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Flugplatz Rügen – EDCG

Steilküste, lange Strände, berühmte Seebäder – Deutschlands größte Insel hat was zu bieten. Aus der Luft entfaltet die pommersche Ostseeküste ihre ganze Pracht

Von Redaktion

Man möchte die Landeklappen ausfahren, um die Aussicht noch langsamer zu genießen – Fliegen auf Rügen ist ein Augenschmaus. Nach dem Start haben wir Richtung Westen abgedreht und werden nun mit einer tollen Aussicht auf den Kubitzer Bodden verwöhnt. Ein kurzer Blick auf die Stadt Stralsund im Südwesten, dann geht’s weiter zum Hafen von Hiddensee; die kleine Nachbarinsel ist per Fähre von Wiek auf Rügen erreichbar. Ein Rad entlang der Insel, das andere über dem Wasser, so brummen wir auf Nordostkurs rüber zur westlichen Landzunge der Halbinsel Wittow, genannt „Bug“ (vermutlich für „Biegung“). Am nachträglich aufgeforsteten Wald sind die Konturen einer kaiserlichen Seeflugstation aus dem Ersten Weltkrieg erkennbar.

In den dreißiger Jahren gab es an gleicher Stelle einen noch größeren Seefliegerhorst, der nach dem Krieg zerstört und bepflanzt wurde. Ab Mitte der sechziger Jahre war der Bug Stützpunkt der DDR-Volksmarine, hier lag die 6. Flottille mit Raketenschnellbooten. Nach der Wende wurde das Sperrgebiet abermals demilitarisiert, heute liegt es brach. Ein Museum in Dranske zeigt Relikte und Karten aus den Jahren maritimer Nutzung. Wir folgen weiter der Küste und sind schon bald am Kap Arkona, früher ebenfalls mal ein Sperrgebiet und heute mit seinem Leuchtturm eine Attraktion. Rund ums Tromper Wiek führt der Flug weiter zu den berühmten Kreidefelsen im Nordosten der Halbinsel Jasmund, nach Sassnitz und zum monströsen Nazi-Bauwerk in Prora.

Mit dem Kleinflugzeug an der Ostsee – Fliegen auf Rügen ist ein Augenschmaus

Der ellenlange Komplex war als Massenerholungsheim geplant, wurde aber nie fertig. Nach militärischer Nutzung zu DDR-Zeiten enthält er heute teilweise Wohnungen, es gibt eine Jugendherberge und ein Museum. Wir kurven vorbei an den beliebten Orten Binz, Sellin und Göhren und schwingen uns über Putbus in Richtung Flugplatz ab. Vorbei an Güttin geht es zur Landebahn 09. Wir parken und gehen ins Flugplatzrestaurant, wo schon weitere Passagiere auf einen Rundflug warten. Im „Terminal“ – das Wort passt durchaus – haben sie Tickets erworben, es geht professionell und freundlich zu. Der Flugplatz von Rügen ist noch relativ jung. Er entstand 1982 als eine von später 18 Rügener Graspisten der staatlichen DDR-Gesellschaft Interflug (Betriebsteil „AF“, für Agrarflug).

Ausflug zum kleinen Nachbarn: am Fischereihafen in Vitte auf Hiddensee, westlich von Rügen. Hier landet der Fang frisch auf dem Tisch (Foto: Rolf Stünkel)

Schon kurz nach der Wende wurden im Sommer 1990 die ersten Rundflüge gemacht, anfangs mit den Agrarflug-Schulmaschinen des Typs Let Z-37 und dem Doppeldecker Antonow An-2. 1993 erhielt der Platz seine heutige 900 Meter lange Asphaltpiste mit Rollwegen, 1995 einen Hangar und Landebahnbefeuerung samt PAPI. Seit 1998 gibt es ein schmuckes Abfertigungsgebäude mit Tower und Gaststätte. Abgesehen von Bedarfsflügen nach Berlin, Bornholm oder Hamburg lebt der Flugplatz von Rundflügen, seiner Flugschule, Flugzeugvercharterung und nicht zuletzt dem hübschen Restaurant mit der Sonnenterrasse. Für einen Trip über die Insel stehen vier Cessna zur Verfügung, darunter eine „206“ mit fünf Passagierplätzen.

