flugplaetze

Flugplatz Altötting-Osterwies – „Altoet“

Liebliche Landschaften, Burgen und Kirchen – 40 Meilen östlich von München ist Bayern sehr urtümlich. Wer vom Himmel hoch kommt, bemerkt das schon im Anflug

Von Redaktion

Marktl kommt in Sicht. Die kleine Marktgemeinde am Inn ist als Geburtsstadt von Josef Ratzinger bekannt. Obwohl der spätere Papst Benedikt nur die ersten 24 Monate seines Lebens hier verbracht hatte, wurde das Geburtshaus zu einer Begegnungsstätte umgestaltet, samt Dauerausstellung zur Biografie Joseph Ratzingers und anderen, wechselnden Ausstellungen. Und dann Altötting, nur sechs Meilen weiter flussaufwärts am Inn – zweifelsohne ist Oberbayern hier sehr katholisch, und das nicht erst, seit „Wir“ Papst wurden. 1489 soll sich das „Wunder von Altötting“ zugetragen haben: Der Legende nach war ein Kleinkind in den Mörnbach gefallen und offensichtlich ertrunken. Dennoch trug die verzweifelte Mutter ihren Sohn in die Kapelle. Als sie für seine Rettung betete, schlug der Junge die Augen wieder auf.

Die Kirchen- und die Gemeindeväter erkannten schnell das touristische Potenzial des Orts. Das „Wunder von Altötting“ wurde über Druckschriften und Flugblätter verbreitet, schließlich war es noch nicht allzu lange her, dass Herr Gutenberg die Voraussetzungen für solche Aktionen geschaffen hatte. Keine zehn Jahre später wurde der Bau eines weiteren Gotteshauses erforderlich, und es sollte nicht bei der einen Kirche bleiben. Die Entwicklung Altöttings zu einem der wichtigsten Wallfahrtsorte Europas nahm ihren Lauf, Jahrhunderte lang war die Gemeinde das geistliche Zentrum Bayerns. Unser heutiges Pilgerziel liegt südwestlich der Stadt: der Flugplatz Osterwies. Bei phantastischer Sicht haben wir zunächst die Innschleife bei Mühldorf angepeilt – äußerst malerisch, wie sie die Altstadt umschlingt.

Unser heutiges Pilgerziel liegt südwestlich der Stadt: der Flugplatz Osterwies

Über Tüßling mit dem unverkennbaren Schloss aus vier regelmäßigen Flügeln, die über Zwiebelhauben-Ecktürme miteinander verbunden sind, ging es weiter nach Burghausen an der Salzach. Die Silhouette der Stadt prägt eine der imposantesten Burganlagen der Welt, besonders aus der Vogelperspektive: 1051 Meter lang erstreckt sich das Gemäuer auf einer Anhöhe über der denkmalgeschützten Altstadt. Mit dieser Größe hat es die Burg sogar ins Guinness Buch der Rekorde geschafft. Mindestens so berühmt ist freilich die jährliche Burghauser Jazz-Woche im März – international renommierte Musiker verwandeln dann die Stadt an der Salzach in ein bayerisches New Orleans. Jazz-Größen wie Ella Fitzgerald, Chick Corea und Dave Brubeck haben schon in Burghausen gastiert.

Weltrekord: Die Burganlage von Burghausen erstreckt sich über mehr als einen Kilometer oberhalb der denkmalgeschützten Altstadt (Foto: Arthur Schweighofer)

Die in den siebziger Jahren etablierte Veranstaltung zählt heute zu den wichtigsten Jazz-Festivals weltweit. Von Burghausen sind wir der Salzach flussabwärts bis Haiming gefolgt, wo der Fluss in den Inn mündet. Über Marktl ging’s weiter bis Altötting. Ziel der Pilger aus aller Welt ist die berühmte Schwarze Madonna im Oktogon der Gnadenkapelle. Dort zeugen zahlreiche Votivtafeln als symbolische Opfer von Dankbarkeit für die Hilfe der Heiligen Maria bei Krankheit und Not. Für uns bleibt es heute bei einem Blick auf den Kapellplatz aus der Vogelperspektive. Nach einer Runde ums Stadtzentrum melden wir uns auf der Platzfrequenz 123,5 Megahertz. Kurz vor der Landung auf der Piste 09 überfliegen wir den Mörnbach, nach zwei Dritteln der 550-Meter-Bahn rollen wir links raus zur Tankstelle.

