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Vom Bodensee nach Portugal: Fliegerurlaub mit Zlin Savage Cub

Zwei Jungs, ein Buschflugzeug, das in Portugal stationiert werden soll. Aber nicht mit GPS- Hilfe, sondern wie früher mit Karte und Kompass. Kurz vor dem Ziel spitzt sich die Lage zu.

Von Redaktion
Täuschend ähnlich: Die Savage Cub gleicht dem Original von Piper. Als UL ist sie aber kleiner
Ein Ultraleichtflugzeug ist am Mittwochnachmittag bei Rosenheim abgestürzt. Es soll ein UL des Herstellers Zlin Aviation gewesen sein (Symbolfoto). Zlin Aviation

Die Wolken hängen tief, Schauer ziehen übers Land – keine guten Voraussetzungen für einen Streckenflug in diesem verregneten August. Trotzdem lacht in unseren Herzen die Sonne, denn endlich steht sie vor uns: eine nagelneue Savage. Andreas Schifflechner, ihr Besitzer, hat sie in Deutschland in Empfang genommen. Jetzt muss sie nach Portugal, wo Andreas seit zwölf Jahren lebt. Verladen? Wie uncool: „Sie ist ein Flugzeug“, sagte ich, „also fliegen wir sie dort hin!“ Als wir dann am Morgen des 12. August startklar am UL-Sonderlandeplatz Berg standen, hieß es erst einmal warten. Warten auf eine Regenlücke. Und siehe da, sie kam. Ganz unerwartet klarte der Himmel ein wenig auf, und wir beschlossen, es gleich zu versuchen, auch wenn wir vielleicht nicht weit kommen würden.

Nach dem Start wollten wir so schnell es geht nach Frankreich, wo die Sonne schien. Aber um dort hinzukommen, durften wir erst mal im Regenschauerslalom den Rhein entlang schleichen. Immerhin konnten wir dabei die vorgeschriebene Mindesthöhe einhalten, und schon bald erblickten wir Licht am Horizont. So wurde aus dem Kampf mit dem Wetter nun endlich Genussfliegen; es sollte fast auf der ganzen Route so bleiben. Den Atlantik erreichten wir bei Arcachon. Von hier an bescherte uns Petrus soviel Sonne, dass wir bald rote Nasen hatten; vor allem aber musste die Schwitzerei abgestellt werden: Andreas, der vorn saß (wir wechselten die Plätze ab), reduzierte die Fahrt von 150 auf 120 km/h, und ich öffnete wie bei einer Piper Cub die Tür – traumhaft: mit freiem Blick nach draußen die Atlantikküste entlang fliegen, bei Pilat über die größte Düne Europas!

Traumhaft: mit freiem Blick nach draußen die Atlantikküste entlang fliegen

Du spürst den warmen Wind, der gleichmäßig ins Cockpit weht, der Motor brummt gemütlich vor sich hin, die Leute am Strand winken dir zu und man winkt zurück – das ist die wahre Freiheit des Fliegens. Unser Küstenflug führte uns nach Itxassou, auf unserer Route der letzte Flugplatz in Frankreich. Hier wollten wir die Tanks füllen, bevor die nächste Etappe anstand: am Golf von Biscaya entlang hinein in die weite Hochebene Nordspaniens. Das Anflug-„Prozedere“ in Itxassou gestaltete sich wie an den meisten Plätzen in Frankreich und auch, wie wir später feststellen würden, in Spanien und Portugal. Wir meldeten den Anflug und wunderten uns schon längst nicht mehr, dass wir keine Antwort erhielten. Dann hieß es: Augen auf, Flugplatz in sicherer Höhe überfliegen, nach dem Windsack schauen, Landerichtung klar machen – sind andere Maschinen im Anflug oder in Platznähe?

Wir sahen keine, also teilten wir uns den Anflug ein und landeten. Es gibt sogar Flugplätze, für die im Anflugblatt gar keine Funkfrequenz genannt ist. Dann wird zwei Minuten vor Erreichen des Platzes auf der allgemeinen französischen UL-Frequenz 123,50 MHz gefunkt. Die Antwort bleibt aber genauso oft aus wie auf den Platzfrequenzen. Zuerst waren wir von dieser Art, einen Platz anzufliegen, überrascht, ja sogar verunsichert. Als wir uns dann aber sehr schnell daran gewöhnt hatten, erkannten wir, dass es auch so geht. Das Verfahren ist wesentlich unkomplizierter als mit Flugleiter und meiner Meinung nach auch genauso sicher wie mit Funk und dem strengen Einhalten einer Platzrunde: Dadurch dass wir nicht sicher sein konnten, ob vielleicht doch irgendwo ein anderes Flugzeug herumschwirrt, waren wir gezwungen, die Augen offen zu halten und zu schauen – echter Sichtflug eben.

