PPL

Single Pilot Resource Management: Was ist das überhaupt?

Flugschülerin Isabella hat beim Single Pilot Resource Management-Training von Human Factors Training Hamburg mitgemacht und Methoden zur Entscheidungsfindung und Stressbewältigung kennengelernt. Ein sinnvolles Seminar für Privatpiloten?

Von Isabella Sauer
Stress
Gruppenarbeit: Teilnehmende schreiben auf, was für sie Stress bedeutet, welche Anzeichen es gibt und wie sie Stress bewältigen. Foto: Isabella Sauer

Viele Jahre lag der Fokus der Fliegerei auf der Bedienung der Flugzeuge und auf den technischen Fähigkeiten der Piloten. Seit den siebziger Jahren rückte der menschliche Faktor immer mehr in den Vordergrund. Der Grund: Statistiken haben gezeigt, dass über 80 Prozent aller Flugunfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen sind. In der beruflichen Luftfahrt gibt es deswegen seit über 40 Jahren verpflichtende Crew Resource Management-Trainings (CRM). So sollen individuelle Pilotenfehler und Fehler im Team vermieden werden. Die Zusammenarbeit im Cockpit soll verbessert werden. Auch in der Allgemeinen Luftfahrt wird CRM immer präsenter. Weil dort oft nur ein einzelner Pilot seine Ressourcen managt, spricht man von Single Pilot Resource Management (SRM).

Flugschülerin Isabella Sauer hat ein Seminar in Hamburg besucht und sich mit dem Thema Single Pilot Resource Management beschäftigt. Was steckt dahinter? Was lerne ich als Privatpilot und lohnt sich ein solches Seminar?

In der Privatfliegerei ist Single Pilot Resource Management nicht gesetzlich gefordert

Zwölf Teilnehmende haben sich an diesem Wochenende in Hamburg für das Seminar Single Pilot Resource Management angemeldet, das von der Firma „Human Factors Training Hamburg“ angeboten wird. Deren Gründer sind selbst Piloten: Marco Dürbrook zum Beispiel ist nach seiner Zeit als Bundeswehrpilot nun seit knapp acht Jahren bei Condor als Pilot angestellt ist. Er hat bereits als Jugendlicher mit dem Segelfliegen angefangen hat. In der Freizeit fliegt er auch als Fluglehrer und -prüfer.

Gleich zu Beginn erklärt er uns, dass der Gesetzgeber bisher nicht vorsieht, dass CRM-Training auch in der Privatfliegerei als regelmäßige Aus- und Weiterbildung zur Pflicht gemacht wird. Doch bereits nach wenigen Minuten und einem Austausch mit den Teilnehmern wird klar: Warum eigentlich nicht? Auch die Unfallberichte der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) sprechen eine deutliche Sprache. Viele der Teilnehmer – darunter fast alles Privatpiloten, aber auch Psychologen und Physiker – können sich an brenzliche Situationen in ihrem Leben und natürlich der Fliegerei erinnern. Eine erste Erkenntnis: Es war für uns alle schwierig, eine Entscheidung in der besagten Situation zu treffen.

Beeindruckende Zahlen: In der Allgemeinen Luftfahrt ist die Unfallrate mit 10 000 Flugstunden pro Unfall am höchsten.Beeindruckende Zahlen: In der Allgemeinen Luftfahrt ist die Unfallrate mit 10 000 Flugstunden pro Unfall am höchsten.
Beeindruckende Zahlen: In der Allgemeinen Luftfahrt ist die Unfallrate mit 10 000 Flugstunden pro Unfall am höchsten. Foto: Isabella Sauer

Es geht um menschliches Leistungsvermögen und Entscheidungsfindung

Marco Dürbrook sagt: „Während der Privatpilotenausbildung wird in erster Linie gelehrt, das Flugzeug zu fliegen. Auf die menschliche Seite des Fliegens wird nur im Fach Menschliches Leistungsvermögen rudimentär eingegangen.“ Genau da setzt das SRM-Training an: Wie kann ich als Privatpilot alle menschlichen Ressourcen nutzen? Welche stehen mir als Alleinflieger überhaupt zur Verfügung? Zwei spannende Fragen, die mich auch als Flugschülerin schon sehr beschäftigen.

