UL-Motorsegler

UL-Pilot-Report: Sinus 912 von Pipistrel

Voriges Jahr wurde Pipistrel-Importeur Peter Götzner auf der Sinus Deutscher Meister, jetzt bietet er sie auch mit Rotax 912 an. 200 km/h „Reise“ bei einem Verbrauch von knapp elf Liter pro Stunde – oder Gleitzahl 27 und Aufwinde nutzen wie mit einem 15-Meter-Segler: Das macht den slowenischen Doppelsitzer zu einem attraktiven Touring Motor Glider. Mit allen Vorteilen eines ULs

Von Redaktion

CFK-Faserverbundbauweise, Beschläge teilweise aus Titan, 80- PS-Rotax, Verstellpropeller mit Segelstellung, schlanke 15-Meter-Flügel mit Laminarprofil, Flaperons und Schempp-Hirth-Bremsklappen – was da bei Pipistrel-Importeur Peter Götzner vor mir steht, kann sich sehen lassen: ein moderner Touring Motor Glider, der sowohl im Motor- als auch im Segelflugbetrieb attraktive Leistungen verspricht. Am deutlichsten unterscheidet sich die Sinus von „gewöhnlichen“ Reisemotorseglern durch zwei Merkmale: ihre Hochdeckerauslegung und das M-Kennzeichen. Mit zwei Helfern lässt sich das Hightech-UL einfach montieren; dabei sollten die Tanks allerdings leer sein. Die Flügel werden mit dem Rumpf nach Segelflugzeugart durch Holmzungen verbunden. Die kombinierten Querruder/Wölbklappen und die Bremsklappen schließen sich automatisch an. Für die Spritschläuche der Flächentanks gibt’s Schnellverschlüsse; die Schläuche für die Stau- und Statik-Druckabnahme steckt man an der rechten Wurzelrippe auf.

Auch das nach hinten aufzuschiebende Höhenleitwerk wird wie bei Segelflugzeugen montiert. Den gründlichen Vorflug-Check erschwert die etwas umständlich abzunehmende zweiteilige Cowling. Einen Handlochdeckel für die Ölkontrolle hat sie nicht. Sehr praktisch für den Betrieb an Plätzen ohne Mogas-Tankstelle: Die Flächentanks können nicht nur von oben befüllt werden – unterm Motor gibt’s einen Schlauchanschluss fürs Tanken aus dem Kanister. Dazu benutzt man die serienmäßig mitgelieferte Elektropumpe, die einen Filter hat – sie wird einfach ins Bordnetz gestöpselt. Die großen, tief herunterreichenden Türen öffnen nach oben und können am Flügel eingehängt werden. Sie ermöglichen einen ungehinderten Einstieg. Auf den gut gepolsterten Sitzen finden auch große Piloten Platz. Die Pedale sind (am Boden) einstellbar. Kleinere Insassen brauchen ein Sitzkissen, um über die Cowling blicken zu können.

Wendig, effizient, universell einsetzbar: Als hochwertiges Composite-UL braucht sich die Sinus 912 vor Motorseglern mit K-Registrierung nicht zu verstecken

Zu hoch sollte man sich allerdings auch nicht platzieren – dann hat man den Holm vor der Stirn. Das Cockpit ist bis auf Kleinigkeiten ergonomisch gut durchdacht. Motorbedienelemente, Wölbklappenhebel und der Trimmknopf sind auf der schmalen Mittelkonsole angebracht. Da kann man sich im Zwei-Personen-Betrieb mit den Ellenbogen schon mal ins Gehege kommen. Bei ganz ausgefahrenen Flaps steht der Wölbklappenhebel dem „Gashand“-Arm und dem Hebel für die Federtrimmung etwas im Weg. Die Bremsklappen werden mit einem Hebel unterm Kabinendach bedient. In voll ausgefahrener Position bleiben sie stehen. Das ist sinnvoll, um das abgestellte Flugzeug bei Wind zu sichern – aber auch eine gewisse Gefahr, wenn vergessen wird, sie vor dem Start einzufahren und zu verriegeln. Schaurohre in den Wurzelrippen beider Flügel ermöglichen die visuelle Kontrolle des Spritstands. Der Wert kann ins Bräuniger AlphaMFD eingegeben werden.