Keine Seltenheit: Nach einer Stunde wurde wir auf dem Flugplatz herzlich empfangen

Wie an allen Flugplätzen, auf denen wir landeten, wurden wir auch in Itxassou herzlich empfangen. Das heißt, wir wurden nach einer Stunde herzlich empfangen, denn so lange standen wir allein rum, was übrigens keine Seltenheit ist. Da wir kein Wort Französisch können, erklärten wir dem Gastgeber mit Händen und Füßen, dass wir Benzin benötigten. Als wir so verhandelten, gesellten sich nach und nach weitere Clubmitglieder dazu, mit denen wir uns schließlich auf Spanisch unterhalten konnten. Wir erfuhren, dass zwar ein Tank mit Avgas vorhanden sei – so steht es auch im Flugplatzführer –, es dürfe aber kein Benzin an Nichtmitglieder abgegeben werden. Sofort zeigte sich die überaus große Hilfsbereitschaft der Franzosen: Ein Mitglied des Clubs erklärte sich spontan bereit, uns zu einer Tankstelle im nächsten Ort zu fahren, damit wir dort die Kanister füllen konnten. Kanister?

Nicht unsere – die mussten erst noch organisiert werden. Umgehend verschwanden einige Piloten und kamen mit so vielen Kanistern zurück, dass man damit problemlos eine Cessna 172 hätte betanken können! Dieses Erlebnis ist typisch für die Hilfsbereitschaft in den meisten südlichen Ländern. Allerdings mussten wir auch erfahren, dass die Zeit, je weiter wir nach Süden kamen, eine immer unwichtigere Rolle spielte. So dauerte unser kleiner Tankstopp ganze vier Stunden. Aber schließlich waren wir ja auf einer Reise und nicht auf der Flucht. Wie beim Einflug nach Frankreich besteht zwar auch für Spanien und Portugal Flugplanpflicht. Die Zollkontrolle ist aber entfallen.

Wie Buschpiloten navigieren: mit Karte und Kompass

Dafür ärgerte uns das Wetter gleich hinter der spanischen Grenze. Über dem Kantabrischen Gebirge versperrte eine aufliegende Wolkenwand den Weg weiter hinein in die Berge zu dem kleinen Altiport Camaleno Artanin, der im Naturschutzgebiet Picos de Europa liegt. Kurzerhand berechneten wir unsere Route neu: von der aktuellen Position nach Villa Marco südlich von León. Eine exakte Kursberechnung war notwendig, denn erstens erwartete uns die Tierra-de-Campos-Hochebene, ein Gebiet, in dem nur wenig markante Punkte auszumachen sind, und zweitens hatten wir bereits im Vorfeld beschlossen, die ganze Tour ohne GPS zu fliegen. Wenn wir schon mit einem Buschflugzeug unterwegs sein würden, dann wollten wir auch wie Buschpiloten navigieren: mit Karte und Kompass. Zur Sicherheit hatten wir zwar ein GPS an Bord, wir wollten es aber nur im Notfall benutzen. Dieser Vorsatz wurde nun auf eine harte Probe gestellt.

Die Tierra de Campos macht es Piloten schwer, sich zu orientieren. Du fliegst in 4500 Fuß, aber durchaus in Bodennähe, und so weit das Auge reicht, ist nichts anderes zu sehen als Felder, Felder und nochmals Felder. Alles sieht irgendwie gleich aus. So stelle ich es mir über einer Wüste vor. Da meinte Andreas: „Schau mal da, ein Flugplatz!“ Doch ich sah nur Felder – bis ich dann eins entdeckte, auf dem Pistenmarkierungen standen. Die Hangars hätten genauso gut alte Geräteschuppen sein können, und auf der Karte war auch nichts eingezeichnet. Nach über einer Stunde „blinden“ Sichtflugs erreichten wir endlich unsere Auffanglinie, die Eisenbahnlinie zwischen Palencia und León, die uns direkt nach Villa Marco führte. Beeindruckend: Dieser UL-Platz liegt mitten im Nirgendwo, hat aber er vier Pisten und einen riesigen Hangar, in dem die modernsten ULs stehen.

