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Fliegerurlaub Nord- & Ostsee: Mit zwei ULs nach Norddeutschland

Familienausflug mit dem UL? Das geht, wenn beide Eltern eine Lizenz haben – man braucht eben zwei Zweisitzer. Zum Beispiel um ans Meer zu fliegen, wenn die Kinder dorthin wollen. Baltrum und Sierksdorf bieten Strand in Flugplatznähe.

Von Redaktion
Nordseeinseln
Perle in der Nordsee: Wie an einer Schnur aufgezogen liegen die Ostfriesischen Inseln vor der Küste Nieder- sachsens. Fast jede hat einen Flugplatz, auch Langeoog. Foto: Maja Christ

Ein Rückblick in das Jahr 2021, in dem die Corona-Pandemie noch in vollem Gange ist. Die Reiseeindrücke und die Erlebnisse sind trotzdem lesenswert:

Mai 2021. Während in Baden-Württemberg die Pfingstferien vor der Tür stehen, macht das Wetter nach dem gefühlt kältesten Frühjahr des Jahrtausends erste behutsame Schritte in Richtung Sommer. Wir sind voller Ausflugssehnsucht, und an Nord- und Ostsee warten zahlreiche Bademöglichkeiten in Flugplatznähe. Klingt perfekt. Gäbe es nicht einen Haken: Corona.

Mein Mann Andrés und ich haben seit mehreren Jahren die UL-Lizenz und fliegen gerne quer und längs durch Deutschland. Ab und an begleiten uns unsere Kinder Javier und Álvaro. Doch für eine vierköpfige Familie ist es mitunter schwer, einen größeren Ausflug zu planen: Mal meint einer unserer Teenager kurz vor dem Abflug, dass er doch keine Lust hat, mal sind an unseren Heimatflugplätzen Worms und Mosbach-Lohrbach in der anvisierten Zeit keine Maschinen frei, dann wieder spielt das Wetter nicht mit.

Fliegerurlaub Nord- & Ostsee: Egal wohin, Hauptsache ans Meer

Nun ist es zwar windig und viel zu kühl für die Jahreszeit, bis Ferienbeginn soll es aber besser werden. Wir können für viereinhalb Tage zwei C42 chartern. Und solange die Bedingung unserer Kinder – „egal wohin, Hauptsache ans Meer“ – erfüllt ist, sind sie dabei.

Meer sollte machbar sein, schließlich lockert man nach dem Lockdown gerade überall die Beschränkungen. Auf den zweiten Blick wird es schwieriger, denn die Regelungen unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Wir blicken träumend auf unsere ICAO-Karten. Warum nicht nach Wyk? Ein Anruf: „Klar, kommt gerne, aber am Flugplatz könnt ihr derzeit leider nicht zelten.“ Ein Zimmer für vier ist aber so kurzfristig nicht zu bekommen. Dann Pellworm? Hat aktuell keinen Flugplatzbetreiber. Fehmarn? Keine Landegenehmigung für UL. Ein Ausflug nach Mexiko wäre nicht schwieriger zu planen. Nach zahlreichen Telefonaten und einem rauchenden Ohr steht – ich kann es kaum glauben – unsere Planung: Von Mosbach-Lohrbach soll es über Höxter-Holzminden nach Baltrum und dann weiter nach Sierksdorf gehen. Jeweils aktuelle negative Schnelltests vorausgesetzt, dürfen wir an allen Stationen zelten.

Platter Reifen: Vor der Reise platz ein Reifen

Also am ersten Ferientag zunächst zum Corona-Schnelltest. Es wird nicht der letzte auf dieser Reise sein. In Mosbach stehen die beiden C42 B schon vor der Halle. Unsere Jungs losen aus, wer mit wem fliegt. Packen und schnell noch tanken, dann kann’s losgehen. Denkste! Es macht „pfff“, und Andrés’ Maschine steht mit plattem Reifen etwas windschief auf dem Vorfeld. Den ständigen Seitenwindlandungen in Mosbach hält der beste Reifen nicht ewig stand, vor allem bei Schulmaschinen. Immerhin passiert es diesmal vor der Reise – wir hatten das auch schon unterwegs.

