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Flugplatz Juist – EDWJ

Sogar Landratten lieben ihn, den Landeplatz ganz dicht am Wasser. 
Wer mehr als nur einen Tag bleibt, kann hier wunderbar entschleunigen

Von Redaktion

Schon im Anflug kommt Urlaubsfeeling auf – kaum ausgestiegen, ist man nach wenigen Schritten am Strand. Juist, zweite deutsche ostfriesische Insel von links, liegt genau auf dem siebten Längengrad und damit schon ein Stück über den Niederlanden. Für Flieger gibt es zwei Besonderheiten: Die Piste ist gepflastert wie eine Hauseinfahrt, und der Hauptort rund fünf Kilometer weit weg. Zum Dorf führt nur eine Straße mit viel Gegend drumherum. Wer also nicht im (empfehlenswerten!) Flugplatzlokal speisen oder zum nahen und sehr großen Strand möchte, nimmt die Pferdekutsche. Sie parkt direkt am Flugplatz. Bei aller Idylle sollten Piloten gerade zur Sommerzeit mit regem An- und Abflugverkehr rechnen; Juist hat nach Hannover die meisten Flugbewegungen in Niedersachsen.

Zweimotorige Linienmaschinen des Typs BN-2B Islander aus Norddeich und private Einmots brummen Richtung Insel, die vier Motorsegler der Jugendbildungsstätte „Theodor Wuppermann“ drehen unermüdlich ihre Runden. An den Wochenenden wickeln die Flugleiter bis zu 500 Starts ab, mit parallelem Flugbetrieb für Schulung und sonstige Luftfahrt über mehrere Bahnen und Platzrunden. Manchmal muss sogar das Follow-Me-Fahrzeug ran – auf dieser autofreien Insel ausnahmsweise ein Pkw und keine Pferdekutsche. Ab und zu legt Seenebel den Luftverkehr lahm, dann blicken die Restaurant-Gäste verwundert zur (binnen Minuten verschwundenen) Piste. Meist verzieht sich der Spuk wieder so schnell, wie er gekommen ist. Zum Flugplatz gehört ein rundes Dutzend Gebäude: Tower mit Restaurant, Hallen und Unterkünfte der Jugendbildungsstätte.

Juist hat nach Hannover die meisten Flugbewegungen in Niedersachsen

Die Anfänge reichen zurück ins Jahr 1932, als man Dünen planierte und Grassoden zu einer Landebahn verlegte. 1934 fand die feierliche Einweihung statt; es folgte Bäder-Flugverkehr, deutlich beschaulicher als beispielsweise auf der Insel Wangerooge, die schon an das Lufthansa-Netz angeschlossen war. Im Zweiten Weltkrieg übernahm wie an allen vorgelagerten Plätzen die Wehrmacht das Kommando: Ringsum wurden Scheinwerfer- und Flakstellungen aufgebaut, doch für Jagdflugzeuge war die Juister Landebahn nicht ausgelegt. Bei Kriegsende fiel der Flugplatz in einen Dornröschenschlaf – bis dort Segelflieger des Bremer Vereins für Luftfahrt (BVL) zu Pfingsten 1952 ein erstes Fliegerlager aufschlugen, mit Unterstützung des Juister Gemeinderats.

Hallo, Taxi! Die Islander-Zweimots der Frisia fliegen Juist regelmäßig an (Foto: Rolf Stünkel)

Im Juli ’52 bekam Juist die Betriebsgenehmigung für einen Motor- und Segelflugplatz – Motorflugzeuge durften freilich in Deutschland bis 1955 aufgrund alliierter Bestimmungen nur von Ausländern geflogen werden. Mitte der fünfziger Jahre berichtete eine Leverkusener Urlauberin ihrem daheim gebliebenen Gatten begeistert von Flügen über die schöne Insel. Der Industrielle Dr. Theodor Wuppermann ließ sich von der Faszination anstecken. Könnte man dort zwischen Watt und Dünen nicht jungen Leuten vom Binnenland das Segelfliegen und ein paar andere nützliche Dinge beibringen? Wuppermann gründete mit Gleichgesinnten die „Gesellschaft zur Förderung des Segelfluges e. V. Juist“, Vorläuferin der späteren Jugendbildungsstätte (Jubi). 1956 startete der erste, gut zweiwöchige Internatskurs.

