Flugzeuge

UL-Pilot-Report: Solo 120 von Aeroplanes DAR

Weggesperrt in einer Kabine fliegen? Kann sinnvoll sein, muss aber nicht. Aus Bulgarien kommt ein 120-Kilo-Gerät, das alle Frischluft-Vorteile eines offenen Einsitzer bietet – samt deutscher Zulassung

Von Peter Wolter
UL-Pilot-Report: Solo 120 von Aeroplanes DAR
Logenplatz: Hinter einer schützenden Scheibe hat der Pilot beste Sicht auf die Umgebung. Bei 100 km/h macht Luftwandern noch Spaß.

Diese kleinen Dinger – keine Lässigkeit, konzentrier dich, versuch zu spüren, wann er fliegen will. Und schon fliegt er! Das waren ja keine … 50 km/h? 60? Lass ihn auf 80 beschleunigen, Vy, der Sicherheit halber. Ziehen – vier Meter pro Sekunde.

Südlich des Flugplatzes von Melle liegt die Ebene zwischen Wiehengebirge und Teutoburger Wald im milden Spätnachmittagslicht unter mir. Ständig schimpfe ich über das langweilige Flachland, aber was man da alles sieht! Falsch: Man bekommt es zu sehen, von einem offenen Flieger, nicht einem mit Cockpitausschnitt, aus dem der Kopf ragt, sondern einem vollkommen offenen, der in keine Richtung den Blick versperrt. Außer nach oben, okay – aber da ist heute der Himmel eh nur blau.

Vollkommen Offen: Der Solo 120 von Aeroplanes DAR versperrt in keiner Richtung die Sicht

Bulgarien? Überrascht war ich schon, als ich den Einsitzer von DAR vor zehn Jahren zum ersten Mal auf der AERO sah. Haben die überhaupt eine Luftfahrtindustrie? Dann erfuhr ich, dass sich der Hersteller dieses Luft-
sportgeräts auf eine Tradition beruft, die bis ins Jahr 1912 zurückreicht (siehe Kasten Seite 89). Ich wurde neugierig, den DAR Solo kennen zu lernen.

Götz VogelGötz Vogel
Angebot erweitert: Neben den schnellen Zweisitzern von TL Ultralight bietet Flugschulbetreiber Götz Vogel in Melle den minimalistischen DAR Solo 120 an.

Es hat bis 2015 gedauert mit der deutschen Musterzulassung, damals noch für eine Version, die leer 136 Kilo wiegt. Ende 2017 erteilte der DULV dann auch die Zulassung für die 120-Kilo-Version. Zulassung? Ja, obwohl Leichte Luftsportgeräte nur eine Musterprüfung brauchen. Von der Jahresnachprüfung sind sie befreit, der Halter kann die Wartung nach Herstellerempfehlungen selbst durchführen, und – ganz wichtig – der Pilot darf ohne Medical fliegen. Aeroplanes DAR hat dennoch für beide Solo-Versionen die deutsche Musterzulassung absolviert, was Vertrauen in das eigene Produkt verrät. Ist es begründet? 

Nicht notwendig: Aeroplanes DAR hat für beide Versionen die Musterzulassung absolviert

Beim ersten Anblick des Einsitzers denkt man: Rohr-Tuch. Also eine tragende Struktur aus Alurohren und -halbzeugen, bespannt mit segelartigen Hüllen, die nicht verklebt, sondern über die Gestellteile gespannt sind. Wie bei Drachen und schlichten UL-Dreiachsern. Doch dann wird klar, dass es eine andere Bauweise sein muss: Spitze Ecken am Leitwerk, eine vertikale Flosse mit langen Ansätzen, ein kastenförmiger Leitwerksträger, der sich verjüngt, keine Segellatten – das geht nicht mit Rohr-Tuch. DAR-Chef und -Konstrukteur Tony Ilieff wollte zwar ein einfaches Flugzeug, aber auch ein modernes. Deshalb entschied er sich für eine Gemischtbauweise: Metall und Kunststoff. Flügel, Höhenleitwerk und Seitenruder bestehen aus Aluminium, Stabrumpf, Seitenleitwerksflosse, Fahrwerksschwinge sowie Pilotengondel und -verkleidung aus CfK. So lässt sich an Trag- und Leitwerk eine bessere Profiltreue erzielen und der Widerstand senken. Die aerodynamische Güte ist Rohr-Tuch überlegen.

