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Der rote „Ferrari“: Osprey Aircraft GP-4

Stéphane Homblé hat für seine Osprey Aircraft GP-4 18 Jahre gebraucht. Das fliegermagazin hat das Highperformance-Flugzeug getestet.

Von Redaktion
Der rote „Ferrari“: Osprey Aircraft GP-4
Schnell mal ans Meer: Von der Homebase Lille geht das mit der F-PGSH ruckzuck. Dabei genießen die Insassen eine fantastische Sicht aus der Panoramakanzel.

Die Steigrate ist wirklich beeindruckend! Mit eingezogenem Fahrwerk, Klappen drin, 2500 Umdrehungen pro Minute und 25 inch hg Ladedruck halte ich 120 Knoten. Dabei zeigt das Vario 2500 Fuß pro Minute an. Als wir 6000 Fuß passieren, sind es noch etwas mehr als 1500 Fuß pro Minute, und auf 8000 Fuß bleiben immerhin 1000 Fuß pro Minute übrig. Die Panoramahaube ermöglicht eine hervorragende Rundumsicht. Sieht man davon ab, dass ein Propeller und Flügel im Sichtfeld liegen, könnte man fast meinen, in einer Rafale zu sitzen!

Doch während fast jeder den französischen Kampfjet kennt, fängt kaum jemand etwas mit der Typenbezeichnung GP-4 an. Sie steht für den Namen George Pereira, und die „4“ ist das vierte Muster des kalifornischen Konstrukteurs. Bekannter sind vielleicht dessen Amphibien-Flugboote Osprey 1 und 2 oder der aufregend schöne Racer GP-5, der für die Un- limited-Klasse konzipiert worden war, nach einer Änderung des Unlimited-Reglements in der Sport Class antrat und 2014 beim Training in Reno crashte. Wenn die Osprey Aircraft GP-4 wie ein Ferrari zum Fliegen aussieht, ist die Nähe zum Rennsport also gar nicht so weit hergeholt.

Einmalig: Osprey Aircraft GP-4 gewann 1984 zwei Preise in Oshkosh

Es war 1984 in Oshkosh, wo Pereira die GP-4 der Öffentlichkeit vorstellte. Das Design, die Leistung und die Bauausführung begeisterten die EAA-Jury so sehr, dass sie für den Prototypen gleich zwei Preise verlieh: den Grand Champion in der Kategorie Amateurbau und die Auszeichnung für die beste Neukonstruktion. Bis heute ist das einmalig.

FerrariFerrari
Tutto rosso statt Testarossa: Mit der GP-4 hat George Pereira ein fliegendes Pendant zu Ferraris Klassiker von 1984 geschaffen. Beide Zweisitzer kamen im selben Jahr raus.

Pereira, der im Oktober mit 97 Jahren verstorben ist, hat etwa 800 Plansätze verkauft. Man schätzt, dass aber nur etwa 30 Maschinen entstanden sind – der Bauaufwand für ein derartiges Flugzeug ist enorm: Im Schnitt braucht ein Erbauer 13 Jahre bis zum Erstflug.

Enormer Bauaufwand: Ein Erbauer braucht im Schnitt 13 Jahre bis zum Erstflug

Bei Stéphane Homblé waren es 18. Der Franzose hat alles selbst gemacht: Material besorgen, Teile anfertigen und verbauen; kleben, schweißen, lackieren … Sogar den Erstflug und die Erprobung hat er selbst durchgeführt. Als Ingenieur ließ er auch eigene Ideen beim Bau einfließen, am Ende wurde sein Werk mit dem OSAC-Pokal 2016 belohnt, den die französische Luftfahrtorganisation Organisme pour la Sécurité de l’Aviation Civile jährlich für die akribischste Arbeit eines Selbstbauers verleiht.

Die Osprey Aircraft GP-4 besteht größtenteils aus Holz, einige Anbauteile sind aus Glasfaserverstärktem Kunststoff. Der Flügel ist einteilig und auf +8/–6 g ausgelegt, die GfK-beschichtete Oberfläche der Zelle hat Stéphane so perfekt hinbekommen, dass man glaubt, ein Kunststoff-Flugzeug vor sich zu haben.