Aber auch die anderen, die hier sitzen. Da haben wir den Privatpiloten mit 40 Jahren Flugerfahrung, einen Fluglehrer und den Jungpiloten, der gerade 100 Stunden hinter sich hat. „Hier und heute geht es um menschliches Leistungsvermögen, Entscheidungsfindung, Risikobewusstsein, Kommunikation, Stressbewältigung und auch um den Umgang mit dem Überraschungseffekt“, erklärt Dürbrook. Das mentale Training solle unser Bewusstsein für die „Airmanship“ schärfen.

Selbsteinschätzung: die Teilnehmer nennen ihre Stärken und Schwächen

Nach einer Einführung zur Geschichte von CRM soll jeder von uns seine Stärken und Schwächen benennen. Ich sage, dass ich manchmal sehr ungeduldig bin, aber es als Stärke ansehe, mich in andere Menschen hineinversetzen zu können. Ältere Kollegen erklären, dass sie sich leider gut über unnütze Regeln (in der Luftfahrt) aufregen können. Eine erste Selbsteinschätzung!

Die Teilnehmer diskutieren und sprechen über verschiedene Flugunfälle. Die Teilnehmer diskutieren und sprechen über verschiedene Flugunfälle.
Die Teilnehmer diskutieren und sprechen über verschiedene Flugunfälle. Foto: Isabella Sauer

Als nächstes gehen wir einige Flugunfälle durch. Beispielsweise den United-Airlines-Flug 173 am 28. Dezember 1978. Eine Douglas DC-8 stürzt in der Nähe von Portland ab. Ausgelöst war der Unfall durch Treibstoffmangel, dessen Ursache in mangelhafter Aufgabenteilung und Zusammenarbeit der Besatzung begründet lag. In einem anderen Beispiel fliegt ein Pilot eine Braut zur Hochzeit. Das Wetter wird plötzlich schlechter, es kommt zum Absturz. Auch hier lag der Fehler beim Piloten. „Es gab Störfaktoren im Entscheidungsprozess“, sagt Marco und schaut uns an. Gemeinsam kommen wir auf „falsche/schlechte Kommunikation“, „gelernte Sorglosigkeit“ und auf den „sozialen Druck“ zu sprechen.

So fühlte sich der Privatpilot vermutlich unter Druck gesetzt, die Braut pünktlich zu ihrer Hochzeit zu fliegen. Aber wir lernen auch den Begriff „Hazardous Attitudes“ kennen. Es geht um gefährliche Einstellungen, gefährliche Gedanken und mögliche Gegengedanken. So kann Unverwundbarkeit eine gefährliche Einstellung sein, und der dazugehörige gefährliche Gedanke, dass mir das nie passieren kann. Wir sollten in diesem Moment aber mit „Es könnte auch mir passieren“ gegenhalten.

Wie funktioniert das Entscheidungsfindungsmodell FORDEC?

Doch wie können wir besser eine Entscheidung treffen? Hier bietet sich das sogenannte Entscheidungsfindungsmodell FORDEC an. Die einzelnen Großbuchstaben stehen für die Reihenfolge, in der man zu einer Entscheidung kommt: Facts Was sind die Fakten? Options Welche Möglichkeiten habe ich? Risks & Benefits Was spricht für eine Vorgehensweise? Was spricht dagegen? Decision Was tue ich also? Execution Die Entscheidung wird umgesetzt Check Ist das Ergebnis wie gewünscht? „Es ist eine Methode zur strukturierten Entscheidungsfindung in der Luftfahrt. Unter Zeitdruck besteht das vorrangige Ziel darin, eine Lösung zu finden und anzuwenden, die eine akute Krisensituation überbrückt.“