Platter ReifenPlatter Reifen
Platt: In Mosbach-Lorbach macht ein C42-Reifen schlapp – zum Glück vor Beginn der Reise. Durch Mithilfe anderer Piloten ist der Schaden schnell repariert.

Dank Unterstützung durch andere Piloten können wir mit nur wenig Verzögerung starten. Die Route nach Höxter kennen wir fast auswendig, denn mein Vater lebt dort. Nach etwa zwei Flugstunden, in denen wir nur ein paar kreisenden Segelfliegern ausweichen müssen, drehen wir nacheinander in den Endanflug meines alten Heimatplatzes ein.

Heimatplatz Höxter: Zu Besuch bei meinem Vater

Mein Vater ist reich bepackt mit Leckereien zum Flugplatz gekommen. Während Andrés und ich die Flugzeuge für den morgigen Weiterflug tanken und die Zelte aufbauen, macht er mit unseren Jungs in der Vereinshütte Abendessen. Lecker! Wir quatschen bis in die späten Abendstunden.

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Über dem Flugplatz wartet ein besonderer Augenschmaus: Sonne und Himmel geben alles, was sie an Farbenspiel aufbringen können. Das lädt zu einem abendlichen Bummel über den Platz ein. Nach Sonnenuntergang testet der Flugleiter nicht nur die Befeuerung, sondern auch die Lautsprecheranlage des Platzes. Begleitet von Reinhard Meys „Über den Wolken“ bekommt unser Spaziergang eine weitere bewegende Note.

Tiefe Wolken über der Küste

Am nächsten Morgen Ernüchterung: Über der Küste hängen tiefe Wolken. „Bis Mittag sind die weg“, versichert mir der Baltrumer Flugleiter am Telefon. So haben wir Zeit für ein ausgiebiges Frühstück. Doch in der Luft hat die späte Startzeit Folgen: Wenn wir Baltrum vor der Mittagspause erreichen wollen, müssen wir uns sputen. Nördlich von Porta Westfalica mit seinem markanten Weserdurchbruch und dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal ändert sich die Landschaft langsam, es wird flacher.

Strand BaltrumStrand Baltrum
Meer, Sand und Dünen: Die heilige Dreifaltigkeit eines Strandurlaubs! Obwohl Baltrum die kleinste Ostfriesische Insel ist, hat sie einen gigantischen Strand.

An der Küste versperren die Wolken immer noch den direkten Weg zur Insel. Es hilft nichts – wir müssen drumherum. Das kostet wertvolle Zeit. Endlich ist Baltrum in Sicht. Ein kurzer Flug übers Watt, dann geht es in die Platzrunde zur „27“. Heute machen ausnahmsweise keine auffliegenden Meeresvögel den Anflug spannend, sondern ein Hase auf der Piste. Ich sehe mich schon durchstarten, doch er nimmt rechtzeitig Reißaus.

Hase auf der Piste: Im letzten Moment springt er zur Seite

Viele nutzen dieses Wochenende für einen Ausflug auf die Inseln. Sogar eine Boeing Stearman ist da und lässt unsere zwei UL wie Spielzeuge erscheinen. Wir wollen etwas essen und dann die Insel erkunden. Die Straßen der kleinsten Ostfriesischen Insel sind im Vergleich zu früheren Besuchen ziemlich leer. Allerdings darf bislang nur Außengastronomie öffnen. Im „Mittendrin Fisch“ finden wir Platz und freuen uns über Matjes mit Bratkartoffeln und Backfisch. Auch am Strand ist es ungewohnt leer – klar, der kalte Wind. Ins Wasser wagen sich sowieso nur die Hartgesottenen.

Ankunft BaltrumAnkunft Baltrum
Angekommen: Für Baltrumer Verhältnisse ist heute viel los. Zu Fuß geht es ins Westdorf.