Über einen Staulufteinsatz wird der Sprit auf natürliche Weise in die Leitungen gedrückt

Der Motor, ein Einspritzer des Typs Lycoming IO- 360, leistet 200 PS und treibt einen zweiblättrigen Verstellpropeller an. Fürs Benzin gibt es drei Tanks, die je 60 Liter fassen: zwei in der Fläche und einen hinterm Brandspant. Stéphane hatte die kreative Idee, jeden Tank mit einem kleinen Staulufteinlass zu versehen, um so auf natürliche Weise den Sprit in die Benzinleitungen drücken zu lassen. Normalerweise ungenutzte Restmengen werden so minimiert.

TrimmungTrimmung
Schlankes Ende: Der Rumpf läuft spitz aus, für die Trimmung des Höhenruders genügt ein einseitiger Flettner, links ganz innen.

Für die Nickachse hat das Flugzeug eine elektrische Trimmung, auch die Landeklappen werden elektrisch betätigt. Die verschiedenen Stellungen – Start 10 Grad, Landeanflug 20 Grad, Endanflug 32 Grad – sind direkt an den Klappen markiert. Einfach und sicher. Beide Sitze lassen sich in Längsrichtung verstellen, Bremspedale gibt’s nur auf der linken Seite. Auf der Pilotenseite ist auch der Tankwahlschalter positioniert: zwischen den Beinen. Stéphane hat im Amaturenbrett große Uhren montiert – links alles, was man für den Sichtflug braucht, rechts die Motorinstrumente. Platz fürs Gepäck ist hinter den Sitzen.

Wie in einem Rennwagen: Im Cockpit liegt man sehr komfortabel

Der Erbauer war bereit, mich die F-PGSH in Merville (westlich seiner Homebase Lille) ausprobieren zu lassen. Begleitet werde ich von seinem Freund Nikash Coffin, einem sehr erfahrenen Piloten. Mit 60 Litern im Rumpftank und je 15 Litern in den Flügeln beträgt unser Startgewicht 760 Kilogramm.

CockpitCockpit
Nur Uhren: Das Panel wirkt klassisch. Ungewöhnlich: Der Tankwahlschalter ist vor dem Pilotensitz platziert.

Um ins Cockpit zu kommen, muss man sich ein wenig verrenken. Sobald ich jedoch halb liegend wie in einem Segelflugzeug oder einem Rennwagen sitze, ist der Komfort hervorragend – so kann man auch lange Flüge gelassen angehen. Unsere Utensilien verstauen wir in den klug platzierten Netzen an den Seitenwänden. Anlassprozedere, Elektrik und Avionik – das ist alles wie bei anderen Leichtflugzeugen. Obwohl die Osprey Aircraft GP-4 am Boden die Nase für eine Bugradmaschine weit nach oben reckt und die Frontscheibe stark geneigt ist, haben die Insassen eine zufriedenstellende Sicht nach vorn. Durch die Koppelung von Bugrad und Seitenruder ist das Lenken sehr einfach.

Handarbeit: Das Fahrwerk fährt über einen Hebel in der Mittelkonsole ein

Bremsen los – und ab geht’s. Beim Beschleunigen braucht das rechte Pedal etwas Druck, aber schon bald, bei etwa 70 Knoten, hebt das Flugzeug von selbst ab. Eigentlich erwartbar angesichts der Bodenstandslage. Die Steuerungen ist präzise und sehr leichtgängig, ich brauche nur minimale Rudereingaben, um die Flugbahn zu korrigieren. Soll die Kugel in der Mitte bleiben, muss im Steigflug aber das Seitenruder ordentlich nach rechts ausgeschlagen werden.

FahrwerkshebelFahrwerkshebel
Frankenstein-Schalter: Der lange Hebel ist fürs Fahrwerk. Um es einzuziehen, wird er nach hinten geklappt – am besten zu zweit.

In 500 Fuß zeigt mir Nikash bei 90 Knoten, wie man das Fahrwerk einzieht: Zunächst wird der Griff des langen, aus der Mittelkonsole nach oben stehenden Hebels nach unten gezogen. Das öffnet die inneren Fahrwerksklappen und löst die Entriegelung. Dann schwenkt man den Hebel nach hinten. Nach etwa zwei Dritteln des Wegs ist erhöhter Widerstand spürbar, den man am besten mit etwas Schwung und einer helfenden Hand überwindet. Wird der Griff losgelassen, wenn der Hebel horizontal zwischen die Sitze ragt, rastet die Verriegelung ein, und die inneren Klappen schließen sich.

