Unfallakte

Risiko Verbandsflug: Kollision von Luscombe 8A und Piper J-3C in der Schweiz

Am 1. September 2004 beschließen zwei Schweizer einen gemeinsamen Flug Seite an Seite. Es kommt zu einem Crash. Wie konnte das passieren?

Von Redaktion
Klassisch: Ganzmetall-Taildragger Luscombe Model 8 Silvaire
Klassisch: Ganzmetall-Taildragger Luscombe Model 8 Silvaire Bill Larkins

Das Ziel der Reise? Egal. Der Weg ist das Ziel. Genauer gesagt nicht die Strecke, sondern wie man sie hinter sich bringt: zu zweit. Denn Verbandsflug ist eine der größten Herausforderungen, der man sich in der Fliegerei stellen kann. Hochkonzentriertes Präzisionsfliegen bedeutet in diesem Fall nicht nur, als beeindruckendes Duo (je nach Anzahl der Akteure) daherzukommen. Alle Piloten einer Formation haben auch die gleiche Erlebnisperspektive. Blicken sie in Gesprächen auf diese „Simultanflüge“ zurück, schöpfen alle aus dem gleichen Erinnerungsfundus.

„Ich flieg Dir einfach hinterher.“ Am 1. September 2004 beschließen zwei Schweizer einen gemeinsamen Flug Seite an Seite. Der Pilot einer Piper J-3C-65 bekräftigt mit dieser Äußerung, dass es ihm völlig egal sei, wohin der Ausflug gehen soll. Zusammen mit seinem Kumpel, der beruflich einen Learjet 60 im Geschäftsreiseverkehr steuert und privat für gewöhnlich in einer Luscombe 8A sitzt, einigen sie sich auf eine von ihnen oft beflogene, vertraute Strecke: von Luzern-Beromünster nach Les Éplatures. 20 bis 25 Kilometer Sicht und lediglich ein Achtel Bewölkung in 4500 Fuß AMSL versprechen gutes Flugwetter.

Risiko Verbandsflug: Crash von Luscombe 8A und Piper J-3C

Um Viertel nach zwei startet das Duo von dem Grasplatz nordwestlich von Luzern. Beide Piloten haben in den vergangenen Jahren reichlich Erfahrung im Verbandsflug gesammelt. Nach dem Start reagieren sie wie ein gut aufeinander eingespieltes Team: Der leistungsschwächeren Piper folgt die stärkere Luscombe. Nachdem die J-3C ausgelevelt hat, reduziert ihr Pilot die Motordrehzal auf 2300 Umdrehungen pro Minute, was am Fahrtmesser dem Ende des grünen Bereichs entspricht, also rund 80 Meilen pro Stunde. Über eine gemeinsame Frequenz wiederum bestätigt der Luscombe-Pilot, sein Triebwerk drehe mit 2000 Umdrehungen pro Minute. Er hat die Piper etwa 50 bis 100 Meter und links versetzt vor sich, also eine gute Position, um sich an die Fersen der J-3C zu heften, falls diese Höhe oder Kurs ändert. Soll der Abstand mal unter 50 Meter reduziert werden, so geschieht das nur nach vorheriger Absprache am Funk.

Ohnehin kann der Berufspilot seinen Vordermann gut einschätzen – schließlich hat der 58-Jährige ihn ausgebildet: Der mit über 11 310 Stunden sehr erfahrene Mann arbeitet nebenher als Fluglehrer und lernt dabei den 59-Jährigen kennen. Die Beiden freunden sich an, der Ältere durchläuft beim Jüngeren die Ausbildung zum Privatpiloten. In den folgenden Monaten unternehmen die Männer zahlreiche Flüge miteinander. Und so kommt es, dass der Piper-Pilot innerhalb kurzer Zeit immens Erfahrung sammelt: Den Schein erhielt er im November 2003, und bereits elf Monate später, hat der Mann bereits mehrere hundert Stunden auf dem Unfallmuster erflogen.