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Damit aus dem 136 Kilo schweren Einsitzer ein 120-Kilo-Gerät werden konnte, musste DAR an verschiedenen Stellen abspecken. Die Flaperons wurden zu reinen Querrudern umfunktioniert – die komplizierte Mischer-Mimik war schwer. Die Stärke der Flügelbeplankung hat man im mittleren und hinteren Profilbereich von 0,5 auf 0,3 Millimeter reduziert, die Räder sind leichter, ebenso die Fahrwerksschwinge, die schwächer dimensioniert werden konnte, da sie weniger Masse abfedern muss. Das Raketenrettungssystem blieb unangetastet, obwohl ein Wurfsystem, wie es bei Hängegleitern üblich ist, leichter und ebenfalls geeignet wäre.

Warm anziehen: „Aufsteigen“ auf die Solo

Beide Solo-Versionen werden von einem Polini Thor 250 DS angetrieben. Der wassergekühlte Zweitakter hat eine Doppelzündung, ein Untersetzungsgetriebe (2,8 : 1) und ein Resonanzrohr mit Nachschalldämpfer. Über eine Fliehkraftkupplung treibt der Einzylinder einen Festpropeller an. Warm anziehen, Helm auf und rein in die Kiste. Rein? Na ja, vielleicht eher aufsteigen.

OffenOffen
Anders offen: In den DAR Solo 120 steigt man nicht wirklich ein – man setzt sich eher drauf. Dennoch ist er ein vollwertiges UL in Alu-Composite-Bauweise.

DAR-Importeur Götz Vogel, der auch Vertriebspartner des tschechischen Herstellers TL Ultralight ist, erklärt mir, wie man den Motor startet: Vorn über dem Piloten gibt’s am Stabrumpf eine Bedieneinheit mit Hauptschalter, Anlasserknopf, Check-Tasten für die beiden Zündkreisläufe und eine Kontrolllampe. Schalter nach rechts, Knopf drücken, und der Polini läuft. Und zwar erstaunlich sanft, auch im Leerlauf. Vielleicht kommt ihm die Masse des Holzpropellers zugute. Rechts unterhalb des Sitzes erreiche ich den Auslösegriff des Rettungssystems, links den Gashebel, das Bugrad ist mit den Pedalen gekoppelt. Per Handhebel am Steuerknüppel werden die Bremsen bedient, eine Trimmung gibt es nicht.

Sanfter Leerlauf: Die Masse des Holzpropellers kommt dem Motor zugute

Die Strecke vom Abstellplatz über den Taxiway und die Piste zum Startpunkt 06 ist weit genug, um mit der Lenkung vertraut zu werden. Einwandfrei. Na dann!

Das Bugrad verliert schnell Bodenkontakt, und als ich fliege, ist der Gashabel noch gar nicht am vorderen Anschlag. Im Horizontalflug lasse ich das Gas stehen, weil ich wissen will, ob sich die aerodynamische Güte in Speed niederschlägt: 120 Kilometer pro Stunde – das ist gut für ein Gerät dieser Art, aber auch nicht um Welten mehr als bei vergleichbaren Rohr-Tuch-Mustern, vielleicht 10 km/h.

