Ultraleicht

UL-Pilot-Report: Podešva Fi 156 Storch

Ein Fieseler Storch in der UL-Klasse? Das klingt nach Gratwanderung zwischen Kitsch und Können. Ulrich Sittel hat die Herausforderung angenommen und in 2500 Arbeitsstunden ein Meisterwerk aufs hochbeinige Fahrwerk gestellt

Von Redaktion
UL-Pilot-Report: Podešva Fi 156 Storch

Uli schiebt die Hangartore auf. Majestätisch thront sein Flugzeug in der Halle – ein dem Original zum Verwechseln ähnlicher Storch. Mit Delta-Mike-Kennzeichen! C42, FK 9 und die anderen ULs um ihn herum wirken mit einem Mal schrecklich farblos. Der Storch lässt keinen Zweifel daran, wer der Chef im Ring ist. Eine Mischung aus Skepsis und Neugierde haben mich auf dem Weg in die Pfalz begleitet. Auf Deutschlands ältestem UL-Gelände Roßberg bei Becherbach – hier wurde 1982 der DULV gegründet – sollte mich ein Einzelstück erwarten, gebaut von Ulrich Sittel. Ob das gut gehen kann: die Kurzstartlegende 80 Jahre nach ihrem Erstflug als UL auferstehen zu lassen? Immerhin fasziniert das Original nicht nur mit seinen Qualitäten im Langsamflug, sondern auch durch imposante Dimensionen: 14,3 Meter Spannweite, 1260 Kilogramm Höchstabflugmasse, dazu ein Motor mit 12,7 Liter Hubraum.

Alles Merkmale, die nicht unbedingt zu einem UL passen. Schon lange stehen Uli und ich in Kontakt, und immer wieder drehten sich unsere Gespräche um den Storch, das erste Mal 2010. Beim letzten Tannkosh im Sommer 2013 haben wir über die Wahl des Propellers gefachsimpelt. Etliche Mails sind seitdem hin und her gegangen, wir haben telefoniert und WhatsApp-Nachrichten geschrieben: Wie weit ist der Storch? Fliegt er schon? Doch Drängeln hilft nie, solche Projekte brauchen Zeit.Als der Erbauer mir jetzt das Flugzeug zeigt, sind schlagartig viele Fragen beantwortet. Ein zweiter Blick. Die Proportionen passen, die Verarbeitung wirkt tadellos. „Das ist ein 73-Prozent-Nachbau“, erklärt der Besitzer. Selbst derart verkleinert, ist die D-MLSU ziemlich groß, zumindest nach UL-Maßstäben. 2,75 Meter misst die Spurweite des Fahrwerks, mehr als zehn Meter liegen zwischen den Flügelspitzen.

Der Storch von Podešva ist bereits das dritte UL, das Ulrich Sittel mit eigenen Händen schuf

Am mächtigen Zweiblatt-Prop vorbei werfe ich einen Blick in den Lufteinlass der Cowling. Bitte, lass es keinen Rotax sein …! Entwarnung: Mit dem Walter Mikron III C von Parma Technik hat Uli einen Antrieb gewählt, dessen Philosophie dem originalen Argus As 10C mit acht Zylindern und 240 PS Startleistung näher kommt als jeder andere Motor, der leicht genug wäre. Vier hängende Zylinder in Reihe, 2,7 Liter Hubraum, 80 PS – das passt fürs UL. Kühlmittel: Luft. Getriebe: Gibt’s nicht. Dafür einen umso kernigeren Klang. Der Sprit fließt aus zwei 36-Liter-Flächentanks über einen kleinen Header-Tank in den Maschinenraum. Einem bestimmten historischen Vorbild folgt die D-MLSU nicht. Das Storch-Wappen ist fiktiv, die graue Farbe soll einst für zivile Flüge genutzt worden sein. Dennoch fällt die Liebe zum Detail auf. Bis hin zur Reifendruckangabe in atü ist die Zeitreise perfekt.

Die eigentliche Überraschung steckt im Stammbaum des UL-Storchs: Seine DNA stammt von der TUL-02 Tandem Tulak, auch bekannt als Cubby. Wer den Tandemsitzer kennt, weiß, dass er optisch einer verkleinerten Piper Cub entspricht – weiter weg vom hochbeinigen Storch geht’s kaum. Eigentlich. Dass die Verwandlung möglich war, ist der tschechischen Flugzeug-Manufaktur von Petr und Tomáš Podešva zu verdanken. Unter Selbstbauern kennt man das Vater-Sohn-Duo für individuelle Ultraleichtflugzeuge. Neben der Piper Cub haben die beiden zahlreiche historische Vorbilder als UL nachgebaut, unter anderem Zlin 126 Trener, Aero L-60 Brigadyr, Fokker D.VIII, Boeing Stearmann und Bf-109. Auch die ultraleichte Bücker 131, zunächst als 85-Prozent-Nachbau entstanden, stammt aus dem Hause Podešva; für Peter Funk fertigen die Tschechen den UL-Jungmann in Originalgröße.

