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Oldtimer-Reportage: Holz-Replikat der Focke-Wulf 190

Über dem kleinen Städtchen Donaueschingen bebt die Luft. Dort fliegt seit diesem Jahr der einzige originalgetreue Holznachbau einer Focke-Wulf 190

Von Redaktion

Ich hab’ da irgendwas falsch gemacht. Der Motor hinten, vorne kleine Flügel. Sieht gar nicht aus wie ein richtiges Flugzeug.“
Langstreckenflüge können für Piloten ja sowas von langweilig sein. Irgendwann kehrt selbst im hektischsten Cockpit Ruhe für eine private Plauderei ein. Eines dieser Schwätzchen in knapp 40 000 Fuß zwischen Europa und den USA muss man als Geburtsstunde des wohl ambitioniertesten Eigenbau-Projekts der vergangenen Jahre in Deutschland bezeichnen. Auch Piloten-Kollegen sprechen gerne darüber, was sie so in ihrer Freizeit treiben. Im Fall von Kapitän Claus Colling und seinem Ersten Offizier Ulrich Bronner ist das ein weites Feld: Flugzeuge bauen. Bronner erzählte von seinem ersten Eigenbauprojekt, dem Entenflügler Long Eze von Burt Rutan. Sein Heimatplatz Donaueschingen war Anfang der Neunziger ein „Entennest“, und Bronner wollte unbedingt auch einen Canard.

Den hatte er gerade fertiggestellt, 1992 war das. Und weil dem Schwaben nicht wohl ist, wenn er nichts zum Wurschteln hat, nahm er Collings Antwort wohl sehr wörtlich: „Dann bau doch mal ein richtiges Flugzeug!“ Zum Beispiel eine Focke-Wulf 190. Focke was? Zwar wusste Bronner wohl, wie eine Me 109 aussieht. Aber dieser breitbeinige Sternmotor-Bolide? Da musste er erst einschlägige Bücher zu Rate ziehen: ein Jagdflugzeug der Deutschen Luftwaffe, das im Zweiten Weltkrieg den martialischen Beinamen „Würger“ trug. Warum eigentlich nicht: Mustangs gibt’s zuhauf, die Me 109 mit ihrem Ballerina-artigen Fahrwerk verspricht Stress bei Start und Landung – da erschien die Focke-Wulf als praktikabelste Lösung. „So kam ich auf die Idee, eine ‚190‘ zu bauen“, lacht der 43-Jährige, wenn man ihn nach der Entstehungsgeschichte fragt. Wir sitzen in Donaueschingen auf der Terrasse des Flugplatzrestaurants.

Ansporn vom Konstrukteur Jurca höchstpersönlich

In Blickweite steht seine „190“ vor einem Hangar. Inzwischen ist Bronner selbst Airbus-Kapitän bei LTU. Und erntet als Erbauer einer originalgetreuen Focke-Wulf 190 überall Anerkenung. Eine Art Homebuilt-Wotan. Das bringt natürlich eine gewisse Lässigkeit dem Leben gegenüber mit sich. Er trägt Wohlfühl-Kluft und räkelt sich in der Oktobersonne. Ein entspanntes Gähnen, die Nachmittagsmüdigkeit – macht nichts, na klar. Der Mann ist mittig, alles im Lot. Er scheint genau zu spüren, wieviel Engagement angemessen ist, um dieses Interview hinter sich zu bringen. Und vielleicht ist diese Fähigkeit auch eine der Voraussetzungen, um ein Mammutprojekt wie den „190“-Nachbau zu stemmen: Aufwand abschätzen können, sich nicht im Detail verrennen, den Blick fürs Wesentliche nie verlieren. Claus Colling, so erzählt er, gab ihm damals einen Tipp: Der bekannte Konstrukteur Marcel Jurca hätte seit ein paar Jahren die Pläne für einen 1:1-Holznachbau des ehemaligen Jägers im Angebot.

Um nicht die Katze im Sack zu kaufen, flog Bronner nach Paris, damit er die Bauunterlagen für die MJ-80 Focke-Wulf 190 in Augenschein nehmen konnte. 5000 Mark hatte er sich vorsichtshalber in die Jackentasche gesteckt. Die Summe blieb bei Jurca. Kurz vor Weihnachten ’93 ging’s los. In zwei zusammengestellten Garagen neben seinem Haus verbrachte er die nächsten Jahre fast jede freie Minute. „Made by VHW – Vereinigte Hüttenwerke“, schmunzelt er. Zehn Jahre gab er sich für das Projekt, dann musste der Jäger fertig sein. Bauberater Jürgen Fecher und Prüfer Klaus Fritsch von der Oskar Ursinus Vereinigung griffen ihm in dieser Zeit immer wieder unter die Arme. Die Beiden haben schon seine Long Eze betreut. Dass Bronner nach dem Abitur auf einem technischen Gymnasium eine Maschinenbaulehre durchlief, war nicht gerade hinderlich. Die Ente, das war sein Gesellenstück.