Gemeinsame Ausbildung: Der Berufspilot kann seinen Vordermann gut einschätzen

Um kurz nach drei landet das Duo in Les Éplatures an der Grenze zu Frankreich. Nach einer kurzen Pause planen sie den Rückflug. Die Route wird so gelegt, dass sie nicht mit den Verkehrsleitstellen Grenchen und Bern Funkkontakt aufnehmen müssen. Um kurz vor drei heben die Hochdecker ab. Kurze Zeit später unterhalten sich die Piloten, was wohl am Platz Biel-Kappelen, den sie direkt ansteuern, los sei. Dann schlägt der Leader vor, unter 3000 Fuß zu sinken, um nicht in die TMA Bern einzufliegen. Als sie entlang des Limpachtals unterwegs sind, macht die Nummer zwei ihren Vordermann auf ein Modellflugzeug aufmerksam, das Kunstflugfiguren durchführt. Daraufhin ändert die Piper den Kurs, um dem Modellflugplatz nicht zu nahe zu kommen. Kurz darauf schlägt der Jüngere vor, einen Abstecher zu einem Fliegerkumpel in Herzogenbuchsee einzulegen. Nachdem sich die „Minirotte“ aber nicht im Klaren ist, welches Dorf vor ihnen nun besagter Ort ist, verwerfen sie den Plan.

Haben die Piloten mit den Aktionen der letzten Minuten ihrer Aufmerksamkeit zuviel zugemutet? „Kurze Zeit später knallte es“, wird der Piper-Pilot später den Experten des Büros für Flugunfalluntersuchung erzählen. Denn als die Hochdecker auf ihre ursprünglich geplante Strecke zurückgekehrt sind, kollidieren sie und verkeilen sich kurz ineinander. Dabei wird die Luscombe so schwer beschädigt, dass sie in einen unkontrollierbaren Zustand gerät und abstürzt. Ihr Pilot kommt dabei ums Leben. Der Mann in der Piper verliert bei dem Zusammenstoß kurz das Bewusstein. Als er wieder zur Besinnung kommt, sieht er ein Waldstück auf sich zukommen. Das Höhenruder spricht an, so gelingt ihm, die Maschine abzufangen. Auch die Querruder scheinen nichts abbekommen zu haben. Bei der anschließenden Notlandung auf einer aufgeweichten Wiese überschlägt sich die Cub, ihr Pilot überlebt leicht verletzt.

Verbandsflug birgt immer auch ein Risiko – Hochdecker kollidieren

Um den genauen Unfallhergang zu rekonstruieren, spielten Experten die Kollision am Computer nach. Dazu wurden beide Flugzeuge exakt vermessen und die Daten in einen Rechner gespeist. Mittels eines computerunterstützten Zeichnungsprogramms lassen sich am Bildschirm mit den maßstabsgetreuen Modellen lagerichtig vielseitige Untersuchungen durchführen. Mit den Ergebnissen aus dem Rechner und den Aussagen eines Augenzeugen kamen die Untersucher zu folgendem Szenario: Kurz vor dem Crash hat die Luscombe ihren Vordermann langsam überholt. Dabei muss die eigene Fläche die Piper verdeckt haben. Aus dieser Position heraus wäre auch die Annäherung an die höher fliegende Cub nur schwer zu erkennen gewesen. Zu diesem Zeitpunkt dürfte die relative Geschwindigkeit beider Maschinen gering gewesen sein.

Ob der Berufspilot seinen Begleiter kurz vor dem Zusammenstoß noch sah und versuchte, zu korrigieren, bleibt ungeklärt. Jedenfalls flog die Luscombe vor der Piper. Diese beschädigte mit ihrem Propeller bei der ersten Berührung das Querruder des anderen. Dann kollidierte das Leitwerk der Luscombe mit dem Rumpf der Piper (rechts, auf Höhe des Cockpits) sowie mit deren hinterer Flügelabstrebung. „Ich glaube“, so erinnert sich der Überlebende, „dass wir kurze Zeit miteinander verkeilt waren“. Als sich beide Flugzeuge wieder voneinander gelöst hatten, kam es noch zu weiteren Berührungen. Die Funksprüche, Ausweichmanöver und die Suche nach der Ortschaft – kostete das im entscheidenden Moment das Fünkchen Aufmerksamkeit, um den drohenden Kollisionskurs zu realisieren? Die Unfallforscher halten das für möglich. Und dass beide Männer nie im Verbandsflug ausgebildet wurden, lassen sie am Ende ihres Berichts nicht unerwähnt…

Text: Markus Wunderlich

Schlagwörter
  • Unfallakte
  • J-3C
  • Piper J-3C-65
  • Luscombe 8A
  • Cub
  • J-3 Cub
  • Formationsflug
  • Formation
  • Piper
  • Verbandsflug
  • Kollisionskurs