Dieses Kombi-Instrument präsentiert alle notwendigen Motor- und Flugdaten inklusive Varioanzeige und „Bordbuch“. Bei Elektrikausfall sorgt ein traditioneller Fahrtmesser für Sicherheit. Der Verstellpropeller ist eine Pipistrel-Konstruktion. Seine Steigung lässt sich per Drehknopf verändern. Die flachste Stellung hat man so gewählt, dass der Rotax im Steigflug nicht überdreht werden kann. Mit Peter Götzner mache ich mich in Ippesheim zum Probeflug bereit. 290 Kilo Leermasse, 160 Kilo Besatzung und rund 30 Liter Sprit bringen uns genau auf die maximal zulässige UL-Höchstmasse von 472,5 Kilo. Rollen ist einfach; beim Kurven helfen die hydraulischen Fußspitzenbremsen. Wird die Last am Seitenruder-gekoppelten Spornrad zu hoch, kuppelt es aus und ermöglicht Wenden um ein Hauptrad. Die Sicht nach vorn … Na ja, am Panel kann man zwar links vorbeisehen, sicheren Überblick schafft aber erst Zickzack- Rollen.

Klappenstellung plus 1, Trimmung neutral, Propellerknopf ganz nach links gedreht auf flachste Steigung – und Vollgas: Nach sehr kurzem Startlauf mit neutral bis leicht gedrücktem Knüppel hebt sich erst der Sporn vom Boden, bald darauf der Rest. Das Seitenruder kann währenddessen fast in der Mitte bleiben, der Motorseitenzug ist optimal. Im Vollgas-Steigflug trägt die Sinus nicht nur die Nase hoch, sondern steigt auch bestens. Bei 110 km/h dreht der „912“ mit der flachsten Prop-Steigung 5600 Touren. Nach dem Anfangssteigflug wird auf den höchstzulässigen Dauerwert von 5500 reduziert. Trotzdem erreichen wir bei sommerlich heißem Wetter bis 1000 Meter über Grund eine mittlere Steigrate von fünf Meter pro Sekunde. Dabei bleiben alle Motortemperaturen im grünen Bereich. Angezeigt werden sie allerdings nicht synchron, sondern nacheinander an der gleichen Stelle des AlphaMFD-Displays. Das hält länger als notwendig von der Luftraumbeobachtung ab.

Zwar warnt das Instrument sofort bei Überschreiten eines Wertes, dennoch halte ich eine permanente, gleichzeitige Anzeige aller Werte für sinnvoller. Beim Übergang in den Reiseflug zeigt die Sinus ihre aerodynamischen Qualitäten: Wölbklappen auf minus 1 und mehr Propellerpitch bringt die Fahrtmesser-Nadel in die Nähe des roten Strichs, der bei 225 km/h markiert ist. Mit zurückgenommenem Gas, 5200 Umdrehungen pro Minute und 200 km/h bescheinigt die Sprit-Durchflussanzeige hervorragende Sparsamkeit: 10,8 Liter pro Stunde! Der schlanke Sinus-Flügel federt Turbulenzen wirksam ab und erzeugt einen in dieser Klasse ungewohnten Flugkomfort. Selbst bei stärkerer Böigkeit darf der flotte Motorsegler noch bis 180 km/h geflogen werden – dann sind Distanzen von über 1000 Kilometer möglich.

Gleitflug: Mit Propellerblättern in Segelstellung kann die Sinus ihre aerodynamische Güte ausspielen

Das Überziehverhalten ist gutmütig: Im Leerlauf bei Klappenstellung minus 1 fühlt sich die Steuerung unter 68 km/h weich an, bei 65 macht leichtes Schütteln auf erste Ablöseerscheinungen aufmerksam, bis die Sinus bei 62 km/h unter starker Anstellwinkelzunahme in einen taumelnden Sackflug übergeht, dem Wegkippen über einen Flügel folgt. Gegenseitenruder und Nachlassen des Höhenruders stoppt den Strömungsabriss sofort. Klappenstellung 0 senkt die Stallspeed bei gleichem Verhalten um 4 km/h, die beiden positiven Stellungen jeweils nochmal um 2 km/h. Mit Vollgas werden bei sehr hohen Anstellwinkeln deutlich niedrige Geschwindigkeitswerte angezeigt. Fährt man die Bremsklappen aus, erhöht sich die Stallspeed um rund 4 Kilometer pro Stunde. Unterschiedliche Wölbklappen-Settings erzeugen keine störenden Momente um die Querachse: In Stellung „plus 2“ auf 85 km/h ausgetrimmt, beschleunigt die Sinus bei „plus 1“ auf 105, bei „0“ auf 120 und bei „minus 1“ auf 130.