Wir finden eine windstille Ecke zum Dösen. Damit wir unseren ersten Coronatest-Termin nicht verpassen, habe ich einen Wecker gestellt; die Termine hatte ich vorab online gebucht. Testen und gleich zurück zum Strand. Den restlichen Nachmittag genießen wir die Sonne, die inzwischen ihren Weg durch die Wolken gefunden hat. Unsere Kinder buddeln im Sand, als wären sie zehn Jahre jünger.

Zelten am Platz: Duschen kann man für 50-Cent am Yachthafen

Beim Spaziergang über die Insel kommen wir auch am Yachthafen vorbei. Hier gibt es Duschen, die man nutzen kann, wenn man am Flugplatz zeltet. Vielleicht ist jemand da, der mir dafür 50-Cent-Stücke wechseln kann? Tatsächlich sind noch einige Männer im Bootsclub, und einer hat Spaß daran, uns Landeier gehörig zu veräppeln. Das Bier in seiner Hand ist sicher nicht sein erstes heute. Ich versuche, es mit Humor zu nehmen.

Abgesehen von der Insel-Cessna sind unsere Flieger am Abend die einzigen am Platz. Sobald die Sonne weg ist, spürt man den kalten Wind umso mehr, und es wird kalt. Nach einem warmen Abendessen und einer heißen Dusche kuscheln wir uns daher schnell in unsere Schlafsäcke.

Viel zu Entdecken: Spiekeroog hat keinen Flugplatz

Der Flugleiter kommt am nächsten Tag extra für uns zum Platz. Heute ist es sonnig und deutlich wärmer als am Vortag. Vielleicht erwischen wir doch noch etwas Sommer? Ostsee, wir kommen! Sogar frisch getestet. Zunächst geht’s zum Tanken nach Heide-Büsum. Entlang der Inselkette gibt es auch für meinen Co viel zu entdecken. Der Flugplatz von Langeoog ist schnell ausgemacht. Spiekeroog? Da kannst du lange suchen – hat keinen.

SierksdorfSierksdorf
Am Ufer entlang: Über der Lübecker Bucht bei Sierksdorf. Der Flugplatz liegt zwischen den Flügelstreben jenseits der Autobahn, kurz vor dem See.

Die nächste Etappe führt uns über die Holsteiner Seenplatte. Schon bald ist die Ostsee in Sicht, auch den Hansa-Park erkennen wir, einen Erlebnispark nahe der Küste. Mit Heinz-Dieter „Hennes“ Bonsmann, dem Flugleiter des Sonderlandeplatzes Sierksdorf/Hof Altona hatte ich vorab mehrfach Kontakt. Auch er kommt extra für uns zum Platz, der wie Baltrum PPR ist. Per Funk erfahren wir nun, dass wir am besten vor dem zweiten Reiter aufsetzen sollen – das Gras der Piste sei noch recht feucht. Spannend, denn über dem Baum im Endanflug möchte ich nicht zu tief sein. Also slippen. Die Piste ist abschüssig und wellig. Das erste Mal setze ich tatsächlich vor dem zweiten Reiter auf, bin jedoch gleich wieder in der Luft. „Beim Deutschlandflug hätte das 100 Punkte gegeben“, freut sich Bonsmann. „Für die erste oder die zweite Landung?“, hake ich nach. „Ach, das Hopsen? Das ist hier normal.“

Hopsen ist normal

Wir checken über die Luca-App ein und bezahlen. Zum Glück wusste ich vorab, dass wir nur bar zahlen können, denn für Landungen, PPR und Zelte kommt einiges zusammen. Dann erhalten wir den Toilettenschlüssel für die Nacht. Auch Fahrräder könnten wir leihen. Duschen gäbe es am Strand, der sei nur anderthalb Kilometer entfernt, immer die Straße entlang. Wir verabreden uns für den nächsten Vormittag und stiefeln los.

Randlage: Bei Sierksdorf hat man eher seine Ruhe als weiter südlich in der Lübecker Bucht bei Scharbeutz und Timmendorfer Strand.