Kurz vor der Landung auf der Piste 09 überfliegen wir den Mörnbach

Normalerweise ist der kleine Grasflugplatz für ULs, Motorsegler und Segelflugzeuge offen, außerdem für Hubschrauber und Echo-Klasse-Maschinen mit Schleppkupplung – letztere sind umso mehr willkommen, wenn sie sich beim Abflug nützlich machen. Wer keine Schleppkupplung an seinem E-Klasse-Flieger hat, braucht eine Außenlande- und Startgenehmigung, die mindestens eine Woche zuvor formlos beantragt werden muss. Beim Flugplatzfest am dritten Wochenende im Juli ist die Osterwies für alle da. Was die lokalen Piloten erstmals Ende der sechziger Jahre veranstalteten, um für den Flugsport zu werben, hat sich im Laufe der Zeit einen festen Platz im Terminkalender von Altötting erobert. 2016 findet das Fest am 16./17. Juli statt. Mittlerweile zieht es jährlich mehrere Tausend Besucher auf das Fluggelände am Mörnbach. Wir lassen es uns im frisch renovierten Vereinsheim bei Kaffee und selbstgebackenem Kuchen gutgehen.

Die Installation einer Photovoltaikanlage auf den Dächern der Gebäude am Platz zahlt sich für die Fluggruppe Alt-Neuötting aus: Die Einnahmen kommen der Infrastruktur zugute. Vereinsheim, Werkstatt, Schulungsräume – alles ist tipptopp in Schuss. Vom Flugplatz aus erreicht man das drei Kilometer entfernte Zentrum von Altötting über den historischern Pilgerweg. Wer’s mit der Tradition genau nimmt, geht zu Fuß. Taxiservice ist aber nicht verpönt. Für ankommende Gäste stehen auch Leihfahrräder bereit. Wir benutzen sie, um ins nahe gelegene Tüßling zu radeln. Owohl es mit gut 3000 Einwohnern ein eher kleiner Ort ist, finden sich auch hier entlang des Marktplatzes die typischen Fassaden im Inn-Salzach-Stil, die die Häuser größer erscheinen lassen, als sie tatsächlich sind. Fast unverhältnismäßig groß dagegen ist das Tüßlinger Schloss.

Vom Flugplatz aus erreicht man das drei Kilometer entfernte Zentrum von Altötting über den historischern Pilgerweg

Es wurde um 1580 gebaut und befindet sich heute in Privatbesitz. Gräfin Stephanie von Pfuel, Schlossherrin und Bürgermeisterin der oberbayerischen Gemeinde, öffnet die schmiedeeisernen Tore mehrmals jährlich für Veranstaltungen. Im Rahmen der Sommerkonzerte sind hier schon Elton John, Joe Cocker, Bryan Adams und Peter Maffay aufgetreten; am 23. und 24. Juli 2016 werden Simply Red und der Rapper Cro in Tüßling gastieren. Während der Tüßlinger Gartentage bietet der weitläufige Park die malerische Kulisse für ein drei Tage dauerndes Gartenfest mit Konzerten, Vorträgen und Workshops. Auf die Gartentage folgt der Kultursommer; der Weihnachtsmarkt beschließt das Jahr.

Sommerkonzert: Im Park des Tüßlinger Schlosses gastieren jedes Jahr namhafte Musiker – wie hier 2012 Elton John (Foto: Anne Marie Ring)

Nach einer Ehrenrunde um das Schloss geht’s zurück zum Flugplatz. Die Radwanderwege der Region zwischen Salzach, Inn und dem Chiemsee wurden gezielt ausgebaut, um den Radtourismus zu fördern. Der nutzt etwa den Tauernradweg von Salzburg bis Braunau, der Burghausen tangiert, oder den Innradweg, der vom Malojapass im Oberengadin bis hinunter nach Passau führt, durch architektonisch interessante Städte und urwüchsige Flussauen, Ackerland, Wiesen und Weiden. Überall locken kleine Hotels, Gaststätten und Biergärten zum Verweilen. Wer das unverfälschte Bayern sucht, ist hier richtig. Piloten kann man für solche Touren die Osterwies wärmstens empfehlen.

Text: Anne Marie Ring, Fotos: Arthur Schweighofer, Anne Marie Ring, fliegermagazin 5/2016