Hier sammelte er Erfahrung mit GFK, Spachteln und Lackieren. Aber die Focke-Wulf, die sollte sein Meisterstück werden. Rippen und Spanten aussägen sind die ersten Arbeiten. Das Holz hat sich Bronner direkt in Finnland gekauft, wie ihm jemand geraten hatte. Dort sei es billiger und habe auch die richtige Größe. Er errichtet eine Helling, verklebt die Spanten mit Längsgurten und beplankt den Rumpf von innen und außen. Für die Tragflächen besorgt Tassilo Bek, der in den Achtzigern eine Holz-UL-Me 109 konstruierte, das passende Holz und verleimt in seiner Werkstatt Ober- und Untergurte. In einem 10,5 Meter langen Segelfluganhänger wird das Teil in die „VHW“ gebracht. Die sind zwischenzeitlich um eine weitere Garage vergrößert worden, um den durchgehenden Flügel aufnehmen zu können. Beschlagteile, Steuergestänge, Fahrwerk – das muss Bronner selber bauen, es gibt schlichtweg keinen Zubehörhändler, der Teile für eine Focke-Wulf anbietet.

Alles muss berechnet und maßgefertigt werden. Motorträger und Beschläge kommen von Hans Götz („der größte Motorträger, den ich je in der Mache hatte“), dessen Luftfahrttechnischer Betrieb den Segelflughersteller Schempp- Hirth beliefert.
Vor sechs Jahren dann die erste Hochzeit, Rumpf und Flächen werden zusammengefügt. „Da habe ich die Maschine das erste Mal gewogen, um den Schwerpunkt zu bestimmen“, erinnert sich Bronner mit hochgezogenen Augenbrauen. Ernüchterndes Ergebnis: Firewall forward fehlen 200 Kilo. Fechers zeichnerische Lösung verwandelen die A4-Version einer Focke-Wulf 190 in eine „Langnase“: Der Motor müsste soweit nach vorne versetzt werden, dass die Original-Geometrie der Maschine ruiniert wäre. „Spinner mit Gold ausgießen ist ja auch nicht ideal“, lacht Bronner, und damit ist erklärt, warum statt des ursprünglich vorgesehenen Pratt & Whitney R-1340 nun der größere und schwerere R-1830 – aus einer DC-3 – unter der Cowling sitzt.

Rückblick: „Hat sich gelohnt“, strahlt Ulrich Bronner

Für ihn sind die amerikanischen Motoren ohnehin die beste Wahl für sein Homebuilt: bewährte Technik mit gesicherter Ersatzteillage. Der Einbau des 1200 PS starken Doppelsternmotors zog sich zwei Jahre hin. Statt eines Abgassammlers mit einem Ausgang waren ein oberer und ein unterer Sammler nötig, zwei Abgasrohre gehen direkt ins Freie. Die Luftansaugung musste aus thermischen Gründen auf die Oberseite der Cowling gelegt werden, wo sie zwischen den beiden MG-Atrappen ein wenig deplaziert wirkt, „aber das ging halt nicht anders“, zuckt Bronner mit den Schultern. Immer mit dabei sein flugbegeisteter Nachbar Fritz, der ihm schon bei der Ente zur Hand gegangen war. Zum Leidwesen des 78-Jährigen werkelte Bronner diesmal an einem Einsitzer. Um die Jahrtausendwende folgte die Elektrik. Und die Hydraulik. Sie stammt aus den Händen von Michael Klomann.

Der Maschinenbauer hat sie extra für die Focke-Wulf entwickelt. Bei so manchem Helfer schien das Kürzel „Fw 190“ motivationsfördernd zu wirken. Drei, vier Mal kam Jurca vorbei, um den Baufortschritt zu begutachten. Die MJ-80 war sein Baby. Er wollte sie unbedingt fliegen sehen. „Beeil dich, sonst erlebe ich es nicht mehr“, verabschiedete sich der Franzose jedesmal von Bronner. Wohl eine Vorahnung: 2001 starb der Konstrukteur. Inzwischen sind Uli Bronner und ich zur Maschine hinübergeschlendert. Unablässig redet er weiter und lacht. Als ich vor der „190“ stehe, erzählt das Herz dem Verstand, dass dies hier einmalig ist. Gucken reicht nicht, man muss hinfassen, um zu glauben was man sieht. 2002 hat das Technische Hilfswerk die halbfertige Maschine in einen Hangar auf den Flugplatz Donaueschingen gebracht.

Von da an wurde der Winter zum Problem: Große Hallen lassen sich nicht so leicht beheizen wie die heimische Garage – Baueiszeit. Vier, fünf Monate Kälte-Zwangspause jedes Jahr hat das Projekt wohl um zwei bis drei Jahre in die Länge gezogen. Im Herbst 2003 wagte sich Bronner an den ersten Motorstart. Eine falsche Reglerhalteplatte kostet zwei Monate Fehlersuche. Der Governer wird bei Hoffmann-Propeller angepasst. Die Blätter der DC-3-Luftschraube hatte man schon in den USA von 3,5 auf 3,3 Meter gekürzt. Von einem Sammler lieh sich Bronner einen Orginalspinner und fertigte eine GFK-Version davon. „Raubkopie“, grinst er. Rumpfübergänge wurden angepasst, das Fahrwerk justiert. Weil Jurca in seinen Plänen eine Ausbuchtung des Brandspants in den Radkästen übersehen hat, müssen die Reifen kleiner als beim historischen Vorbild ausfallen. Bronner nimmt die einer Cessna 340.