Nicht nachrüstbar: Auf mehrfachen Kundenwunsch hat Pereira ein hydraulisches Fahrwerk entwickelt

Solange die Fahrwerksbeine in Bewegung sind, leuchten zwei rote Lampen, drei grüne zeigen an, dass sie verriegelt sind. Nicht schwierig, das Ganze, aber der Pilot muss sich konzentrieren, damit er das leichtgängige Steuer nicht verreißt, während dem rechten Arm eher grobmotorischer Krafteinsatz abverlangt wird. Auf mehrfachen Kundenwunsch entwickelte George Pereira auch eine hydraulische Fahrwerksbetätigung, die man allerdings nicht nachrüsten kann.

Flight Level 100 ist schnell erreicht, im Horizontalflug lassen wir die Maschine beschleunigen. Bei null Grad Außentemperatur, 2600 rpm und 19 inch hg Ladedruck pendeln sich 190 Knoten ein. Aus optischen Gründen hat Stéphane die Cowling nicht mit einem Staulufteinlass für den Ansaugtrakt versehen; dadurch bringt der Motor nicht ganz die Leistung, die möglich wäre, sodass die F-PGSH etwas unter den Performance-Angaben des Konstrukteurs bleibt .

Vorausschauender Sinkflug: In turbulenter Luft sind 180 Knoten das Limit

Die Flugruhe „en route“ ist sehr angenehm. Obwohl agil um alle Achsen – gesteuert wird mit zwei Fingern –, liegt das Flugzeug stabil in der Luft. Die Trimmung erweist sich als sensibel, ganz kurze Impulse genügen. Da die Längsstabilität gering ist, erzeugt die kleinste Änderung der Trimmung eine spürbare Wirkung. Bei den beiden anderen Achsen, die nicht trimmbar sind, ist permanent ein leichter Ruderausschlag nötig, um schiebefrei und ohne hängende Fläche zu fliegen. Da wären kleine Bügelkanten nützlich.

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Zurück Richtung Merville und sinken. Ich verringere den Ladedruck bloß auf 15 inch hg, damit die Zylinderkopftemperatur hoch genug bleibt, und drücke den Flieger bis an die Vne von 220 Knoten. Dabei müssen wir uns mit einer Sinkrate von 700 Fuß pro Minute begnügen. In turbulenter Luft wären 180 Knoten das Limit, das würde eine noch geringere Sinkrate bedeuten. Ein vorausschauender Sinkflug ist daher unerlässlich. Luftbrem- sen wären wünschenswert, aber wie Stéphane später erklärt, bie- tet das Flügelinnere zu wenig Platz dafür.

Strömungsabriss: Das Abreißverhalten der GP-4 macht sie zu einem sicheren Flugzeug

In 5000 Fuß levele ich aus, um der Osprey Aircraft GP-4 noch etwas auf den Zahn zu fühlen. Leitet man eine Kurve ausschließlich mit dem Querruder ein, ist kaum ein negatives Wendemoment wahrnehmbar. Bei Annäherung an den Strömungsabriss kommen in jeder Klappenstellung drei, vier Knoten vor dem Stall leichte Vibrationen auf, anschließend neigt der Tiefdecker dazu, über die Fläche abzukippen, mal rechts, mal links, was sich aber mit dem Seitenruder verhindern lässt.

Dutch RollsDutch Rolls
Anfällig für Dutch Rolls: Das spitze Seitenleitwerk ist gewöhnungsbedürftig, auch seine kleine Fläche – Taumelschwingungen sind der GP-4 nicht fremd. Gieren ist dabei ausgeprägter als Rollen.

Die GP-4 hat keine Stallwarning, doch sie warnt den Piloten – ihr Abreißverhalten macht sie zu einem sicheren Flugzeug. In Kurven ändert sich die Steuerkraft kaum, egal wie viel g anliegen. Diese Eigenschaft, die für reinrassige Akromaschinen typisch ist, kennt man von Reiseflugzeugen nicht. Piloten sollten sich dessen bewusst sein, wenn sie bei schlechter Sicht Kurven fliegen und die Querneigung kaum wahrnehmbar ist.