Schon kurz nach der Wende wurden im Sommer 1990 die ersten Rundflüge gemacht

Der Gast kann auf der Flugplatz-Website per Mausklick seine Route wählen und erfährt, was es kostet. Geflogen wird täglich ab zehn Uhr mit mindestens zwei Personen. Wer’s nicht weiß, ahnt es nicht: Rügen gehörte mal samt der weit im Nordwesten gelegenen dänischen Insel Møn zu einem großen Kreidekalk-Plateau, das durch tektonische Bewegungen auseinander gerissen wurde. Die wechselvolle Geschichte des Eilands bestimmten dänische, schwedische, pommersche, preußische oder französische Herren. Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel Rügen an die sowjetische Besatzungszone und war bis zur Wendezeit 1990 Bestandteil des DDR-Bezirkes Rostock, ein beliebtes Feriengebiet für staatlich organisierte Erholung. Heute ist die größte deutsche Insel mit rund einem Viertel aller Übernachtungen in Mecklenburg-Vorpommern immer noch ein sehr attraktives Touristenziel.

Gut 77 000 Menschen leben auf Rügen; spätestens ab April gelangen weitere Tausende Touristen dazu. Zu den größeren Städten zählt neben Putbus und Garz die Hafenstadt Sassnitz. Auf dem Wasserweg ist Rügen über Sassnitz mit Bornholm, Trelleborg, Klaipeda, Baltijsk und Sankt Petersburg verbunden. Charakteristisch für die Insel sind große und kleine Lagunen (Bodden), die über schmale Meeresarme mit dem offenen Meer verbunden sind. Die kleinen Buchten in den Lagunen heißen Wiek. Als einzige bedeutende Erhebung ragt der Piekberg auf der Halbinsel Jasmund 161 Meter über den Meeresspiegel empor. Ganz in der Nähe ist auch der 118 Meter hohe Kreidefelsen Königsstuhl, das markanteste Wahrzeichen Rügens. Der Insel-Nationalpark Jasmund führt wegen seines gewaltigen Buchenbestandes seit 2011 den Titel UNESCO-Weltnaturerbe.

Die größte deutsche Insel ist heute ein attraktives Touristenziel

Aussichtsplattformen: Leuchtturm (links) und 
ehemaliger Marinepeilturm am Kap Arkona (Foto: Rolf Stünkel)

Die bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Insel sind Kap Arkona, die Kreidefelsen-Steilküste, das Seebad Prora, das Jagdschloss Granitz und Putbus mit seinen klassizistischen Bauten. Im Sommer finden in Ralswiek Störtebeker-Festspiele statt. Sehr beliebt sind auch Dampferfahrten zur Nachbarinsel Hiddensee im Westen, auf der man schöne lange Fahrradtouren machen kann – und natürlich ein Trip mit dem berühmten „Rasenden Roland“, einer Dampf-Schmalspurbahn von Lauterbach-Mole nach Göhren.

Jeder hat seine persönliche Insel-Highlights; uns gefielen beispielsweise die langen Badestrände am Tromper Wiek und die einsame Küste ganz im Norden, der putzige kleine Ort Vitt dicht beim Kap Arkona und das verwunschene Gelände rund um den Leuchtturm mit dem verblichenen Hotel und der Bunkeranlage, die Insel Hiddensee und das schmucke Bergen, die Reiterhöfe für Groß und Klein, Alleen und Wälder, vor allem aber: viel, viel frische Luft.

Rügen – Tipps und Infos

So kommt man hin: EDCG liegt zentral auf der Insel. Eine gute Auffanglinie bildet die Bahnlinie von Stralsund nach Sassnitz, wenige hundert Meter südlich des Platzes. Hier verläuft auch die Bundesstraße 96 (und eine Hochspannungsleitung, 1 NM südöstlich). Funkhilfe: 158°/8DME from TRT VOR 108.45 MHz. Der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft westlich des Flugplatzes sollte nicht unter 2000 Fuß überflogen werden.

Aktueller Tipp: Am 19. und 20. Juli 2014 findet ein Flugplatzfest statt, Beginn jeweils elf Uhr. Zum Programm gehören Kunstflugvorführungen, Fallschirm-Tandemsprünge und Modellflug. Rundflüge werden unter anderem mit dem Doppeldecker An-2 angeboten.

Text und Fotos: Rolf Stünkel, fliegermagazin 5/2014