Position mit nach vorne geneigtem Oberkörper, wenn hinten nur Bauchgurte eingebaut sind
  • Erklären Sie, wie Türen und Fenster geöffnet werden und welche sich als Notausgang eignen. Machen Sie deutlich, dass diese nur am Boden und nur nach Rücksprache mit Ihnen geöffnet werden
  • Zeigen Sie, wie sich die Steuerung bewegt. Jeder muss wissen, dass er deren Bewegung nicht behindern darf. Die Steuerung und sämtliche Bedienelemente am Panel dürfen nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Piloten berührt werden
  • Erklären Sie, dass es in einem Flugzeug ständig piept und blinkt, dass diese Signale normal und kein Grund zur Sorge sind
  • Weisen Sie darauf hin, wo sich Spucktüten und Luftdüsen befinden
  • Fordern Sie dazu auf, Unwohlsein und unangenehme Temperaturen sofort mitzuteilen
  • Zeigen Sie, wo sich Verbandskasten, Feuerlöscher und Notaxt befinden
  • Erklären Sie die Bedienung der Kopfhörer und der Lautstärkeregler. Zeigen Sie, wie nah das Mikrofon am Mund sein muss
  • Erklären Sie gegebenenfalls die Bedienung von Schwimmwesten oder Gesamtrettungssystem
  • Erklären Sie, dass es Situationen gibt, in denen Sie nicht mit den Passagieren reden können. Verabreden Sie ein „steriles Cockpit“ unterhalb 1000 Fuß, wo nicht geredet werden darf. Verabreden Sie ein Zeichen, etwa das Heben der Hand, mit dem Sie die Passagiere etwa bei eingehendem Funkverkehr um Schweigsamkeit bitten
  • Machen Sie deutlich, dass Sie außerhalb dieser Situationen jederzeit alle Fragen gerne beantworten
  • Erklären Sie, dass Sie einen eventuellen Notfall viel besser meistern können, wenn die Passagiere die Ruhe bewahren
  • Fordern Sie dazu auf, jedes andere Flugzeug in der Luft zu melden
  • Wünschen Sie viel Spaß!

Text: Helmuth Lage, Fotos: A. v. Croy (2), H. Lage, C. Scheunemann, P. Wolter

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