Klein aber fein: Die historische Anmutung ist perfekt, sogar der Sound des Motors passt

In die Pläne für den verkleinerten Storch flossen wesentliche Elemente der hauseigenen Tulak ein. Die bespannten Holzflügel sind strukturell identisch. Das gilt auch für den Rumpf, ein bespannter Stahlrohrverbund, der um formgebende Streben fürs kantige Storch-Cockpit ergänzt wurde. An anderen Stellen hingegen unterscheiden sich beide Muster deutlich. So sitzt der Storch-Pilot vorne, während er in der Tandem Tulak hinten Platz nimmt. Bei Uli Sittel trafen diese Pläne einen Nerv. Denn der Storch war und ist für ihn etwas Besonderes: „Als Soldat im Nachrichtendienst hatte mein Vater während des Kriegs regelmäßig mit dem Storch in dessen Rolle als Verbindungsflugzeug zu tun. Zu Hause erzählte er oft von seinen Erlebnissen“, erinnert sich Uli an seine Kindheit. Auch später tauchte der Storch immer wieder in seinem Leben auf, sodass es nur eine Konsequenz geben konnte: „Dieses Flugzeug musste ich einfach bauen!“

Bei einem Besuch in Tschechien vor fünf, sechs Jahren wurde der Kauf des ersten Storch-Kits besiegelt – unter Freunden, denn mit den Podešvas verbindet den Pfälzer eine langjährige und gute Beziehung. Nach Tulak und FK 9 Mark II ist der Storch sein drittes Selbstbauprojekt. Für den pensionierten Außendienstmitarbeiter eines Pharma-Unternehmens, Jahrgang 1951, war der Flugzeugbau schon immer eine willkommene Abwechslung zum Alltag. Als der Bausatz bei Uli in Rockenhausen eintraf, sah sich der Empfänger am Beginn eines arbeitsreichen Pionierprojekts. Der perfekt geschweißte Rumpf bestand aus blankem, unbehandeltem Metall. Den Rohbau der Flügel, wie beim Original aus Holz, hatte ein Schreinermeister vorbereitet. Uli bespannte Rumpf, Flügel und Leitwerk mit Ceconite und bereitete die Lackierung vor, bei der dann ein befreundeter Profi mit anpackte.

STOL-Ikone: Mit seiner ausladenden Geometrie grätscht sich der Storch in die widrigsten Betriebsbedingungen

Zumindest die Kunstleder-bezogenen Sitze und einzelne Komponenten wie Gas- und Trimmhebel waren einbaufertig. Viel Zeit haben vor allem die Extra-Aufgaben verschlungen, die der Storch seinem Erbauer abverlangt. So mussten die jeweils vier Meter langen Vorflügel aus GFK mit Schaumkern selbst konstruiert und laminiert werden. Geduldige Handarbeit erforderten auch die Übergänge vom Rumpf zu den hochgesetzten Flügeln, ebenso die Scheibenrahmen aus GfK. Der Motorträger wurde vom Motorsegler Vivat adaptiert, der ebenfalls mit einem Mikron-Antrieb fliegt. Zu den größten Herausforderungen zählte die Motorhaube. Aus einem Styroporblock formte Uli zunächst die Rundungen des Storchengesichts samt Lufteinlass. Mit Holzleisten stellte er eine Verbindung zwischen der Frontpartie der Cowlingund dem Rumpf her. Die so gewonnene Grundform wurde mit zwei, drei Lagen GfK und einer größeren Dosis Spachtelmasse fixiert.

„Von 17 Kilo Spachtelmasse habe ich acht wieder abgeschliffen“, erzählt der Erbauer. Mehrere Wochen dauerte allein dieser Arbeitsabschnitt in der heimischen Garage. Schließlich nahm Uli eine Form ab, aus der sich heute alternativ eine Motorhaube aus Blech bauen ließe. Unerwartete Hürden offenbarten sich beim Erstflug am 1. Oktober 2015. Der Kurzstarter flog nicht geradeaus und sackte in der Landephase beim Ausschweben unsanft durch – die Enttäuschung war groß. Gemeinsam mit B & F-Chef Peter Funk und dem befreundeten Selbstbauer Werner Heckmann – beide haben das Projekt von Anfang an begleitet – wurden die Knackpunkte ausfindig gemacht. Das Leitwerk war schief, wurde per Laser vermessen und ins Lot gerückt. Außerdem erwiesen sich die Original-Vorflügel, die aus Alu bestanden, aerodynamisch als Fehlkonstruktion, ganz und gar nicht im Sinne des Herrn Bernoulli: Sie produzierten lediglich Widerstand, aber keinen Auftrieb.