Da es am Sierksdorfer Strand nur wenige Parkplätze gibt, ist es hier in der Regel nicht so überlaufen wie an anderen Ostseestrände. In letzter Zeit war corona- und wetterbedingt noch weniger los – die Strandkorbvermieter freuen sich über Kundschaft. Die Strandkörbe bieten den einzigen Schatten am Strand, und die Sonne scheint heute kräftig. Mit vier Fischbrötchen und Getränken vom Kiosk an der Ecke machen wir es uns gemütlich. Das Wasser ist frisch, aber wärmer als die Nordsee. Wir haben den Strand fast für uns allein, baden, tauchen und genießen die Ruhe im Strandkorb. Doch sobald die Sonne weg ist, wird es wieder kühl. Zeit, sich auf den Weg zum Flugplatz zu machen. Wieder haben wir den gesamten Platz für uns, samt kitschig-schönem Farbspektakel der untergehenden Sonne.

Keine Tankmöglichkeit: Auf direktem Weg nach Hause

Wir haben vergessen, etwas fürs Frühstück zu besorgen, zum Glück aber vier Instantsuppen dabei. Unsere Jungs begeistert das ungewöhnliche Frühstück. Nach Suppe und viel Espresso geht es an die Routenplanung. Das Meer war toll, aber unsere Kinder möchten nun auf direktem Weg nach Hause zu ihren Freunden. Da wir für größere Umwege ohnehin nicht genug Sprit haben und es in Sierksdorf keine Tankmöglichkeit am Platz gibt, werden wir direkt nach Höxter-Holzminden fliegen und dort eine weitere Nacht verbringen.

Wir sind fast abflugbereit, als Bonsmann kommt. Er weiß viel zu erzählen und wir erfahren, dass er viele Jahre die Ju 52 D-AQUI der Lufthansa geflogen ist. Traurig ist er über die mangelnde Unterstützung für den Sierksdorfer Platz: Gerne würde man die Bahn begradigen oder befestigen, doch es gäbe zu viele Hürden der Gemeinde. Gebannt lauschen wir seinen Geschichten, bis es Zeit wird aufzubrechen. Danke für die nette Aufnahme!

Genaue Instruktionen: Abflug aus der Lübecker Bucht

Mit genauen Instruktionen, wie wir am besten die Lübecker Bucht abfliegen, starten wir. So bekommen wir alle eine schöne Aussicht, ohne dass wir unnötig Anwohner belästigen. Schon auf der Höhe von Lübeck bereue ich, am Morgen so viel Flüssigkeit zu mir genommen zu haben. Bis Höxter muss ich durchhalten.

Auch wenn unsere Kinder am nächsten Tag den direkten Weg nach Hause nehmen möchten: Wir wollen zum Brocken. Die halbe Stunde Umweg muss drin sein, Jungs! Beeindruckend sieht er aus, der höchste Berg des Nordens, aber der Anblick des Walds erschüttert uns: Dürre, Stürme und Borkenkäfer haben dem Fichtenbestand böse zugesetzt.

Nächster Halt: Helgoland

Bald schüttelt uns die erste Thermik durch. Die zerrissenen Schläuche und Seitenwind machen es heute nicht leicht, den Kurs zu halten. Mein Copilot ist müde von der Reise und jammert: Seine Beine tun weh. Als es wieder etwas thermischer ist und ich ihm das Steuer überlasse, meint er jedoch: „Jetzt macht das Spaß!“

Co-PilotCo-Pilot
Relaxt: Maja Christ mit Álvaro in einer der beiden gecharterten C42 B. Wenn der Co selbst steuern darf, ist Müdigkeit kein Thema mehr.

In Mosbach sind wir kaum gelandet, da haben sich unsere Kinder schon mit ihren Handys ins Büro der Flugschule verkrochen. Sie sind froh, wieder am Boden zu sein, auch wenn sie den Ausflug genauso wie wir Eltern genossen haben: Das Meer sei toll gewesen, sagen sie. Gerne wieder. Aber nicht sofort. Und dann bitte nach Helgoland. Ist vermerkt.

Text: Maja Christ, Fotos: Maja Christ, Andrés Chavarría Krauser, Álvaro & Javier Chavarría Christ

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