Landemöglichkeiten findet man immer: Im Tiefflug genießen wir die Abendsonne

Nachdem uns der Platzhalter ein prächtiges spanisches Menü serviert hatte, fragte er uns, ob wir noch Lust hätten, die Abendsonne im Tiefflug zu genießen. Der Begriff Tiefflug hat für ULs in Spanien allerdings eine andere Bedeutung als in Deutschland, denn selbst eine 500-Fuß-Untergrenze, so der Fluglehrer, existiere für die ganz Kleinen nicht. So erkundeten wir die Umgebung in Minimalhöhe. Wo da die Sicherheit bleibt? Diese Frage stellten wir uns auch. In der Gegend um Villa Marco gibt es weit und breit keine größeren Häuser, Berge, Hochspannungsleitungen oder andere Hindernisse, die eine Gefahr darstellen könnten. Sollte der Motor ausfallen – kein Problem, Landemöglichkeiten findet man immer. Dieser abendliche Ausflug wird uns als ganz besonderes Erlebnis in Erinnerung bleiben.

Die letzte Etappe nach Portugal. Nachdem wir mehr als 1500 Kilometer zurückgelegt hatten, trennten uns nur noch 290 vom Zielflugplatz Braga. Kein Problem, dachten wir, denn die Sonne lachte, und der Wind blieb aus. Als wir uns gemütlich der portugiesischen Grenze näherten, begann das Gelände anzusteigen, und am Horizont erkannten wir Berge. Dann wurde über Portugal die Sicht immer schlechter, wie bei einer Warmfront, dabei hatte der Wetterbericht beste Flugbedingungen erwarten lassen. Die Sicht nahm weiter ab, und es roch nach verbranntem Holz … Kein schlechtes Wetter, sondern Rauch! Zu dieser Zeit gab es im Norden Portugals zahlreiche Waldbrände die, wie wir jetzt deutlich sehen konnten, das Land großflächig mit Rauch überzogen. Auch Richtung Braga! Langsam wurde uns klar: Wir konnten dem immer dichter werdenden Rauch nicht mehr entkommen, wenn wir auf einem Flugplatz runtergehen wollten. Also eine Außenlandung, bevor die Sicht völlig weg ist!

Schlechte Sicht: Waldbrände in Portugal

Das hört sich erstmal nicht so dramatisch an, doch wer schon mal über die Berge Nordportugals geflogen ist, weiß, dass Außenlandungen hier ein ernsthaftes Problem darstellen. Andreas hatte das bereits mit seiner LO-120 zu spüren bekommen. Das Gelände ist von Wäldern, Maisfeldern und Weinreben übersäht. Als wir endlich doch eine ziemlich kurze Wiese fanden, stellten wir fest, dass sie durch kleine Mauern geteilt war – also weiter suchen. Die Zeit drängte, denn der Qualm wurde immer dichter. Mittlerweile hatten wir schon einige Anflüge auf verschiedene Wiesen ausprobiert, doch die erwiesen sich jedes Mal als zu kurz, und das obwohl sich die Savage problemlos auf 100 Meter landen lässt. Da erblickte ich einen Berggipfel, der noch über den Rauch hinausragte. Kurzerhand entschloss ich mich, dorthin aufzusteigen und mit einem der nahe gelegenen Flugplätze Kontakt aufzunehmen.

Andreas wurde währenddessen immer ruhiger; er befürchtete wohl schon das Schlimmste. Über dem Berg versuchte ich, mit den drei nächst gelegenen Plätzen in Funkkontakt zu treten, denn wenn einer von ihnen freien Himmel gemeldet hätte, wäre ein Flug dorthin über dem Rauch kein Problem gewesen. Alle Versuche blieben jedoch erfolglos – an den wenigsten portugiesischen Flugplätzen ist ein Flugleiter vor Ort. Aber ohne die Sicherheit, in rauchfreiem Gebiet absteigen zu können, wäre es ein zu waghalsiges Unterfangen gewesen, einfach draufloszufliegen. Mein Blick fiel hinunter auf den rauchfreien Berg … „Da! Ich habe unsere Piste gefunden!“, rief ich erleichtert. Nun ja, ich konnte es Andreas nicht übel nehmen, dass er beim besten Willen keine Piste erkannte, denn was ich als solche identifiziert hatte, erwies sich als schmaler Schotterweg zwischen den Windkraftanlagen, die auf dem Berg standen. Der Weg stieg steil an und hatte viele Kurven, aber es war unsere letzte Chance – vor dem Rettungsgerät.