Geschäftig: An den Wochenenden wickeln die Flugleiter bis zu 500 Starts ab

Seit der Gründung haben über 80 000 junge Menschen an Seminaren und Kursen teilgenommen, jedes Jahr kommen rund 1200 dazu. Dr. Wuppermann starb 1966 bei einem Flugzeugabsturz; die „Jubi“ trägt seitdem seinen Namen. Der Flugplatz wurde noch in den fünfziger Jahren erweitert und mit dem Hauptort durch eine Straße verbunden. Bald entwickelte sich ein ernst zu nehmender Küstenflugverkehr, sodass man sich 1970 bei „Jubi“ entschloss, aus Sicherheitsgründen nur noch Motorsegler-Schulbetrieb durchzuführen. Im Jahre 1973 bekam Juist als erste der ostfriesischen Inseln eine befestigte Start- und Landebahn. Heute wäre Juist ohne den Flugplatz (IATA-Code JUI) schon wegen der wenigen Fährverbindungen in Schwierigkeiten, denn die sind stark von Ebbe und Flut abhängig.

Hier kann man im Gegensatz zu den Nachbarinseln dank 60 Prozent gewerblichem Flugverkehr von einem richtigen Business-Airport sprechen. Er hat bei Piloten einen guten Ruf und erhielt schon 1984 den „Prix Orange“ der AOPA-Germany für den freundlichsten deutschen Flugplatz. Einen ersten Überblick kann man auf Juist gut per Fahrrad gewinnen. Die Insel ist 17 Kilometer lang (Rekord unter den ostfriesischen Inseln) und höchstens 900 Meter breit. Die Orte Juist und das sehr viel kleinere Loog liegen etwa in der Mitte der Insel und sind ringsum von Wiesen, Watt, Dünen und Strand umgeben. Im Westen, hinter dem (Süßwasser-)Hammersee, liegt die frühere Domäne Bill, heute ein beliebtes Ausflugslokal.

Bereits 1984 erhielt Juist den „Prix Orange“ für den freundlichsten deutschen Flugplatz

Am Hauptort befindet sich der Hafen; im Osten erstreckt sich das Vogelschutzgebiet Kalfamer („Kälberwiese“, nach plattdeutsch „Kalv“ für Kalb und „Hammer“ für niedrige feuchte Wiese). Auf der Osthälfte liegt auch der Flugplatz. Juist soll von „güst“ kommen, das bedeutet karg und unfruchtbar. Was den armen, von Sturmfluten gebeutelten Einwohnern vergangener Tage zu schaffen machte, kann man im Museum (im Loog) erahnen. Heute schweift das Auge über eine schöne Landschaft. Weit und breit kein Gedanke an triste Ödnis, im Gegenteil: Die Juister vermarkten die Farben, Schönheiten und das gewisse Flair der Insel geschickt mit dem Beinamen „Töwerland“ (hochdeutsch: Zauberland), und schon die Kurkarte heißt TöwerCard.

Betriebsame Idylle: An Wochenenden sind 500 Starts auf Juist keine Seltenheit (Foto: Rolf Stünkel)

Juist, das merkt man schon bei der Anreise, ist gut organisiert. Am Kai der Norddeich-Fähre warten praktische Handkarren mit der Aufschrift des Domizils. Man kann auch hier eine Kutsche nehmen. Hufgeräusch begleitet die Kurgäste ohnehin bis zum letzten Urlaubstag – es gibt ja keine Autos. Mehrere Dutzend Gespanne erledigen sämtliche Transportaufgaben; selbst schwere Lasten und Baugeräte kommen mit Pferdekraft. Schon kurios, wenn die neue Kücheneinrichtung per Gaul-Tieflader am Ziel vorfährt. Ein Wort zum angeblichen norddeutschen Schmuddelwetter: Auf den Inseln fällt deutlich weniger Regen als auf dem Festland, und im Jahre 2010 hatte Juist gar die meisten Sonnenstunden Deutschlands. Ob Kaiserwetter herrscht oder das Ölzeug raus muss, die Insulaner wollen ihre Gäste bei Laune halten.