Kein Wunschkonzert: Der Sound des Zweitakters ist gewöhnungsbedürftig, aber leise

Bei 100 km/h fühlt sich das Leichtgewicht angenehm an. Dann dreht der Motor „nur noch“ mit knapp 7000 rpm (so ist das halt bei einer Literleistung von 144 PS). Der Sound … Ein Wunschkonzert ist was anderes, aber das muss man dem Zweitakter lassen: Er ist leise, er läuft kultiviert und temperaturstabil – die Wasserkühlung zahlt sich aus. Selbst nach langem Teillast- oder Schubbetrieb nimmt er das Gas sauber an, er schüttelt nicht und nervt auch nicht durch Kühlrippen-Schwirren wie manche luftgekühlte Zweitakter. Man merkt, dass Polini Motori keine Bastlerbude ist – die Italiener produzieren in großen Stückzahlen Zweitakter für die eigenen Mini-Motorräder, aber auch für andere Anwendungen, etwa motorisierte Gleitschirme. Die Integration der Aggregate am Thor 250 DS wirkt professionell.

ZweitakterZweitakter
Wenn schon Zweitakter, dann so! Der Polini Thor 250 DS läuft kultiviert. Wasserkühlung, Doppelzündung und Holzpropeller kommen dem Antrieb zugute.

Hinter der großen Scheibe lässt sich der Fahrtwind bei Geschwindigkeiten um 100 km/h gut aushalten. Als ich mir einen Eindruck von der Wendigkeit machen möchte, bin ich anfangs mit dem Querruder zu forsch: Solche langsamen Flieger kreist man flach und hauptsächlich mit dem Seitenruder; die riesigen Querruder brauchen nur ganz wenig Knüppelweg. Steuerkräfte und Ruderwirkung gehen in Ordnung. Dass es keine Trimmung gibt, stört mich bei meinem halbstündigen Flug nicht, obwohl der Knüppel ständig leicht nach vorn will: Wenn die steuernde Hand auf dem Oberschenkel liegt, der durch die Sitzhaltung nach vorn ansteigt, blockiert sich der Knüppel von selbst. Später erklärt mir Götz, man wolle am Höhenruder eine Bügelkante befestigen, mit der sich die Neutralstellung auf das jeweilige Pilotengewicht abstimmen lasse.

Stallwarnung: bei 80 km/h leuchtet die Warnlampe auf

Geht die Fahrt zurück, leuchtet bei 80 km/h in dem kleinen zentralen Kombiinstrument eine rote Warnlampe auf. Das erscheint mir etwas zu früh, denn erst bei 50 km/h beginnt die Strömung abzureißen. 60 oder 65 als Schwelle für die Stallwarnung wäre sinnvoller, sonst gewöhnt sich der Pilot womöglich an die vorschnelle Warnung und ignoriert sie. Mit warnenden Vibrationen oder Geräuschen, wie bei Rohr-Tuch-Geräten, darf man beim Solo 120 nicht rechnen; dazu sind die Oberflächen zu steif. Aber es spielt sich auch nichts Dramatisches ab, wenn die Strömung zusammenbricht: Der Flieger senkt die Nase und rollt dabei ein wenig nach links. Lässt man den Knüppel gleich nach und fängt behutsam ab, bleibt der Höhenverlust klein.

LangsamLangsam
Sehr langsam: Erst bei 50 km/h hört der Einsitzer auf zu fliegen – die Rollstrecken bei Start und Landung sind extrem kurz.

Im Landeanflug bleibe ich knapp über 80 km/h – keine rote Lampe! Einigermaßen vertraut mit dem Solo lässt er sich bestimmt gefahrlos mit 70 km/h anfliegen. Nach dem Aufsetzen schwebt das Bugrad noch lange über der Bahn, wenn man den Knüppel gezogen hält. Die Aufliegelast ist gering – und mir wird klar, warum DAR auf eine Federung des Bugrads verzichtet hat. 

Keine Superlative: der DAR Solo punktet mit unspektakulären Merkmale

Wie positioniert sich der Solo in der 120-Kilo-Klasse? Auf jeden Fall nicht durch Superlative: Er ist weder der Schnellste noch der Billigste, andere haben einen Viertakter oder Elektroantrieb, ein charismatisches Design, oder man kann mit ihnen segeln. Der DAR Solo 120 punktet durch unspektakuläre Merkmale: Er kombiniert ein bewährtes UL-Konzept – Stabrumpf, offene Pilotengondel, Bugradfahrwerk – mit verschleißarmer Alu-Kunststoff-Bauweise und einem hochwertigen Antrieb.