Diese Phase der Fertigstellung hat den Durchhaltewillen des 43-Jährigen mächtig auf die Probe gestellt. „Du gehst morgens in den Hangar, und wenn Du abends das Licht ausmachst, sieht die Maschine immer noch gleich aus.“ Der Baufortschritt fällt nicht mehr so ins Auge wie etwa beim Beplanken der Flächen. Im Winter sorgt Schreibarbeit für Abwechslung: Das Flughandbuch entsteht, ebenso die Beschreibung, wie die Flugerprobung aussehen sollte. Ausgiebige Probeläufe ab Herbst 2005 wurden im Juni dieses Jahres mit der Endabnahme durch Fecher und Frisch belohnt. Bronners fliegerische Vorbereitung auf den „Würger“ hielt sich in Grenzen. Die Segelkunstflug-Berechtigung wurde um die für Motorflugzeuge erweitert, „und drei Trainingsstunden auf der Extra 300 waren sicher kein Fehler“, erinnert er sich. Erwin Birks Pilatus P-2 in Rottweil vermittelte in Sachen Gewicht das nötige Fingerspitzengefühl.

Die Idee: geboren in 40 000 Fuß über dem Atlantik

Ganz andere Gefühle bereitete die „Permit to fly“, die im Sommer vom Luftfahrt-Bundesamt eintrudelte. Am 19. August dann der Erstflug – nach zwölf Jahren Bauplackerei hob die Focke-Wulf in Dreipunktlage ab und verhielt sich während des viertelstündigen Fluges so brav, wie sich’s der Erbauer erhofft hat. Bis Ende Oktober hat er dreieinhalb Stunden mit seiner „190“ gesammelt. Jetzt steht ein strammes Erprobungsprogramm bevor: Fahrtmesserkalibrierung, Knüppelkräfte ermitteln, Bestimmung der Lande- und Startstrecken. Und natürlich die Flugeigenschaften kennen lernen. Von denen wollen wir uns jetzt auch ein Bild machen. Der Fotoflug steht an. Bronner ist in seine Fliegerkombi geschlüpft. Unsere Fotomaschine, eine Piper Lance, ist auf dem Weg nach Donaueschingen. Sobald sie sich in der Platzrunde meldet, wird Bronner den Motor warmlaufen lassen; das Briefing hatte kurz zuvor stattgefunden.

Neugierige haben sich eingefunden, den Anblick will sich keiner entgehen lassen. Bis dahin schreitet der frischgebackene Focke-Wulf-Pilot zwischen ihnen und dem Hangartor auf und ab. Als sei der Flug auf den Boden gezeichnet und ließe sich durch Ablaufen verinnerlichen. Das Gegenteil von Konzentrationsstarre. Es wird sein sechster Ausritt mit der „190“. Da ist schon ein bisschen Nervosität erlaubt. Ein leises Brummen kündigt unsere Piper an. Mit einem behenden Satz klettert Bronner ins Cockpit. Haube zu und Motor starten. Widerwillig wuchtet der R-1830 die mächtigen Propellerblätter durch die Luft. Unter der Motorabdeckung klingt es wie aus einer Kiste voll mit Metallgedöns, dass sich erst sortieren muss, um seinen Zweck erfüllen zu können. Spotzend springt der Doppelsternmotor an, ein halber Liter Öl löst sich dabei in Rauch auf. Das Klackern der Pleuel und Lager wird langsam von einem zufriedenen sonoren Motorlauf abgelöst.

Abheben von der „18“. Wir tuckern Richtung Bodensee und verrenken uns die Hälse. Wo ist die „190“? Das ist ein bisschen wie Zielscheibe spielen. Dann schießt sie plötzlich links von uns nach oben. Steigfähigkeit und Beschleunigungsvermögen sehen fantastisch aus. Ja, alle an Bord der Piper würden jetzt liebend gerne mit dem Mann in dem quirligen Warbird-Replikat tauschen. Nach der Landung helfe ich beim Hangarieren. „Sag, wieviel Stunden hast du gebaut?“ „Ich hab’s vermieden, über die Zeit Buch zu führen“, kommt es lakonisch. Ob’s denn schon ein nächstes Eigenbauprojekt gebe, frage ich. „Klar“, antwortet Bronner verschmitzt. In der Winterpause will er einen SG 38 bauen, ein Schulgleiter. Als Modell mit zwei Meter Spannweite. Er mag’s inzwischen überschaubar …

Text: Markus Wunderlich; Fotos: Christian von Wischetzki; fliegermagazin 12/2006

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