Beobachtungsfenster: Die Verglasung ragt nach außen – das ermöglicht eine vertikale Blickrichtung

Uli blieb nur ein Neubau mit geändertem Profil und anderer Positionierung zum Hauptflügel. Zeit, den Storch für einen Fotoflug mit vereinten Kräften aus der Halle zu bugsieren. Wer die hoch überm Boden thronende Kabine entern möchte, sollte entweder einigermaßen sportlich sein oder sich einer Einstiegshilfe bedienen. Das Panel dominiert ein Mix aus modernen und zeitgenössischen Instrumenten. Funk und Transponder dürfen natürlich nicht fehlen, über Flug- und Motordaten informieren zwei digitale Rundinstrumente von MGL Avionics. Ein zentral angeordneter Schnapskompass und ein analoger Fahrtmesser bewahren den historischen Charme. Am Flügel sind die LED-Leuchten ein vorsichtiges Zugeständnis an die Moderne. Nach mittlerweile gut zehn Stunden in der Luft ist der Pilot und Erbauer mit seinem Werk zufrieden. Mit beschaulichen 120 bis 130 km/h geht es im Reiseflug vorwärts, 2300 mal pro Minute dreht die Kurbelwelle des Walter Mikron dabei den Woodcomp-Propeller.

Ein etwas niedrigeres Drehzahlniveau und einen besseren Wirkungsgrad soll der Wechsel auf einen Holzpropeller des tschechischen Herstellers Wollner bringen. Etwa 13 Liter Sprit pro Stunde genehmigt sich der Mikron III C „cruise“, seine Temperaturen bleiben auch an warmen Tagen im grünen Bereich. „Die Ruderabstimmung ähnelt erwartungsgemäß der Tulak. Der Storch reagiert feinfühliger auf die Trimmung, liegt aber stabil in der Luft“, berichtet Uli. Auch die Parade-Disziplin des historischen Vorbilds, den Langsamflug, beherrscht das UL: Noch mit angezeigten 50 km/h hält es sich tapfer in der Luft. „Zurück zur Langsamkeit – es ist halt ein Storch“, schmunzelt der Pilot nach der Landung. 2500 Arbeitsstunden hat es gedauert, den Storch auf sein staksiges Fahrwerk zu stellen. Was noch aussteht, ist die Verkehrszulassung.

UL-Storch: Zurück zur Langsamkeit

Hier gewährt der DAeC einige Erleichterungen: Die Gemeinsamkeiten zwischen Tulak und Storch sind groß genug, um beide Muster auf Basis eines gemeinsamen Kennblatts zuzulassen. Ganz ohne zusätzliche Nachweise ging es trotzdem nicht: Den Falltest steckte das Fahrwerk souverän weg. Das profilierte Leitwerk, wie beim Original, zeigte sich von 115 Kilopond Last pro Seite ebenfalls unbeeindruckt. Die Lärmmessung ist eine der letzten Hürden – die auslassseitige Dämpfung des Mikron dürfte eine Herausforderung sein.

Die Legende lebt: Originalgetreu hin oder her – wer den UL-Storch im Flug sieht, spürt die Ausstrahlung des großen Vorbilds

Bleibt die Frage nach dem Preis: Etwa 25 000 Euro kostet der Bausatz, rund 17 000 Euro sind für den Motor zu veranschlagen, hinzu kommen Avionik, BRS-Rettungsgerät und zahlreiche Einzelteile. „Insgesamt zirka 50 000 Euro stecken im Storch, die eigene Arbeitszeit nicht eingerechnet“ resümiert der Erbauer. Ob der ultraleichte Nachbau des STOL-Klassikers ein Einzelstück bleiben wird? Ich bezweifle es. Dieser Storch passt geradezu perfekt in die UL-Klasse.

Text & Fotos: Patrick Holland-Moritz, fliegermagazin 8/2016

Technische Daten
Podešva Fi 156 Storch
  • Tomáš Podešva, Újezd u Uničova 170, 78396 Tschechien, Telefon: 0042(0)605 55 07 08, www.podesva-air.com
  • 10,25 m
  • 15,27 qm
  • 7,13 m
  • 2,25 m
  • 0,86 m
  • 472,5 kg
  • 76 l
  • Mikron III C / 80 PS
  • Woodcomp, 2-Blatt, Holz, fest, 1,80 m
  • 100 m
  • 200 m (15-m-Hindernis)
  • 110 m
  • 220 m (15-m-Hindernis)
  • 5 m/sec
  • ca. 665 km plus 30 min Reserve
  • 25 000 Euro* (Bausatz)
  • Bausatz-Erbauer D-MLSU: Ulrich Sittel, 67806 Rockenhausen, u.sittel@gmx.net
  • * ohne Antrieb, Instrumente, Avionik, Rettungssystem, Bespannmaterial, Farbe und diverse Kleinteile
Schlagwörter
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