InstrumenteInstrumente
Mehr braucht man nicht: Zwei Kombiinstrumente (Mitte oben und rechts) liefern Flug- und Motordaten. Libelle und einen weiteren Fahrtmesser gibt’s analog, eine 12-Volt-Buchse fürs mobile GPS ist optional erhältlich.

Einige Details hätten etwas mehr Bauaufwand verdient, etwa Buchsen oder Füllstücke in Rohranschlüssen, auch die Beplankung von Trag- und Leitwerk könnte formtreuer sein. Doch das sind eher symbolische Defizite als praktische Nachteile, und angesichts des relativ teuren Motors sollten die Erwartungen nicht überzogen sein, wenn der ganze Flieger keine 30 000 Euro kostet. Dafür bietet der bulgarische Einsitzer das volle Frisch-
luftvergnügen eines offenen 120-Kilo-Geräts.

Aeroplanes DAR

Das bulgarische Unternehmen versteht sich als Nachfolger des Staatsbetriebs DAR, der 1912 gegründet wurde und ab 1925 Flugzeuge produzierte. In jenem Jahr hatte das Regime den deutschen Flugzeugkonstrukteur und Piloten Hermann Winter mit dem Aufbau einer nationalen Luftfahrtindustrie beauftragt. Unter seiner Regie baute DAR deutsche Muster nach, fertigte aber auch neue Entwürfe von Winter. In sein Heimatland zurückgekehrt arbeitete der Konstrukteur unter anderem für Fieseler. DAR existierte bis 1943. Am Firmensitz in Sofia gründete der Bulgare Tony Ilieff 1995 Aeroplanes DAR. Der Maschinenbauingenieur hatte eine leitende Funktion beim Luftfrachtunternehmen Hemus Air aufgegeben, um Flugzeuge zu bauen.

Als Erstling, der gemeinsam mit zwei Freunden entstand, kam 1996 die DAR 11 in die Luft. Der Einsitzer hatte eine Rumpfstruktur aus Stahlrohren und eine hauptsächlich aus Holz bestehende Tragfläche. Die Weiterentwicklung DAR 21, die im Jahr 2000 flog, war eine Ganzmetall-Konstruktion. Heute sind zehn Mitarbeiter in die Produktion eingebunden. Neben dem hier vorgestellten Einsitzer Solo 120 (120 Kilogramm Leermasse) und der Version Solo UL (136 Kilo Leermasse), beide mit DULV-Zulassung, fertigen sie den Zweisitzer DAR 23. Vom Einsitzer unterscheidet sich dieser Typ hauptsächlich durch ein breiteres Cockpit mit nebeneinander angeordneten Sitzen, mehr Flügelfläche und einen Antrieb mit Hirth F23.

Text & Fotos: Peter Wolter fliegermagazin 03/2019

Technische Daten
  • 9,45 m
  • 9,77 m2
  • 4,76 m
  • 2,47 m
  • 120 kg
  • 260 kg
  • 15 l (Gemisch 1:50)
  • Polini Thor 250 DS / 36 PS
  • LL-Blade, 2-Blatt, fest, Holz, 1,50 m
  • ca. 5 l/h
  • ca. 4 m/s
  • 2,5 h plus 0,5 h Reserve
  • 29 750 Euro* brutto
  • Wezel Flugzeuge GmbH Segelfliegerweg 39 49324 Melle Telefon 05422/92 51 90, 0171/387 11 19 www.wezel-flugzeug technik.de
  • 50 km/h
  • 90 – 110 km/h
  • 150 km/h
Über den Autor
Peter Wolter

Peter Wolter kam vom Drachenfliegen zur motorisierten Luftfahrt und von der Soziologie zum Journalismus. Er steuert ULs sowie E-Klasse-Maschinen und hat sein eigenes UL (eine Tulak) gebaut.

Schlagwörter
  • 120-Kilo Klasse
  • Solo 120
  • Aeroplanes DAR
  • offenes Cockpit
  • Musterzulassung
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