Letzter Ausweg: Wir wagen eine Außenlandung auf einem Schotterweg

Der Weg lag auf einer kleinen Böschung, die links und rechts einen Meter abfiel. Als erfahrenerer Spornradflieger von uns beiden musste ich ihn genau treffen und die Savage auch drauf halten können, das Ganze bei ziemlich starkem Seitenwind. Zugegeben, es waren nicht die besten Voraussetzungen für eine sichere Außenlandung – zumal ich hinten saß und bis dahin noch nie versucht hatte, in eine Kurve hinein zu landen. Äußerste Konzentration war gefragt. Den Anflug schön einteilen und nur die Ruhe bewahren, dachte ich, als uns die erste Böe zu einem der Windräder hin abtrieb. Ausweichen! Anflug korrigieren, alles wieder auf Kurs. Jetzt schön langsam weiter. Fahrt runter in den weißen Bereich. 110 km/h, Klappen auf Position eins. Langsamer, langsamer … bei 90 Klappenstufe zwei. Meine Nervosität ist wie verschwunden.

Es gilt nur noch, sicher auf dem kleinen Fleckchen Erde vor uns zu landen. Der Fahrtmesser zeigt jetzt 70 km/h. Langsamer geht’s wirklich nicht mehr, denn der Wind hat hier und da seine Tücken. Dicht an den Boden ranfliegen … abfangen und ohne lang auszuschweben in Drei-Punkt-Lage aufsetzen. Geschafft! Die Kurve vor uns mussten wir, anders als erwartet, nichtmal ganz bewältigen; bereits mitten drin kamen wir zum Stehen. Da saßen wir nun, nur noch 35 Kilometer von unserem Zielflugplatz entfernt, auf einem über 4000 Fuß hohen Berg. Nicht gerade der krönende Abschluss einer solchen Tour, aber dafür hatten wir viel dazugelernt. Das Abenteuer war allerdings noch nicht ganz zu Ende. Wir verzurrten die Savage an einer sicheren Stelle auf dem Berg und entschieden uns, am nächsten Tag heimzufliegen, wenn der Rauch weg sein würde. Wir riefen Andreas’ Frau an, die trotz der kurzen Anfahrt von Braga drei Stunden brauchte, um uns zu finden – „der Berg mit den Windrädern“, diese Beschreibung traf nicht nur auf unseren zu.

Außenlandung: abfangen und ohne lang auszuschweben in Drei-Punkt-Lage aufsetzen. Geschafft!

Drei Tage Regen verzögerten dann erstmal den Wiederstart. Als das Wetter schließlich mitspielte, mussten wir zunächst ein Loch im Höhenruder flicken – eine Kuh war an dieser Stelle wohl zu neugierig gewesen; seitlich und vorn hatten wir Absperrband um die Savage gezogen. Dann erkundeten wir das Gelände: Wo lässt sich ein sicherer Start hinlegen? Tatsächlich fanden wir einen besseren Abschnitt auf dem Weg als unsere „Landebahn“. Es gab nur ein Problem: Wie bekommen wir den Flieger dort hin? Der Weg führte so steil bergauf, dass wir es selbst zu dritt nicht schafften, die Savage hochzuschieben. Da half nur noch eins: Abschleppen!

Abschleppseil an den Haken des BMW, das andere Ende ans Spornrad – so zogen wir die Maschine den Berg hinauf zu der ausgesuchten Stelle. Der Weg sah hier wirklich gut aus: schön gerade, leicht abfallend und fast genau gegen den Wind. Allein in der ausgeräumten Savage hieß es dann ein letztes Mal: volle Konzentration und Nerven behalten. Rotax warmlaufen lassen, Klappen auf Stellung eins, in die Bremsen stehen, Vollgas, Spornrad im Stand hochkommen lassen, damit es beim Anrollen keinen Widerstand erzeugt, Bremsen frei und auf den Haupträdern beschleunigen … So früh wie möglich lasse ich die Savage fliegen, drücke nach, beschleunige dicht überm Weg … ein Windradmast – ausweichen, aber unten bleiben, drüber sind die Rotorblätter! – halb so schlimm.

Am Flugplatz Braga staunten die Piloten. Sie wollten nicht glauben, dass wir dort oben auf dem Berg, den sie gut kannten, gelandet waren. Andere wussten von der Rückholaktion, kreisten während des Starts über dem Gipfel und begleiteten mich auf den restlichen 35 Kilometern. Die ganzen Strapazen der Tour, vor allem gegen Ende, wurden durch einen wunderbaren Fliegerurlaub in Portugal wett gemacht. Für alle, die davon träumen, mal eine ähnliche Strecke zu fliegen, aber noch zögern: Es gibt kein schöneres Erlebnis!

Text und Fotos: Karsten Maier, fliegermagazin 1/2007

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