Die Ruder wirken direkt und arbeiten leichtgängig; mit der Geschwindigkeit steigen die Kräfte an. Die 45-Grad-Rollwendigkeit habe ich bei Klappenstellung plus 2 und 100 km/h mit 3,4 Sekunden gemessen. Da die Seitenruderwirkung sehr gut und das negative Wendemoment gering ist, bleibt die Abstimmung auch bei wenig Fahrt hervorragend. Erst im Langsamflug bei positiven Klappenstellungen wird etwas stärkerer Seitenrudereinsatz erforderlich. Mit diesen Eigenschaften ist die Sinus 15-Meter-Seglern durchaus ebenbürtig. Wie sieht’s nun mit der zweiten Sinus-Funktion aus, dem Segelflug? Eine kurze Leerlauf-Abkühlphase, Zündung aus, bald steht der Prop. Verstellknopf ziehen, und er schwenkt in Segelstellung. Beim Abschalten der Zündung wechselt das Bräuniger-Instrument automatisch auf Segelflugbetrieb. Jetzt zeigt es die Variometerwerte nicht mehr nur im Analog-LCD-Display an, sondern liefert auch einen Segelfliegern vertrauten Piepton, der sich mit der Steigrate verändert.

Leider ist das Vario nicht fahrtkompensiert. Deshalb muss ich beim Thermikzentrieren darauf achten, die Fahrt konstant zu halten – nur so lässt sich die irreführende Anzeige von „Knüppelthermik“ vermeiden, die entsteht, wenn ich Fahrt in Höhe umsetze. Beim Kurbeln möchte man die Trimmung trotz geringer Ruderkräfte gelegentlich nachjustieren, um entspannt mit zwei Fingern fliegen zu können. Der Drehknopf zum Verschieben und Feststellen der Federtrimmung erweist sich dafür als etwas unpraktisch. In der Thermik fliegt sich die Sinus wie ein leichter, handlicher 15-Meter-Segler. Ihre leichtgängige, harmonische Steuerung macht auch das Segeln zum vollen Genuss. Mit Klappenstellung plus 1 lassen sich Aufwinde schnell und präzise zentrieren. Mit Stellung plus 2 steigt man bei 70 bis 75 km/h und 30 Grad Schräglage hervorragend eng im Zentrum. Bei kleinflächiger, ruppiger Thermik liefern rund 85 km/h und 45 Grad Schräglage optimale Steigwerte.

Alles wunderbar, wäre da nicht das Handicap jedes Hochdeckers: Die Sicht ins Kreisinnere ist durch den Flügel verbarrikardiert. Und im Langsamflug sieht man auch nach vorn recht wenig. Dadurch ist die Luftraumbeobachtung eingeschränkt: Gemeinsam mit anderen Seglern kurbeln kann problematisch werden – obwohl es ein Dachfenster gibt. Beim „Vorfliegen“ zum nächsten Aufwind macht die Sinus einen guten Eindruck. Ihre Gleitleistung lässt sich ohne Messdaten natürlich nur subjektiv beurteilen. Ich schätze allerdings, dass dieser Motorsegler irgendwo zwischen Ka 8 und Ka 6 liegt. Die meisten Touring-Motorsegler schlägt die Sinus klar. Wiederanlassen des Motors geht schnell und einfach: Propellerknopf vorschieben, nach links bis zum Anschlag drehen (flachste Steigung), Zündung ein und Anlasser drücken. Dabei geht deutlich weniger Höhe verloren als beim Starten von Klapptriebwerken oder wenn Propeller elektrisch in Segel- und Antriebsstellung fahren.