Das Heck ist Weit unten: Bei Bodenkontakt leuchten zwei kleine Lampen im Panel auf

Wir nutzen die gute Leistung der GP-4, um den Platz schnell zu erreichen, und denken daran, früh genug zu verlangsamen. So können wir im Gegenanflug die Räder rauslassen. Die Lastigkeit ändert sich dadurch nicht; erst wenn man die Klappen setzt, entsteht ein leichter Nose-down-Effekt, der gut weggetrimmt werden kann. Dieses Eigenschaften ermöglichen dem Piloten, seine Maschine mühelos für die Landung zu konfigurieren, während er seine Aufmerksamkeit für andere Aufgaben nutzt, etwa die Luftraumbeobachtung oder die Kontrolle des Anflugpfads.

Im Endanflug bei 80 Knoten sprechen die Ruder noch akkurat an. Aufsetzen im Sackflug ist nicht zu empfehlen – man muss die GP-4 bis zum Schluss fliegen. Richtet man sie beim Ausrunden nicht genügend auf, kann dies zu einer Drei-Punkt-Landung führen oder sogar dazu, dass das Bugrad den Boden zuerst berührt. Es hilft, sich die Bodenstandslage zu vergegenwärtigen. Das Heck ist so weit unten, dass Stéphane dort einen Metallhebel angebracht hat, der bei Bodenkontakt zwei kleine Lampen im Panel aufleuchten lässt. So kann der Pilot den Knüppel sofort etwas nachlassen, wenn er’s mit dem Verlangsamen übetrieben hat.

AnstellwinkelAnstellwinkel
Nase oben: Am Boden ist der Anstellwinkel so groß, dass die GP-4 beim Start von selbst abhebt. Bei der Landung kann das Heck den Untergrund zuerst berühren.

An der Tankstelle füllen wir Sprit nach: 33 Liter für eine Stunde Flugzeit, wobei der Verbrauch im Reiseflug, ohne all die Manöver und Lastwechsel, etwas niedriger sein dürfte. Angesichts der möglichen Flugleistung macht das die GP-4 zu einem sehr wirtschaftlichen Reiseflugzeug.

Die Leistung der Osprey Aircraft GP-4 hängt von der Bauausführung ab

Was kostet der Spaß? Stéphane spricht von 50 000 Euro Materialwert. Aber natürlich braucht man viel Zeit und Leidenschaft, um eine Maschine wie die GP-4 fertigzustellen. Zu beachten ist auch, dass es sich um ein Highperformance-Flugzeug handelt, dessen Leistung wesentlich von der Bauausführung abhängt. Das entsprechende Niveau muss man handwerklich schon draufhaben – eine Van’s ist ungleich einfacher zusammenzunieten.

FlandernFlandern
Ferrari? Nein, Flandern! Am Boden sieht niemand die Flagge von Stéphanes Heimatregion. So bleibt das homogen rote Erscheinungsbild aus der Nähe ungestört.

Wer sich aber auf ein Projekt wie den Bau einer Osprey GP-4 einlässt, hat am Ende ein Traumflugzeug, das ein Mehrfaches kosten würde, wenn ein professioneller Anbieter es gefertigt hätte. Sofern es so etwas wie Pereiras „Ferrari“ als Fertigflugzeug überhaupt gibt.

Text: Philippe Deleume, Fotos: Jean-Marie Urlacher

Technische Daten
  • 7,30 m
  • 9,70 m2
  • 6,55 m
  • 1,60 m
  • 572 kg
  • 907 kg
  • 180 l
  • Lycoming IO-360-A1A / 200 PS
  • Hartzell, 2-Blatt, constant speed, Metall, 1,88 m
  • 185 m
  • 370 m
  • 2500 ft/min (F-PGSH);
  • 950 NM plus 30 Min. Reserve
  • ca. 50 000 Euro Materialwert
  • 67 kt
  • 59 kt
  • 63 kt
  • 190 kt TAS (F-PGSH); Herstelleran- gabe: 208 kt bei 75% in FL 80)
  • 220 kt
Schlagwörter
  • Osprey Aircraft
  • GP-4
  • Selbstbauflugzeug
  • Einziehfahrwerk
  • Rennflugzeug
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