Juist, das merkt man schon bei der Anreise, ist gut organisiert

Man ist locker und zuvorkommend, lässt die Preise nicht ins Uferlose klettern und kümmert sich vorbildlich um die kleinen Gäste. Alle öffentlichen Anlagen, der Strand, die Promenaden und nicht zuletzt die öffentlichen Toiletten, machen einen sehr gepflegten Eindruck. Im Zentrum liegt der Kurplatz mit dem „Schiffchenteich“: Dort lassen Kinder kleine Boote zu Wasser, während Live-Darbietungen aus der benachbarten Konzertmuschel tönen. Juist zählt nicht zu den billigsten Urlaubszielen, manche sprechen gar vom „Sylt der Ostfriesischen Inseln“. Doch es gibt durchaus günstige Quartiere, und die Trend-Klamotten zur Happy Hour vor dem „Köbes“ sind sehr dezent, die teuren Sonnenbrillen in der Bar „Hohe Düne“ gehören nun mal zum Urlaub. Juist pflegt sein lockeres Image und bedient die breite Kundschaft.

Zu den empfehlenswerten Adressen zählen das Restaurant „Piratennest“, „Café Baumann’s“, das kuschelige „Lütje Teehuus“ und das „Velero“ an der Strandpromenade – es liegt windgeschützt und hat sogar einen eigenen Sandspielplatz. Preiswert und lecker isst man im strandnahen Fisch-Fastfood „Matjes und Co“. Vielleicht gar nicht so übel, dass der Flugplatz so weit vom Ort entfernt liegt. So bleibt genug Zeit, um sich wieder an den Propellersound zu gewöhnen und von Pferdewagen-Speed auf 100 Knoten Reise umzuschalten. „Ich könnte nicht an Land leben, diese Hektik!“, seufzt der Kutscher, als er sein Inseltaxi parkt. Da ist was dran. Autos sind hier Höllenmaschinen, und als Flieger kommt man sich fast wie ein Alien vor. Kaum zu glauben, dass vor fast 80 Jahren die ersten Maschinen auf Juist landeten. Die Ostfriesischen Inseln – immer ein guter Grund, ins Flugzeug zu steigen.

Juist – Tipps und Infos

Die Platzrunde verläuft nördlich in 600 ft MSL; der Ort Juist und der Gebäudekomplex Wilhelmshöhe sollen nicht überflogen werden. Achtung: Motorsegler-Schulbetrieb in der südlichen Platzrunde. Besonders im Anflug auf die Pisten 06, 08 und 30 muss mit Seevogelschwärmen gerechnet werden. Funkhilfe: 004°/26 NM from EEL VOR/DME 112.40, 226°/43 NM from DHE VORTAC 116.

Unterkunft: Von der Frühstückspension bis zum Luxushotel auf den Dünen: Auf der Website der Insel www.juist.de findet man nicht nur aktuelle Angebote, sondern sehr umfassende Informationen auch zu kulturellen Veranstaltungen.
Aktivitäten: Hervorzuheben wären das Musikfestival im Juni, das Krimifestival „Tatort Töwerland“ im September sowie die Klassiktage im Oktober. Telefonisch ist die Kurverwaltung Juist in der Strandstraße 5 für weitere Auskünfte unter 04935/80 91 06 oder -80 91 07 zu erreichen, E-Mail: service@juist.de. Ist die Nordsee mal zu kalt, lohnt sich ein Besuch im Meerwasser-Erlebnisbad.

Historisches vermittelt das Küstenmuseum im Loog; das Nationalparkhaus im alten Inselbahnhof hat das Wattenmeer zum Thema. Vom Hafen starten Ausflugsboote zu den Sandbänken, auf denen sich Robben tummeln. Exzellenten Fisch in stimmungsvollem Ambiente serviert das Hafenrestaurant direkt am Anleger. Nicht zuletzt, als wichtige Adresse für junge Leute mit Flug-Ambitionen: Jugendbildungsstätte Theodor Wuppermann e.V. Juist, www.jubi-juist.de

Text und Fotos: Rolf Stünkel, fliegermagazin 4/2013