Sinus 912: ein selbststartender Side-by-Side-Motorsegler mit Sinus-Flügel

Und wenn der Motor mal nicht starten sollte, ist der Prop mit einem Griff wieder in Segelstellung. Dank guter Gleitleistung kann man dann in Ruhe ein Landefeld ansteuern. Gelandet wird – im Segel- wie im Motorflug – mit einer Basis-Anfluggeschwindigkeit von 90 km/h und Klappenstellungen plus 1 oder plus 2. Zwar bremsen die Wölbklappen so gut wie nicht, aber sie ermöglichen einen langsameren Anflug und verbessern die Sicht nach vorn. Zur Gleitwinkelsteuerung benutzt man die Schempp-Hirth-Klappen, die ordentlich wirken. Wer zu kurz kommt, kann sie auch im Langsamflug wieder einfahren, ohne dass die Gefahr des Durchsackens besteht. Will man wirklich steil runter, lässt sich die Sinus auch einfach slippen. Bei vollem Querruderausschlag ist etwa zwei Drittel Gegenseitenruder notwendig, um die Richtung zu halten. Dabei möchte das Seitenruder leicht auswehen, es muss also immer etwas gegengehalten werden.

Aufgrund der Hochdeckerauslegung schwebt dieser Motorsegler nicht lange aus; die Gefahr eines Kopfstands durch zu starkes Bremsen ist minimal. Auch bei Seitenwind lässt sich das Flugzeug einfacher landen als die meisten Spornrad-ULs. Die Sinus ist ein gelungener Zwitter: Sowohl im Motor- als auch im Segelflug bietet sie hervorragende Leistungen und viel Flugspaß – da braucht sie sich vor den teureren Touring-Motorseglern mit K-Registrierung nicht zu verstecken. Ein großes Sicherheitsplus ist neben dem Rettungssystem die aerodynamische Güte: Auf Flight Level 65 oder 75 unterwegs, wird man bei Motorausfall praktisch nie außenlanden müssen – durch den 27er Gleitwinkel liegt eigentlich immer irgendein Flugplatz in Reichweite. Optional wird die Sinus mit Bugradfahrwerk geliefert.

Oder als Experimental (Selbstbauflugzeug); in Australien ist diese Version für 544 Kilo MTOM bereits zugelassen. Wer fürs UL mehr Zuladung möchte und hauptsächlich an Segelflug interessiert ist, kann alternativ zum Rotax 912 auch den leichteren und preiswerteren „503“ bekommen, einen Zweitakter mit 50 PS. Puristen bietet Peter Götzner demnächst zwei weitere Pipistrel-ULs an: für Motorflieger die Virus, eine Bugrad-Sinus mit 2,5 Meter weniger Spannweite; sowie für Segelflieger die Taurus, ein selbststartender Side-by-Side-Motorsegler mit Sinus-Flügel, Klapptriebwerk und Einziehfahrwerk.

Text und Fotos: Jochen Ewald, fliegermagazin 11/2005

Technische Daten
Sinus 912 von Pipistrel
  • www.pipistrel.si
  • 14,97 m
  • 12,26 qm
  • 6,6 m
  • 1,7 m
  • 1,12 m
  • 284 kg
  • 472,5 kg
  • 2 x 30 l (56 l ausfliegbar), optional 2 x 50 l
  • Rotax 912 / 80 PS
  • Pipistrel Vario, 2-Blatt, GFK, mechanisch verstellbar mit Segelstellung, 1,67 m
  • 6,5 m/s
  • ca. 1100 km (plus 30 min. Reserve)
  • 81 548 Euro*
  • Flight Team Ultraleichtflugzeuge & Flugschule, Peter Götzner, Am Geißbuck 2, 97258 Ippesheim, Telefon 09339/12 97, 0171/7 70 54 92, www.flight-team.de
  • * mit Rettungssystem, Grundinstrumentierung (ohne Funk), flugfertig und zugelassen, inklusive MWSt. Preis mit Rotax 503: 68 208 Euro
Schlagwörter
  • UL-Motorsegler
  • CFK-Faserverbundbauweise
  • Schempp-Hirth-Bremsklappen
  • Fußspitzenbremsen
  • Propellerpitch
  • Sinus 912
  • Experimental-Version
  • Touring Motor Glider
  • zickzack
  • Gleitleistung
  • Segelstellung
  • Ruderkräfte
  • Pitch
  • Steigwerte
  • Kopfstand
  • Ka 6
  • Kreisinneres
  • Composite-UL
  • Bräuniger
  • negative Wendemoment
  • Bräuniger Alpha MFD
  • Schaurohre
  • Trimmknopf
  • Sitzkissen
  • Holmzunge
  • SINI
  • Verstellpropeller
  • Motorflug
  • Thermik
  • Segelflug
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  • Rotax 503
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  • Reisemotorsegler
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  • Touring-Motorsegler
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