Gruppenarbeit angesagt: WAs bedeutet für uns Stress? Gruppenarbeit angesagt: WAs bedeutet für uns Stress?
Gruppenarbeit angesagt: WAs bedeutet für uns Stress? Foto: Isabella Sauer

Puh, ganz schön viele Informationen prasseln auf mich ein. Aber: Es ist zu keinem Zeitpunkt langweilig! Wir widmen uns dem Thema „Startle und Surprise“. Es geht um Ereignisse, die unvorhersehbar und selten sind, aber gleichzeitig sehr weitreichende Auswirkungen haben. Wenn das Gehirn mit solch einem Ereignis nicht zurechtkommt, überlastet es und es kommt zum „startle“, also zu einer Art Schockstarre, erklärt Marco.

Was hilft bei Stress? Cognitive Readiness

Doch es gebe Gegenmaßnahmen, beispielsweise eine „cognitive readiness“ zu schaffen. Das ist die Optimierung und Erweiterung der kognitiven Leistungsfähigkeit, um sie in risikobehafteten Situationen optimal adaptieren zu können. Privatpilot Peter hat Ideen für Präventivmaßnahmen: „Man sollte immer eine ordentliche Flugvorbereitung machen und Notfallplanungen durchgehen.“ Und ganz wichtig: Stress vermeiden oder damit umzugehen wissen.

So können Funksprüche vom Turm, fehlende Routine durch wenige Flugstunden, das Wetter und eine schlechte Flugvorbereitung schnell Stress hervorrufen. Privatpilot Jens nennt ein weiteres Beispiel: „Du hast eine Maschine gechartert und der Vorgänger kommt zu spät. Man kann dann dazu neigen, alles schnell zu machen, um in die Luft zu kommen.“ Eine Entscheidung, die fatale Folgen haben kann …

LESEN SIE AUCH
Konzentration
PPL

Flugwetterberatung: Zu Besuch beim Deutschen Wetterdienst

Single Pilot Resource Management: Ist ein Seminar sinnvoll?

Der erste SRM-Tag ist einer von zweien und eher theorielastig, aber wir machen auch eine Gruppenarbeit. Am zweiten Tag geht es um die Vertiefung des bisher Gelernten, situative Aufmerksamkeit und mehr praktische Anwendungsbeispiele. Viele Dinge erscheinen als selbstverständlich, doch da verbirgt sich meiner Meinung nach auch direkt die Gefahr. Wir sollten stets aufmerksam bleiben! Ich kann das Training auf jeden Fall weiterempfehlen, es sensibilisiert und eigene Risikopotenziale können so entdeckt und gemindert werden. Auch habe ich wertvolle Methoden zur Entscheidungsfindung in kritischen Situationen kennengelernt. So trage ich zur Sicherheit in der General Aviation bei – und zu meiner eigenen.

Über den Autor
Isabella Sauer

Isabella Sauer ist Jahrgang 1991, studierte in Bamberg Kommunikationswissenschaft und absolvierte anschließend ein Volontariat bei Auto Bild. Seit ihrer Jugend ist sie journalistisch tätig und arbeitete für große Verlagshäuser, darunter Axel Springer und die Funke Mediengruppe. Print, Digital, Social Media - für Isabella hat jeder Inhalt das Potenzial, vielfältig aufbereitet zu werden. Und wie kam sie zum fliegermagazin? Das Thema Mobilität interessierte sie immer schon sehr. Ob Auto, Bahn, Camper, Airliner oder Fahrrad: Die Welt lässt sich aus vielen Perspektiven entdecken. Nun geht es für Isabella Sauer in die Luft. Seit März 2023 ist sie PPL-Flugschülerin und freut sich schon darauf, sich in ein neues Fachgebiet einzuarbeiten.

Schlagwörter
  • Single Pilot Resource Management
  • SRM
  • Isabella lernt fliegen
  • Selbsteinschätzung
  • Human Factors